Originaltitel: Uneun namja__Herstellungsland: Südkorea__Erscheinungsjahr: 2014__Regie: Lee Jeong-beom__Darsteller: Jang Dong-gun, Kim Min-hee, Brian Tee, Kang Han-na, Kim Hee-won, Min Seong-wook, Kim Joon-seong, Byeon Yo-han u.a. |
Es gibt nur noch wenige Länder, die derart regelmäßig kompromisslose und derbe Actioner raushauen wie Südkorea. Eines der unbestrittenen Highlights war zuletzt „The Man from Nowhere“ (2010) von Regisseur Lee Jeong-Beom. Ein fantastischer Mix aus Schwermut und brachialer Mano-a-Mano-Action, die wie ein Orkan über den Zuschauer hereinbrach. Diese Mixtur bemüht der Regisseur auch für seinen Film „No Tears for the Dead“. Erneut mit großem Erfolg…
Gon ist ein in den USA von einem Mafia-Syndikat großgezogener Killer, der ursprünglich aus Korea stammt, aber von seiner Mutter auf dramatischste Art und Weise „sitzengelassen“ wurde. Als wir ihm das erste Mal begegnen, ist er mal wieder im Auftrag des Syndikats unterwegs. Mit kontrollierten Schritten nähert er sich den Räumlichkeiten, in denen seine Ziele auf ihn warten. Einem Wachmann steckt er mit einer schnellen Bewegung seine Waffe in den Mund, schiebt ihn wie einen Schutzschild vor sich her und durchschreitet so die Tür zu den Zielen.
Diese ziehen schnell, doch Gon ist schneller. Seine Kugeln lassen den Hinterkopf des Wachmannes zerplatzen und suchen sich nach ihrem Austreten neue Körper, in die sie einschlagen können. Gon verteilt seine Kugeln blitzschnell. Blut spritzt, Finger werden abgeschossen, Hirn klatscht gegen die Wände. Als er checkt, ob die im Raum verstreuten Körper wirklich tot sind, bemerkt er aus dem Augenwinkel einen huschenden Schatten hinter einer Tür. Sein Instinkt lässt ihn sofort auf die Tür feuern…
Als Gon die Tür öffnet, schaut er einem kleinen Mädchen in die Augen. Es hält sich eine Wunde über dem Herzen. Das Blut fließt schnell. Die kleine Yumi bricht wortlos zusammen. Gon, selbst angeschossen, wird diesen Anblick nicht mehr los. Doch es kommt noch schlimmer: Gon soll im Auftrag des Syndikats auch noch die Mutter der Kleinen umbringen. Diese lebt in Südkorea und war mit einem der Männer verheiratet, die Gon soeben hat über die Klinge springen lassen. Gons Bosse glauben, dass sie von den Geschäften weiß, in die ihr Mann, Yumis Vater, in L.A. verwickelt war und das würde der Organisation nicht gut bekommen…
Schaut in “No Tears for the Dead” hinein
httpv://www.youtube.com/watch?v=ulv5ICaMo6Y
In den ersten 60 Minuten zelebriert Lee Jeong-Beom das, was die Südkoreaner am besten können: Die pure Melancholie. Ein wortkarger Killer, der weiß, dass ihn sein letzter Job die Seele gekostet hat. Eine auf Erfolg gebürstete Mutter, die ihre Tochter für ihren beruflichen Erfolg hintenan stellte und nun an ihrer Trauer zu zerbrechen droht. Das führt zu durchaus besonderen Szenen. Etwa jene, in der Gon allmählich in das Leben der Mutter eintaucht. Und dabei immer mehr das Bewusstsein aufbaut, dass er sie nicht töten darf.
Das kulminiert in einer Szene, in der Gon in die Wohnung der Mutter eingedrungen ist, um sie zu töten, nur um hier miterleben zu müssen, wie sie erstmals über den Verlust ihrer Tochter zusammenbricht und in einer herzzerreißenden Szene einen Monitor liebkost, auf dem ein Video von ihrer Tochter läuft. Gon zieht sich irgendwann von der Szenerie zurück. Doch er verlässt die Mutter nicht. Er versteckt sich im Kinderzimmer Yumis und schaut über einen Minibeamer weitere Videos von der Kleinen. Am nächsten Morgen wird er dann das Leben der Mutter retten…
Und sich damit die ganze Wut seiner Bosse aufladen. Die haben den Ton längst deutlich verschärft. Denn Yumis Mutter kommt ihnen unbewusst immer näher. Die ständig um die Frau herum tänzelnde Polizei macht die Gangster nur noch nervöser. Sie heuern Söldner an, die dem Leben der Frau ein Ende setzen sollen und die zudem eine gemeinsame Vergangenheit mit Gon haben.
Das steuert nach etwa 60 Minuten Schwermut mit zunehmender Spannungskurve und spürbar zunehmendem Tempo in die zweite große Actionszene, in der Lee Jeong-Beom richtig einen raushaut. In einer Wohnung in Seoul lässt er es gewaltig scheppern, wenn fiese Messerattacken das Blut auf die Kamera regnen lassen und ein Sniper den Zimmerflur mit Blut flutet. Mittendrin Gon, der diverse Kugeln fängt, nur um nebenbei Körper zu zermantschen, Granaten zu zünden und Leben zu beenden. Die Action atmet hier eine Intensität, die richtig wehtut. Zumal sie in die Schwere der flirrenden Emotionen bricht wie eine Abrissbirne.
Alles ist nun auf den Showdown ausgerichtet. Der folgt dann auch keine fünf Minuten später und präsentiert sich als lang ausgedehnte Kakofonie der Gewalt, in der Gon zwar „nur“ gegen fünf Gegner antreten muss, welche es ihm aber alles andere als leicht machen. Nebenbei wird ein Stockwerk eines Bürokomplexes fachmännisch zerlegt. Es hagelt satten Glasbruch. Der Lebenssaft fließt in Strömen und sämtliche Charaktere spielen auf ungesunde Art und Weise Kugelfang. Nebenbei wird das emotionale Drama auf südkoreanische Weise aufgelöst: Gänsehaut pur, dargereicht in blutrot.
Das alles wird im typisch südkoreanischen Actionfilmstil präsentiert: Überall kann man sich spiegeln. Hochglanzpolierte Karren werden zu Klump geschossen. Satte, pralle Farben beherrschen die Szenerien. Hochglanz, wohin man schaut. Dazu überwiegend in Anzüge oder in Schwarz gekleidete Männer mit zurückgegelten Haaren. So stilvoll wie in Südkorea wird sonst nirgends gestorben. Die Bilder sind ohne große Schnittorgien dynamisch bis zum Gehtnichtmehr und übertragen die Wucht der Emotionen und der Action ins heimische Wohnzimmer. Einzig der Soundtrack ist hier und da ein wenig zu experimentell in seiner improvisierten Anmutung.
Eine weitere sichere Bank ist der Hauptdarsteller Dong-gun Jang. Dessen Gon wird zwar als typischer Antiheld mit dem Herzen am rechten Fleck aufgebaut, bleibt aber immer ein wenig störrisch und widerborstig. Will niemals der formvollendete Identifikationscharakter sein und wird es aufgrund des charismatischen Auftretens Jangs dennoch. Ebenso störrisch ist der Charakter der Mutter, welcher von der betörend schönen Min-hee Kim („Die Taschendiebin“) überzeugend mit Leben erfüllt wird. Viele ihrer Entscheidungen machen sie mega unsympathisch. Und trotzdem verliert man nie die Bindung zu ihrer Figur. Die sich zudem toll wandeln darf. Irgendwann von apathisch und lebensmüde auf kampfbereit umschaltet und in den Angriff übergeht.
Die Figuren um diese beiden Story-Zentren sind eher von egaler Natur. Im Grunde ist nur wichtig, dass die Bösewichter schön fies rüberkommen. Und das klappt prima. Vor allem die von Brian Tees („Wolverine: Weg des Kriegers“) Chaos angeführten Söldner hauen richtig rein. Vor allem, was ihr sowohl taktisch glaubwürdiges Vorgehen als auch ihre brachiale Kompromisslosigkeit angeht, bei der man sich schonmal gegen Auftraggeber wendet und diese in ihre Schranken verweist.
“No Tears for the Dead” ist mit Wucht eskalierendes Actionkino
Was am Ende bleibt, ist ein Streifen, der nach einem langsamen, fast schon behutsamen Aufbau mit Wucht eskaliert. Die Folge ist ein an „Stirb Langsam“ erinnerndes Grundszenario, in dem die Gangster in einem abgeriegelten Hochhaus und unter massivem Einsatz von Kugeln und zerberstendem Glas den Helden von sich fernhalten wollen. In einer Stilorgie sondergleichen wird hier zur Ader gelassen und fast schon betörend schön verreckt und Blut gespuckt. Doch nicht nur stilistisch lässt es Lee Jeong-Beom richtig krachen, auch emotional und storytechnisch hat sein geradlinig abgespulter „No Tears for the Dead“ einiges auf dem Kasten. Das wird für so manchen Action-Afficionado ein wenig zu viel Sentiment auffahren und vor allem in der ersten Filmhälfte wird manchem viel zu wenig passieren, doch dem Sog, den die Story um Gon entwickelt, kann sich spätestens ab dem Massaker im Vorfeld des langen Showdowns niemand mehr entziehen.
Über eine deutsche Veröffentlichung ist mir bis dato nichts bekannt. In den USA erschien „No Tears for the Dead“ auf DVD von dem Label CJ Entertainment (Regionalcode 1), wird hier wahlweise in koreanisch mit englischen Untertiteln oder komplett in Englisch synchronisiert dargereicht und kommt „Not Rated“.
In diesem Sinne:
freeman
Was meint ihr zu dem Film?
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