Originaltitel: Ready Player One__Herstellungsland: USA__Erscheinungsjahr: 2018__Regie: Steven Spielberg__Darsteller: Tye Sheridan, Olivia Cooke, Ben Mendelsohn, Lena Waithe, Mark Rylance, Simon Pegg, Philip Zao, Win Morisaki, Hannah John-Kamen, T.J. Miller, Julia Nickson-Soul, Mckenna Grace u.a. |
Ernest Cline schrieb mit “Ready Player One” ein Buch, das nach seiner Veröffentlichung ein heiliger Gral der Retro-Nostalgie-Welle wurde. Ein zentraler Bezugspunkt: Steven Spielberg. Und ausgerechnet der verantwortet nun die Leinwandadaption, die von Cline und Zak Penn als Drehbuchautoren verfasst wurde. Letzterer hatte allerdings dereinst negative Erfahrungen gemacht, als eines seiner Idole, Shane Black, das auf Shane-Black-Filme anspielende Spec Script „Last Action Hero“ überarbeitete, sich dabei aber von Penns Ideen wegbewegte, auch wenn am Ende ein sehr gelungener, oft unterschätzter Film dabei herauskam.
Im Gegensatz zu Penn bei „Last Action Hero“ blieb Ernst Cline allerdings als Drehbuchautor bis zum Ende involviert in den Film, der die ausladende Romanvorlage verdichten und filmischer gestalten musste. Die Ausgangssituation ist aber identisch: Im Jahre 2045 plagen Armut, Verwahrlosung und das Joch von Megakonzernen wie IOI die Menschheit. Die meisten Leute flüchten sich in eine virtuelle Realität namens OASIS, die von dem exzentrischen Computergenie James Halliday (Mark Rylance) erschaffen wurde. Als Halliday stirbt, ruft er einen ganz besonderen Wettbewerb aus, der seinen Erben bestimmen soll: Wer innerhalb der OASIS drei versteckte Schlüssel findet, gelangt an ein ebenfalls verstecktes Easter Egg, das dem Spieler Hallidays Aktienanteil an dem OASIS-Konzern Gregarious Games sowie die Kontrolle über das Schicksal der OASIS gibt. Schon die Einführung in die OASIS ist ein visuelles Sahnestück, das außerdem aufzeigt wie sehr die OASIS (ganz so wie der Film und seine Romanvorlage) ein Sammelsurium von den Nutzern kultisch verehrter popkultureller Artefakte ist.
Das merkt man schon an der Aufgabe, die zum ersten Schlüssel führt und ganz anders als im Buch ist. Vermutlich aus Straffungsgründen drückt Protagonist Wade Watts (Tye Sheridan) augenscheinlich nicht mehr die Schulbank, sondern ist junger Erwachsener, wodurch die Buch-Exposition, in der sich Wades Avatar Parzival vorerst nur auf einem Schulplaneten in der OASIS bewegen kann, flach fällt und die damit verbundene Aufgabe. Hier ist der Schlüssel in einem Rennen versteckt, was ungleich filmischer und eindrucksvoller ist. In diesem Rennen treten sind unter anderem der „Jurassic Park“-T-Rex und ein Marquee, das einen neuen Jack-Slater-Film ankündigt, zu finden, womit sowohl auf das Werk von Spielberg als auch von Zak Penn verwiesen wird. Wade ist jedoch immer noch ein Junge aus einfachen Verhältnissen, der zu den leidenschaftlichen Ei-Jägern gehört und in einem Ghetto lebt, das man die Stacks nennt – deshalb, weil dort die Wohnwagen-Behausungen auf wackeligen Konstruktionen in den Himmel gestapelt sind. Wie im Buch deutet Wade einen rätselhaften Hinweis aus Hallidays Vermächtnis richtig und findet so den ersten Schlüssel.
Damit wird nicht nur die etwas eingeschlafene Gralssuche wiederbelebt, sondern Parzival zum virtuellen Star. Jedoch suchen auch die zahllosen Mitarbeiter von IOI, die unter der Leitung von Nolan Sorrento (Ben Mendelsohn) die Kontrolle über die OASIS erlangen wollen, nun umso erbitterter nach dem Easter Egg. Und die haben nicht nur die geballte Konzernmacht im Rücken, sondern auch wenig Skrupel…
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Vom Programm her bleibt “Ready Player One” seiner Buchvorlage treu: Eine eher handelsübliche Rettergeschichte mit Young-Adult-Protagonisten, aufgezogen als Popkulturarchiv mit hohem Nerdfaktor. Die 1980er bilden hier erneut den Hauptbezugspunkt, doch auch neuere und ältere Referenzen finden sich, vor allem in den Avataren, Figuren und Waffen. Da tritt die Hauptfigur aus „RoboCop“ ebenso an wie Freddy Krüger und Jason Vorhees, während man die Ninja Turtles sowie mehrere Spielfiguren aus „Streetfighter II“ erspähen kann und in der Endschlacht kurz Spawn auftaucht. Der Held fährt den DeLorean aus „Zurück in die Zukunft“, seine kühne Mitspielerin Art3mis das Motorrad aus „Akira“ und ein anderer Avatar das Batmobil aus der alten Serie mit Adam West. Im Hintergrund tönt Mucke wie „Jump“ von Van Halen oder „We’re not gonna take it“ von Twisted Sister, während Chucky als Waffe eingesetzt wird oder die Roboter aus „The Iron Giant“ und „ Gundam“ sich mit Mechagodzilla bekriegen. Insofern ist “Ready Player One” ein perfekter Film zum Sichten und Wiedersichten im Heimkino, damit man durch Pausieren auch jedes Detail und jede Referenz mitbekommt.
Auf der anderen Seite ist “Ready Player One” allerdings auch Spektakelkino der überwältigenden Sorte, das von der Großleinwand immens profitiert. Gerade die groß angelegten Gefechte sind eine Augenweide, die zudem als filmische Wimmelbildchen funktionieren, in denen es Unmengen an Verweisen und Details zu sehen gibt. Dabei setzt Spielberg auf einen ähnlich comic- bzw. videospielhaften Stil wie in „Die Abenteuer von Tim Struppi“, sodass eventuell unrealistische Fahr- oder Bewegungsphysik nicht als unecht ins Auge fällt – die OASIS ist eine Simulation jenseits unserer physikalischen Gesetze, das macht der Film von Minute eins an klar. Und trotz all der kleinen Details am Rande ist “Ready Player One” in seinen Actionszenen immer noch zentriert, fokussiert und übersichtlich genug, dass man das Wesentliche erkennt – die Handlungen der Protagonisten, die sich mit alledem bekriegen, was das popkulturelle Gedächtnis hergibt.
Dass die Prüfungen actionreicher und teilweise anders ausgefallen sind als im Buch, liegt am Unterschied der beiden Medien, der auch Cline als (Co-)Autor beider Werke bewusst gewesen sein dürfte. Wo lange Trivia-Ketten über oskure Underground-Games der 1980er als geschriebenes Rätsel funktionieren, da muss der Film visueller arbeiten. Außerdem verdichtet “Ready Player One” die Handlung des sich über Monate oder Jahre hinziehenden Romans auf einige Tage oder Wochen, bleibt dem Geist des Ganzen allerdings treu. Einige hollywoodtypische Glättungen sind allerdings auch in Kauf zu nehmen: Die Protagonisten sind nicht nur etwas älter, sondern auch etwas hübscher als die moppeligen Teenager des Romans und zumindest einen erschreckenden Gewaltakt des Romans lässt die Verfilmung unter den Tisch fallen.
Was nicht bedeutet, dass der Film “Ready Player One” harmlos wäre. Themen wie die Ausbeutung durch IOI (bis in die Quasi-Sklaverei der Schuldner) kommen ebenso zur Sprache wie das harte Leben in den Stacks, während die Suche nach dem zweiten Schlüssel sogar deftiger als in der Vorlage ausfällt. Spielberg zollt hier nämlich seinem verstorbenen Freund Stanley Kubrick Respekt und lässt die Spieler in ein „Shining“-Game eintreten, inklusive Blutwellen aus dem Aufzug, axtschwingenden Psychos und einer wahrhaft unheimlichen Begegnung im Zimmer 237. Und obwohl Spielberg die Bezüge aufs eigene Werk eindampft, so sind sie immer noch da, auch im Bezug auf von ihm produzierte Werke: „Zurück in die Zukunft“ von Spielberg-Kumpel Robert Zemeckis ist ein Leitmotiv, nicht zuletzt durch das Artefakt des Zemeckis-Würfels, den Parzival in einer Szene einsetzt. Es ist zudem schön, dass Spielberg nicht jede Referenz erklärt, auch wenn er und seine Autoren es sich manchmal nicht verkneifen können: Vor einem Discobesuch stattet Wade seinen Avatar mit dem Outfit des Titelhelden von „Buckaroo Banzai“ aus, was im Dialog mit seinem besten Kumpel Aech erörtert werden muss.
Wade, Aech, Wades Schwarm Art3mis sowie die Sidekick-artigen Easter-Egg-Jäger Daito und Sho bilden die High Five genannten besten Privatspieler, die damit das eher konventionelle Personal des Films ausmachen, der einen ebenso konventionellen Plotmotor unter der visuell beeindruckenden Haube hat. Die tapferen Individualisten trotzen dem bösen Konzern, dessen stets gleich aussehende Handlanger-Avatare im wahrsten Sinne des Wortes gesichtlos sind. Lediglich Sorrento und der gewissenlose Söldner-Gamer I-R0k, dessen Avatar irgendwo zwischen Schwarzmagier, Skeletor und Lovecraft-Dämon liegt, sind herausstechende Antagonisten, das aber mit Charisma. Gerade Sorrento gehört zu den Stärken des Films: Wahlweise Machiavelli-Manipulator oder überheblicher Oberschurke, der vor nichts zurückschreckt, seine Real-Life-Handlangerin F’Nale Zander (Hannah John-Kamen) zur Erledigung der Drecksarbeit losschickt und sich vom Mitarbeiterstab John-Hughes-Trivia ins Ohr säuseln lässt, damit er vor Parzival als Popkultur-Connaisseur dastehen kann. Die Drehbuchseiten rascheln etwas, wenn das Script ihm eine plotrelevante Computernutzerschwäche an die Backe schreibt, aber sonst funktioniert der Schurke hervorragend.
Ben Mendelsohn („Rogue One“) spielt ihn dann auch als herrlich hassenswerten Raubtierkapitalisten, während Hannah John-Kamen („Tomb Raider“) als seine Vollstreckerin eher eine Randerscheinung bleibt. Was viele Akteure für den Film auf sich nahmen: Sie müssen teilweise oder sogar gänzlich ihre Avatare via Motion-Capturing spielen, weshalb man beispielsweise Komiker T.J. Miller („Deadpool“) als I-R0k nur zu hören, aber nie in Real-Life-Form zu sehen bekommt. Tye Sheridan („Joe – Die Rache ist sein“) meistert die Rolle als Wade Watts/Parzival ziemlich gut, ebenso seine Gamer-Kollegen, während die darstellerischen Highlights neben Mendelsohn allerdings zwei weitere erwachsen Schauspieler sind: Spielberg-Regular Mark Rylance („The Gunman“) gibt den exzentrischen Erfinder als sympathisch-verschrobenes Genie, während Nerd-Held Simon Pegg („Star Rek: Beyond“) in seinen leider nur wenigen Szenen als Halliday-Weggefährte Ogden Morrow für große Freude sorgt.
Mit diesem tollen Ensemble, seinen famosen Actionszenen und seinen atemberaubenden virtuellen Welten ist “Ready Player One” ein starker Blockbuster, der davon profitiert, dass Spielberg zu den Regisseuren gehört, die effektlastiges Big-Budget-Kino mit eigener Handschrift drehen. Leider kann das Script da nicht immer mithalten, denn gerade im letzten Drittel geht “Ready Player One” ein wenig die Puste aus: Vor dem Grande Finale hängt der Film, außerdem kommt er im Showdown nicht so recht auf den Punkt. Da geraten verschiedene Protagonisten an verschiedenen Orten sowohl in der realen als auch der virtuellen Welt in Gefahr, was die Spannung steigern soll, doch das Ganze etwas zu unfokussiert wirken lässt, zumal es so scheint als könne “Ready Player One” nicht zum Ende kommen.
So ist es schade, dass sich “Ready Player One” nach hinten raus etwas zieht. Ansonsten ist der Film nämlich knallbuntes, temporeiches und visuell beeindruckendes Popcorn-Kino, das den unschuldigen Spielberg-Spirit für eine neue Nerdkultur aufbereitet. Keine Eins-zu-eins-Umsetzung des Romans, sondern eine ansprechende filmische Adaption unter der Aufsicht des Original-Autors, bei der man zwar ein paar Glättungen schlucken muss, die aber trotzdem geglückt ist.
Starke:
Kritik von Vince:
Film. Musik. Computerspiel. Die heilige Trinität audiovisueller Medien, vereint im übergeordneten Medium des Films, bläst zur nostalgischen Vollattacke. Wenn man „Ready Player One“ eines zugestehen muss: Er macht etwas, das es in dieser Form bisher nie gegeben hat, nie geben konnte. Etwas, das alleine für das jetzige Zeitalter völlig charakteristisch ist und in keiner früheren Epoche jemals lebensfähig gewesen wäre. Nicht nur, dass die Geschichte der Videospiele fast ein halbes Jahrhundert benötigt hat, um von heutigen Generationen von Machern, Entscheidern und Spielbestimmenden überhaupt als Kunst anerkannt zu werden; vor allem brauchte es das Internet in seinem heutigen Zustand, als Kosmos, den jedes Individuum mit Hilfe der Neuen Medien ansteuern kann, um dort möglichst unmittelbar die Hobbies zu mit anderen zu kommunizieren und zu teilen, die Leidenschaften, letztlich die eigene Identität.
Ein ganzer Film gespickt mit Popkultur-Referenzen aus genannten drei Bereichen, die selbst für Experten beim ersten Mal kaum alle zu entdecken sind, muss daher einem zutiefst demokratischen Kern unterliegen. Was zur Popkultur gehört, hat schließlich weder etwas mit Qualität zu tun noch mit den persönlichen Vorlieben eines Einzelnen; es geht um die Relevanz eines Werkes, mal mehr, mal weniger kalkulierbar durch Zuschauer- bzw. Käuferzahlen, Rezensionen (gedruckt, online oder über orale Weitergabe), Querverweise und Anspielungen, Adaptionen, Zitate und Schlüsselbegriffe. Die Auswahl der Referenzen in „Ready Player One“ folgt deswegen aber nicht zwingend der Logik „je größer der Name, desto wahrscheinlicher der Auftritt“. Sie macht vielmehr den Anschein, ein Produkt empirischer Erhebungen zu sein; vielleicht ist man mit der Briefbox durch die Büros von Warner und Amblin gelaufen und hat Fragebögen der Mitarbeiter eingesammelt, vielleicht wurde sogar eine externe Firma für Datenerhebungen beauftragt; eher unwahrscheinlich scheint es, dass die Unmengen von Anspielungen beim Brainstorming allesamt an Steven Spielbergs Schreibtisch definiert wurden.
Die schiere Masse an kulturellem Knetteig, der sich durch die OASIS wälzt und mit jedem neuen User eine neue Referenz aufsammelt, macht sich natürlich schnell des reinen Namedroppings verdächtig. Wo das Publikum bereits bei gewöhnlichen Ensemble-Filmen darüber meckert, dass Charakter X oder Y nicht angemessen zur Geltung kommt, was soll da schon mit einer gefühlten Milliarde an Avataren geschehen? Batman ist eine Silhouette an einem Berghang, das „Minecraft“-Logo schwenkt mit der zehnfachen Geschwindigkeit einer jeden Zeile eines „Star Wars“-Eröffnungstextes vertikal durchs Bild: Schon die initiale Vorstellung der virtuellen Welt macht kurzen Prozess mit vergleichsweise großen Marken. Auch später wird gerafft und kategorisiert, so weit es geht: Das große Rennen beispielsweise, funktional kaum mehr als ein geistiger Nachfolger des Pod Race aus „Star Wars Episode I“, ist ein Mash-Up der berühmtesten Filmfahrzeuge. „Zurück in die Zukunft“, „Akira“, „Tron“, „A-Team“, „Speed Racer“, vereint auf einer futuristischen Rennstrecke wie aus einem Nintendo-Spiel. King Kong und der T-Rex aus „Jurassic Park“ gemäß der Spielmechanik alter Computerspiele instrumentalisiert wie Hürden auf einem Parcours. Einmal geblinzelt, schon hat man was verpasst. Dazu springt der Score von einer Reprise zur nächsten: Kaum erscheint der DeLorean im Bild, stimmt Alan Silvestri sein altes Thema aus dem Jahr 1985 an, bevor er schnell zum nächsten hüpft. Gleichzeitig muss er aber dafür sorgen, dass er etwas erschafft, das über die Summe der Einzelteile hinausgeht – mit dem Resultat, dass selbst die ruhigen Momente von dieser gewissen Unruhe belegt sind, erzeugt von der Ahnung, dass bald wieder etwas passieren könnte, das den Score zur Reaktion zwingt. Und sei es nur ein „Rush“-Poster an der Wand.
Die vermeintliche Demokratie in „Ready Player One“ ist natürlich in letzter Instanz ein Trugschluss. Schon das Buch mit seiner massiven Affinität für die 80er Jahre, geschrieben von einem 1972 geborenen Autoren, konnte seine Verweise nicht wertfrei durch den Filter jagen. Auch Spielberg verlagert die Anteile ungleich und das nicht zu Unrecht, gelingt es ihm damit doch erst, überhaupt den in der OASIS herrschenden Noise aus Daten zu strukturieren. Es mag etwas befremdlich wirken, dass ausgerechnet „Der Gigant aus dem All“ eine verhältnismäßig große Rolle einnimmt, doch Filme wie diese benötigen eben mindestens einen großen Blickfänger im Wimmelbild, damit man nicht völlig die Orientierung verliert. Abgesehen davon, dass der Gigant auch noch als Gefäß für weitere Anspielungen genutzt wird (etwa beim berühmten Terminator-Daumen), sorgt er wie der fliegende Drache aus „Die unendliche Geschichte“ für konstanten Halt in einer sich nach Belieben wandelnden Fantasiewelt. Wenn man Spielbergs Regie wieder besonders gut erkennt, dann gerade in diesem Punkt: Obwohl furiose Kamerafahrten und die Vollbelegung mit digitalen Effekten progressives Filmemachen verkörpern, streut der Regisseur mit augenscheinlicher Selbstverständlichkeit allerhand Elemente ein, die zu einer einfachen Struktur der Geschichte beitragen: Begonnen beim Drehbuch, das seinen Hauptakt sauber in drei Teile (= drei Schlüssel) gliedert, über die fließend inszenierten Actionszenen bis zum, hier schlägt die Stärke in eine alte Schwäche um, klassischen Spielberg-Ende, das der OASIS eine glückliche Zukunft verspricht.
Was Spielberg aber insbesondere mit der „Shining“-Sequenz anstellt, relativiert manch glatten Moment wieder. Mag sich ein Avatar im entscheidenden Moment auch vor die wichtigsten Körperteile der nackten Dame in Raum 237 drängen und mag die Blutwelle im Kontext des Films auch wie Himbeersirup wirken, dass Spielberg die Episode um Kubricks Adaption des Stephen-King-Romans überhaupt in diesem Detailgrad bebildert, ist nicht zu erwarten gewesen. Gerade weil sie nicht in den familiengerechten Grundton des Films passt, gehört diese Sequenz zu den besten Momenten. Wenn man Kritik an der Handhabung der für den Film so wichtigen Easter Eggs üben will, dann muss man monieren, dass die wahrhaft überraschenden, komplex aufgebauten Exkurse wie jener zu „The Shining“ im Grunde eben noch viel zu selten ausgespielt werden und man manchen Avatar-Massenauflauf gerne gestrichen hätte, wenn dafür noch mehr Film-im-Kino-im-Film-Ausflüge dieser Art drin gewesen wären.
Und doch ist „Ready Player One“ gerade auf dieser Mikroebene entdeckenswert, denn oberhalb dessen enttäuscht er in vielen Belangen. So zeigt sich speziell das Figurendesign nicht von seiner allerbesten Seite. Chucky, Freddy, Spawn & Co. müssen zwar nicht authentisch den Originalen entsprechen, erst recht nicht in den Sekundenauftritten, die sie absolvieren. Schließlich handelt es sich nur um digitale Projektionen der Figuren und nicht um die Figuren selbst. Dieser inhaltliche Kniff schützt aber nicht vor berechtigter Kritik an der Umsetzung: Eine Virtual-Reality-Kuppel aus dem Jahre 2045 sollte sich schon ein wenig von dem (ohnehin nicht allzu ästhetischen) Standard abheben, den James Cameron im Jahr 2009 mit „Avatar“ definierte und der auch fast ein Jahrzehnt später für Spielberg noch zu gelten scheint. Gerade die Hauptfiguren Parzival und Art3mis ähneln den blauen Aliens in ihrer Anmutung sehr, so dass zu hoffen ist, dass die Realität im Jahr 2045 eine andere Engine zur Verfügung hat… auf der Seite der Realität hingegen liefern Tye Sheridan und Olivia Cooke solide Leistungen als Sympathieträger ab, während Ben Mendelsohn als ihr Gegenspieler arg in die Schublade „Böser Anzugträger“ gedrängt wird, die er allerdings mit diebischer Freude am Klischee ausfüllt. Eine besondere Erwähnung hat alles verdient, was sich um Mark Rylance dreht. In der ihm eigenen Art geistesabwesenden Schauspiels liefert er eine treffende Parodie auf moderne Gründer wie Steve Jobs oder Mark Zuckerberg und die fast wie Computerspiel-Protokolle eingestreuten Einblicke in die Firmen-Interna verleihen der Erzählung eine zusätzliche Schicht, die den OASIS-Zuckerguss wenigstens mit einem Hauch kommerzieller Realität versieht.
Und dennoch: Bereits die allererste Szene entlarvt, dass Spielberg mit der Realität außerhalb der OASIS im Grunde nicht viel anzufangen weiß. Seine Vision einer Stapelhütten-, Schrottplatz- und Steampunk-Zukunft unterscheidet sich nicht sonderlich von den Versuchen anderer Regisseure der letzten zehn bis zwanzig Jahre, eine solche darzustellen. Trostlos schweift er von Haus zu Haus, um relativ uninspiriert Änderungen im Alltag abzubilden (ihr Pizzaboten, sucht euch schon mal einen neuen Job, oder besorgt euch einen Baseballschläger und holt jede Drohne vom Himmel, die über euren Roller schwirrt), getaucht in das bräsige Graublau, das schon in „Minority Report“ zur Anwendung kam. Die Probleme der realen Welt werden vielleicht auch deswegen nicht deutlich, weil sich Spielberg im Grunde ebenso sehr nach der Zweitrealität sehnt wie seine Hauptfigur. Als Eskapist, der er immer war (dabei hat er u.a. mit „Schindlers Liste“, „Der Soldat James Ryan“ und „München“ bewiesen, dass er auch anders kann), flüchtet er eben in Phantastische, sobald der Stoff es ihm erlaubt. Der postmoderne Kniff entgeht ihm, weil er die Begeisterung für die Technologie und die Artenvielfalt, die sie hervorbringt, zu sehr teilt. Dem Nerd-Faktor spielt das sogar in die Karten, aber die abschließende Botschaft, man solle das wahre Leben schätzen, wird dadurch lau und fad.
„Ready Player One“ ist trotz anders lautender Moral also vor allem ein Film für Nerds und Technikfreaks, weniger für Kritiker der Digitalisierung. Als bis dato größtes universales Sammelbecken für Popkultur jeder Art wagt Spielberg erneut einen Schritt in die Zukunft. Ihm gelingt ein filmisches Mosaik, das man mit Blick auf die einzelnen Steine als sinnlose Zitaterie ablehnen kann; tatsächlich bildet es die Entwicklungen in interaktiven Medien aber präzise ab. Bemerkenswert, dass dem Regisseur bei diesem verschachtelten Stoff nicht die Übersicht verloren gegangen ist; seine spezielle Meisterschaft hat er nicht verlernt. Zugleich überwiegt jedoch der Eindruck, ein jüngerer Regisseur mit einer anderen Perspektive auf die Thematik hätte einen ausgewogeneren Blick auf die Tücken der Digitalisierung werfen können.
Warner bringt “Ready Player One” am 5. April 2018 mit einer Freigabe ab 12 Jahren in die deutschen Kinos. Bei diesem Film lohnt sich auch die 3D-Version wirklich.
© Nils Bothmann (McClane)
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