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Coffy – Die Raubkatze

Originaltitel: Coffy__Herstellungsland: USA__Erscheinungsjahr: 1973__Regie: Jack Hill__Darsteller: Pam Grier, Booker Bradshaw, Robert DoQui, William Elliott, Allan Arbus, Sid Haig, Barry Cahill, Lee de Broux, Ruben Moreno, Lisa Farringer, Carol Locatell, Linda Haynes u.a.

Coffy – Die Raubkatze Banner

Coffy – Die Raubkatze

Das Poster der 2021er Neuveröffentlichung von “Coffy – Die Raubkatze”

Pam Grier hatte bereits vorher Rollen in ein paar Blaxploitation-Filmen wie „Hit Man“ gehabt, doch zur Ikone des Genres wurde sie schließlich 1973, mit „Coffy – Die Raubkatze“ unter der Regie von Jack Hill, mit dem sie kurz darauf den artverwandten „Foxy Brown“ drehte.

„Coffy – Die Raubkatze“ ist raubeinige Seventies-Kost mit Sleaze-Anteil, bei welcher der Auftakt den Zuschauer direkt stimmungstechnisch einnordet. Ein dealender Junkie lockt seinen Pusher mit der Aussicht auf ein Abenteuer mit einer willigen Süchtigen, die in seinem Wagen liegt. Doch im Liebesnest angekommen, erweist sich Coffy (Pam Grier) als weder willig noch süchtig – höchstens als rachsüchtig, denn sie pustet dem Pusher den Schädel via abgesägter Schrotflinte weg und zwingt den Kleindealer zu einer Überdosis. Die Begründung liefert sie gleich mit: Drogen haben das Leben ihrer kleinen, minderjährigen Schwester zerstört, die nach einer Überdosis nun in einem Pflegeheim auf gesundheitliche Besserung hofft, womit „Coffy – Die Raubkatze“ in den Selbstjustizfilm der 1970er passt, der mit Werken wie „Ein Mann sieht rot“, „Walking Tall“ und „Billy Jack“ aber größtenteils in männlicher Hand war.

Eigentlich ist Coffy ja eine Heilerin, eine Krankenschwester, was auch der Grund für Gewissensbisse nach der Tat ist (eine ähnliche Situation beschwor jüngst auch das Remake „Death Wish“ herauf). Außerdem hat sie es gut getroffen: Sie wird im Job geschätzt, ihr Politiker-Lover Howard Brunswick (Booker Bradshaw) ist auf dem aufsteigenden Ast. In dem Polizisten Carter (William Elliot) hat sie einen weiteren Verehrer, der herzensgut ist und der Korruption in seinem Department widersteht. Zum Dank dafür wird er dann von zwei maskierten Schlägern in Coffys Beisein zum Invaliden geprügelt, womit noch der zweite der berühmten Anlässe für Selbstjustiz in den Film kommt, bei gleichzeitiger Demonstration, dass die offiziellen Kanäle im besten Falle wohlmeinend-ineffektiv, im schlimmsten Falle korrupt sind.

Also begibt sich Coffy auf Privatrecherche und stößt auf das Syndikat des Gangsterbosses Arturo Vitroni (Allan Arbus). Um an diesen heranzukommen schleicht sie sich als Prostituierte bei dem Zuhälter King George (Robert DoQui) ein, der mit Vitroni Geschäfte macht…

httpv://www.youtube.com/watch?v=tyj3T7fJcvI

Zum Feministen mag Regisseur und Drehbuchautor Jack Hill nicht geboren sein, denn seine Blaxploitation-Sause hält immer gern auf nackte Hupen drauf und ist sich nie für einen fadenscheinigen Grund zu schade diese zu zeigen. Und doch hat „Coffy – Die Raubkatze“ auch ein subversives Moment, gerade wenn Coffy immer wieder die leicht zu beeindruckende bis schwache Frau spielt, die einem Mann gar nicht gefährlich werden kann – die schwanzgesteuerten bis doofen Machotypen, die ihr bereitwillig glauben, bekommen im besten Falle das Auto gestohlen, im schlimmsten Falle die Rübe weggeballert oder den Hals mit einer angespitzten Haarnadel perforiert, wodurch der Film auch mit Geschlechterrollen und ihren Klischees spielt. Zudem erlaubt sich „Coffy – Die Raubkatze“ bei aller Exploitation auch eine gewisse Ironie: Eine Prügelei zwischen Coffy und den anderen Pferdchen aus King Georges Stall (mit dem obligatorischen Verlust diverser Bekleidungsstücke) ist bewusst absurd angelegt, zudem hauen Henchmen wie Omar (Sid Haig) immer wieder zynische Sprüche raus, etwa wenn Omar dem Chauffeur eines zu Tode geschleiften Rivalen einen Job in Vitronis Syndikat anbietet, da er ja nun eine neue Beschäftigung brauche.

Sid Haig, der mit Grier auch noch „Foxy Brown“, „The Big Bird Cage“, „Frauen in Ketten“ und „Jackie Brown“ drehte, sorgt trotz weniger Screentime für ordentlich Leben in der Bude als Handlanger, der mit trocken-menschenverachtendem Witz zu jeder Schandtat bereit ist. Pam Grier („The Man with the Iron Fists“) spielt als toughe Rächerin ebenfalls stark auf, ähnlich wie Robert DoQui („RoboCop“) als selbstherrlicher Pimp im grellen Outfit. Dagegen ist Allan Arbus („Damien – Omen II“) als klischeehafter Mafia-Fuzzi doch eher blass, so wie auch der Rest der Nebendarsteller bestenfalls routiniert daherkommt und manchmal auch reichlich chargiert.

Für Schauwerte ist aber gesorgt, zumindest soweit der Budgetrahmen es zulässt. Immer wieder rechnet Coffy mit fieseligen Subjekten ab, die überfahren, erschossen oder erstochen werden, wobei die patente Krankenschwester mit Rächer-Talenten auch mal Rasierklingen in ihrem Afro versteckt oder die Gegner mit anderen Listen täuscht. Die Actionszenen sind meist eher kurz, aber angenehm ruppig und mit einigem Kunstbluteinsatz gesegnet, was zur sleazig-düsteren Stimmung des Films beiträgt. In klassischer Blaxploitation-Manier sind natürlich auch Musikeinlagen, Impressionen des Straßenlebens und das Liebesleben in der Black Community wichtiger Bestandteil des Films. Dabei zeichnet „Coffy – Die Raubkatze“ seine Hauptfigur als sexuell selbstbestimmte Frau, die sich an den Politiker gebunden hat, aber ihren Willen durchsetzt und sich den Flirtereien ihres Cop-Kumpels nicht ganz entzieht. Der darf in einer ironischen Szene einen aufdringlichen weißen Creep so verscheuchen wie es sonst umgekehrt im Mainstreamfilm oft dargestellt wurde.

Dieses typische Blaxploitation-Potpourri wird in einen relativ handelsüblichen Selbstjustizplot integriert, der wenig Neues bietet und bei dem die Schurken eigentlich von Anfang an feststehen, da sie stadtbekannt, aber gut beschützt sind. So passiert, einen Twist im letzten Drittel mal ausgenommen, genau das, was man erwartet, wenn Coffy die Organisation der Schurken infiltriert und diese dezimiert, aber die meiste Zeit über hat das Style und Tempo. Nur in dem Moment, in dem seine Hauptfigur einmal in Gefangenschaft gerät, da ist „Coffy – Die Raubkatze“ ähnlich undynamisch wie die Protagonistin in dieser Situation und tritt auf der Stelle. Erst wenn diese Situation aufgelöst und der unschöne Hänger beseitigt ist, nimmt Hills Film wieder Fahrt auf und beweist damit: „Coffy“ lebt vor allem von Coffy.

„Coffy – Die Raubkatze“ ist daher ein eher einfacher Film, teilweise auch recht schmierig, nicht frei von Hängern, aber auch mit gelegentlichem subversivem Potential, ruppigen Schauwerten, schickem Blaxploitation-Style und einigem Druck. Nicht die Krone des Blaxploitation-Films, aber schon ein kleiner, fieser Reißer, der mit seiner rauen Kraft und seinem Style so manche Schwäche vergessen macht.

Knappe:

Auf VHS erschien „Coffy – Die Raubkatze“ hierzulande gekürzt und wurde indiziert, 2003 erschien bei MGM/20th Century Fox eine ungekürzte DVD mit SPIO/JK-Freigabe, ehe der Film 2004 vom Index flog. Bei einer Neuprüfung im Jahr 2012 gab die FSK „Coffy – Die Raubkatze“ ungekürzt ab 16 Jahren frei, worauf der Film mit dieser Freigabe als Teil der Reihe Action Cult Uncut erschien. Alle DVD-Auflagen bieten als Bonus lediglich den Originaltrailer zum Hauptfilm. Eine Neuveröffentlichung kommt mit wesentlich mehr Extras. Diese stellt euch Kollege Sascha fortfolgend vor.

© Nils Bothmann (McClane)


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Coffy - Die Raubkatze

Das Artwork der Action-Cult-Uncut-DVD-Edition von “Coffy – Die Raubkatze”

Coffy is the color of your skin / Coffy is the world you live in

Um die Explosion zu illustrieren, mit der sich Anfang der 70er Jahre das Blaxploitation-Kino auf den Leinwänden ausbreitete, eignet sich „Coffy“ im Grunde weit mehr als sein bekannteres, filmhistorisch intensiver diskutiertes Schwesterwerk „Foxy Brown“, das im Direktvergleich regelrecht zahm erscheint; eben so, als sei es für einen noch breiteren Markt domestiziert worden. Das deutsche Titelgefüge „Die Raubkatze“ trifft des Pudels Kern jedenfalls ziemlich mittig, sowohl was die mutmaßlichen Absichten von American International Pictures angeht, als auch was den reißerischen Charakter dieses skizzenhaften Selbstjustiz-Actioners betrifft, der auch heute noch so haptisch-markant herüberkommt wie die Maserung des Schafts der doppelläufigen Schrotflinte, mit der Pam Grier schon früh im Film ein erstes blutiges Ausrufezeichen setzt.

Alles dreht sich spürbar nur darum, Coffy als neue schwarze Heroine in den Köpfen des Publikums zu verankern. Zwischen kaffeebraun und sargschwarz müht sich der Film, seiner Titelfigur sogar eine eigene Nische im Farbspektrum zu reservieren. Wie oft kommt es schon vor, dass selbst der Soundtrack nicht genug von ihrem Namen bekommen kann und ihn über mehrere Stücke hinweg verehrt? Roy Ayers dichtet nicht bloß im jazzig-funkigen Opening Track darüber, wie sich ihre Hautfarbe auch auf die Welt abfärbt, in der sie lebt, nein, im Grunde kann er sich über die volle Laufzeit kaum vom Wohlklang ihres Rufnamens lösen.

Coffy - Die Raubkatze

Diese Party gewinnt in Kürze massiv an Schwung.

Unverhohlen sympathisiert „Coffy“ mit der Idee des Vigilantismus. Der Krankenschwester, die in ihrem Beruf eigentlich Leben rettet, gewährt es das Drehbuch sogar in einer frühen Szene, offen mit einem befreundeten Polizisten die Verachtung für die Dealer- und Fixerszene zu erörtern und keinen Zweifel zu lassen an ihren Absichten. Für eine schwarze Bevölkerung, die bis in die 60er Jahre hinein nicht wie heute latent, sondern noch ganz offen unterdrückt wurde, müssen solche Szenen, obgleich sie aus finanziellem Kalkül weißer Produzenten heraus entstanden, wie ein Befreiungsschlag gewirkt haben.

Jack Hill läge dabei nichts ferner, als dem Gegenschlag der Unterdrückten auch nur in irgendeiner Form die Zügel anzulegen. Wenn Pam Grier einmal loslegt, dann wie eine Furie und ohne jede Furcht vor kratzbürstigen Catfights, am besten im möglichst schicken Ambiente, damit das soziale Gefälle entsprechend kontrastreich auf der Leinwand abgebildet werden kann. In einigen Momenten scheint es dem Film darum zu gehen, zu beweisen, dass in den 70ern keine Frau einen BH trug und man nur mit einem Ruck die Bluse aufreißen müsse, um seine These zu verifizieren. Noch im gleichen Atemzug wird Gangstern und Kriminellen auf schillerndste Weise der Garaus gemacht – nicht einfach mit ordinären Kopfschüssen, sondern mit Formen von Sadismus, die mitunter eine Menge Stunt- und Trickarbeit erforderten. Bei allen Subtexten, die man durch den Job der Hauptfigur oder das Milieu, in dem sie aufräumt, nachträglich in den Film interpretieren konnte, ist „Coffy“ eben in dem Moment, als die Kamera läuft, nichts als ein waschechtes Exploitation-Flick, und zwar nicht gerade eines der zimperlichen Sorte.

Coffy - Die Raubkatze

Dass das Lächeln des Kerls in der Mitte so verkrampft wirkt, hat einen Grund.

Grier entwirft dabei nicht etwa eine Superheldin, sondern lediglich eine ungewöhnlich denkende Frau mit gewöhnlichen Mitteln, die sich in so mancher Situation in die Bredouille bringt und deren Pläne nicht immer wie gewünscht aufgehen. Einen Großteil ihrer Schwächen, aber auch Stärken bezieht sie dabei aus dem Milieu, dem sie entstammt und das letztlich ihr Handeln bestimmt. Die Ambivalenzen beschränken sich aber beileibe nicht ausschließlich auf die Protagonistin, sie breiten sich gemäß des Opening Tracks auf die gesamte Umwelt aus. Vielleicht brauchte es gerade einen unbelasteten Regisseur wie Hill, einen Weißen ohne unmittelbaren Bezug zu Rassenthemen, um diese am Ende derart kompliziert bebildern zu können… und das in einem Rache-Actioner, dessen Antriebe primitiver kaum sein könnten.

Das hat ihn bis heute, so paradox es in Anbetracht der kommerziellen Absichten hinter seiner Realisierung erscheinen muss, zu einem authentischen, weil unverstellten Zeitdokument reifen lassen, das sein Quasi-Remake/Sequel „Foxy Brown“ nur noch in abgeschwächter Form sein konnte. Tarantinos „Jackie Brown“ mag durch die Verwendung von Hauptdarstellerin, Motiven und Teilen des Soundtracks dazu beigetragen haben, „Coffy“ auf die Meta-Ebene des Kultfilmhimmels gehievt zu haben. Die Blaxploitation-Welle brach aber danach kaum je wieder näher mit dem Kamm am Asphalt.


© Sascha Ganser (Vince)

Informationen zur Neuveröffentlichung

Coffy - Die Raubkatze

“Coffy – Die Raubkatze” erscheint als Blu-ray-Neuauflage in der “Black Cinema Collection”.

Die „Black Cinema Collection“ neigt nicht gerade dazu, den Pfad der Filmgeschichte chronologisch zu gehen. So wurden in der ersten Box zum Beispiel die beiden Tibbs-Fortsetzungen „Zehn Stunden Zeit für Virgil Tibbs“ und „Die Organisation“ gebracht, das Original „In der Hitze der Nacht“ soll nun erst in der geplanten zweiten Box als UHD-Premiere kommen. Jack Hills „Foxy Brown“ wiederum kam schon als Nr. 6 in die Kollektion, dessen Blaupause „Coffy“ aber erst jetzt an achter Stelle. Spitzfindige Gesellen würden daraufhin vielleicht erwidern: Das Beste kommt zum Schluss.

Die Rechtekette dürfte identisch zum Release von „Foxy Brown“ gewesen sein, denn beide Filme erschienen zuvor erst über MGM auf DVD und schließlich über Studio Hamburg auf Blu-ray. Auf dem Backcover findet man entsprechend auch wieder deren Logos vor. Bei der Technik soll man sich hingegen an dem Release der britischen Kollegen von Arrow orientiert haben. Allerdings gibt es dann doch zumindest eine Besonderheit, die extra für diese Edition aus dem Hut gezaubert wurde.

Das Bild

Beim Bild soll es angeblich keine sichtbaren Unterschiede zur Arrow-Disc geben. Mangels Vergleichsobjekt kann das an dieser Stelle nicht beurteilt werden, wohl aber kann man sagen, dass „Coffy“ noch einmal eine Spur besser aussieht als „Foxy Brown“. Die Schärfe ist auf einem beachtlichen Niveau, von Unreinheiten auf der Haut bis hin zu den Mikrofasern in Stoffen werden alle möglichen Details sichtbar. Trotz der überwiegend am Tage spielenden Szenen sind viele der Hintergründe recht dunkel, aber die Vordergründe heben sich dennoch immer plastisch davon ab. Die Farben wirken kräftig und klar definiert. Und: Die Körnung ist extrafein aufgelöst, so dass nichts dem Gefühl im Weg steht, im schmierigen Kino von nebenan gerade den neuesten AIP-Reißer zu sehen.

Der Ton

Selbstredend, dass der englische Originalton zum Standardprogramm der Edition gehört. Während er auf der Arrow-Disc in Linear-PCM-Mono vorliegt, läuft die Monospur hier nun über zwei Kanäle und kommt wie gewohnt im Format DTS-HD Master Audio. Eine besondere Erwähnung wert ist, und da sind wir bei der erwähnten Besonderheit angelangt, ist der deutsche Ton, denn die Synchronisation war bisher unglückliches Stückwerk. Ursprung des Ganzen ist die gekürzte deutsche Kinofassung, die sich dann auch später auf einige der Heimkinomedien vererbt hat. Die DVDs waren zwar bereits ungeschnitten, hatten aber mit einer etwas ungelenken Alternativsynchronisation an zwei Stellen zu kämpfen. Unter Leitung von Dr. Gerd Naumann wurde deswegen im Jahr 2021 für diese Passagen eine neue Synchronisation erstellt, unter anderem mit Judith Brandt auf Pam Grier. Brandt ist die Tochter von Ursula Heyer, die Grier in der Originalsynchronisation sprach, und es ist tatsächlich kaum möglich, den Unterschied zwischen Mutter und Tochter herauszuhören. Deutlicher hört man es da schon bei Bernd Vollbrecht (auf Booker Bradshaw), der leider nun mal entscheidend anders klingt als Hans-Werner Bussinger im Original. Schön übrigens, dass der Käufer die Wahl hat, ob er die betroffenen Abschnitte der Homogenität wegen komplett in der Neusynchronisation hören will oder nur die notwendigsten Stellen, für die keine alte Synchronisation existierte, denn beide Optionen sind als eigene Tonspuren vertreten. Technisch machen sowohl Englisch als auch Deutsch eine ordentliche Figur. Die englische Spur klingt vielleicht ein wenig nüchterner und präziser, die deutsche ist aber doch sehr nah am O-Ton.

Die Audiokommentare

Special Features zu „Coffy“ waren bisher ein frommer Wunsch, der erst mit dieser Edition reichhaltig und vielseitig erfüllt wird. Beginnend mit gleich zwei Audiokommentaren. Es sind dieselben Vertreter, die bereits „Foxy Brown“ mit ihren Anmerkungen veredelt haben: Auf dem einen Kommentar hören wir wieder Regisseur Jack Hill, der viel aus dem Nähkästchen plaudert und seine Zuhörer häppchenweise mit Hintergrundinformationen versorgt. Ein durchgehender Redefluss kommt damit zwar nicht zustande, aber auf diese Weise gelingt es ihm, sehr viel Trivia zur Produktion einzustreuen und sich dabei immer noch oft auf die gerade gezeigte Szene zu beziehen. Letzteres ist nicht gerade eine Spezialität von Dr. Gerd Naumann und Christopher Klaese, die sich im neuen deutschen Audiokommentar von den definierenden Eigenschaften der Blaxploitation weit wegtreiben lassen und „Coffy“ als eines seiner Kernwerke festmachen. Das taten sie bereits auf ihrem Kommentar zu „Foxy Brown“, doch diesmal eben von der anderen Seite der Medaille aus.

Das Bonusmaterial

Wenn man dann ins Abteil für das Bonusmaterial wechselt, entwickelt sich nach nunmehr acht Filmen aus der „Black Cinema Collection“-Reihe sogar Vorfreude, denn man weiß, es gibt ein Wiedersehen mit PD Dr. Andreas Rauscher (15 Min.). Jeden einzelnen Titel in der Box hat er mit seinen Beiträgen ungemein bereichert und auch bei „Coffy“ weiß er wieder viele brillante Parallelen zu ziehen, sowohl vom Film zu gesellschaftlicher Situation als auch vom Film zu anderen Filmen in meist ganz anderen Kontexten – um so erstaunlicher, wenn die Bezüge dennoch glasklar dargestellt werden. Rauscher bewegt sich analytisch nicht nur auf einem sehr hohen Niveau, er weiß seine Thesen zugleich sehr bildhaft zu vermitteln, vermutlich auch, weil er stets eine Art nerdige Begeisterung durchscheinen lässt, die ihn mit dem Zuhörer verbindet. Jack Hill, Pam Grier und am Rande Sid Haig werden gesondert hervorgehoben, ansonsten steht vor allem die filmische Struktur im Mittelpunkt seiner Ausführungen und was sie für die kulturelle Einbettung bedeutet.

Coffy - Die Raubkatze

Das Bonusmaterial der Wicked-Vision-Veröffentlichung ist wieder sehr großzügig ausgefallen.

The Baddest Chick in Town!“ (17 Min.) ist ein Interview mit Pam Grier, das 2015 ursprünglich für Arrow produziert wurde. Darin reflektiert die Darstellerin ihre Karriere, auf die sie alles in allem sehr zufrieden zurückblickt; nicht zuletzt, weil sie in ihrem Verlauf nicht nur künstlerische, sondern vor allem auch politische Ziele erreicht zu haben glaubt, indem sie etwa dazu beitragen konnte, das Selbstbewusstsein schwarzer Frauen gestärkt zu haben. Nebenbei wird deutlich, dass sie einen sehr viel größeren Einfluss auf die Charakterzeichnung von Coffy ausgeübt hat, als man im Vorfeld erahnt hätte, stammen doch viele Einfälle nicht aus dem Drehbuch, sondern direkt von ihr.

Das bestätigt auch Jack Hill, der in „Coffy for Coll“ (15 Min.) nicht nur verrät, dass Pam Grier viele Ideen ans Set gebracht hat, sondern dass sie ihm auch dabei behilflich war, sich in die afroamerikanische Kultur einzudenken, zu welcher er zuvor lediglich über die Musik einen Draht hatte. Diese Gedanken führen ihn zu allgemeinen Erörterungen über die Produktionsbedingungen und seine Position als Regisseur, die er letztlich sehr funktional beschreibt – ein Regisseur müsse eben tun, was innerhalb des Genres verlangt werde. Dies führt den Zuschauer einerseits zu der Schlussfolgerung, dass er womöglich nicht hinter jeder künstlerischen Entscheidung persönlich gestanden hat, andererseits wird auch deutlich, dass er sich viele Gedanken über Details machte – etwa in der Anekdote, als Quentin Tarantino ihn bei einem Treffen auf eine ganz bestimmte Dialogzeile ansprach, und zwar eine, die ihm besonders wichtig war und von der er nicht gedacht hätte, dass jemand anders ihre Bedeutung erkennen würde. Das Interview scheint übrigens zur gleichen Gelegenheit aufgenommen worden zu sein wie dasjenige auf der „Foxy Brown“-Disc, denn Ambiente und Kleidung des Regisseurs sind identisch.

Weiter geht’s mit einer 15-minütigen Super-8-Fassung für Nostalgiker oder einfach für Leute, die nicht so viel Zeit haben. Darin gibt es immer noch reichlich Action und Gewalt, die Handlungsstränge sind aber derart zusammengestrichen, dass man die Handlung kaum mehr wiedererkennt. Hauptsache, Kopfschuss, Galgenfahrt und Catfight sind an Bord. Bild und Ton (nur Englisch) sind natürlich hier im Gegensatz zum Hauptfilm auf niedrigstem Niveau und erlauben so ein authentisches Einfühlen in die technischen Möglichkeiten abseits des HD-Zeitalters.

Den Originaltrailer gibt es selbstverständlich noch oben drauf, ferner den deutschen Kinovorspann mit Prolog, inklusive deutscher Titeleinblendung „Coffy – Die Raubkatze“. Sehenswert ist nicht zuletzt auch die 13-minütige Bildergalerie, die allerhand Poster, Aushänge, Artworks, Stills und Medien (Soundtracks, VHS, Bücher, DVD, Blu-ray) zu bieten hat. Lobenswert, dass alles mit deutschen Untertiteln zur Verfügung steht und 1:1 auch auf die DVD gepresst wurde.

Verpackung und Booklet

Bei Verpackung und Layout gibt es zu diesem Zeitpunkt selbstverständlich keine großen Experimente mehr. Das gezeichnete Original-Artwork inklusive Taglines („…the baddest One-Chic Hit-Squad that ever hit town!“, „She’s the GODMOTHER of them all!“) ziert stilvoll die Front eines Scanavo Case, der Schriftzug „Black Cinema Collection #8 verläuft dezent als Banderole am oberen Rand. Als Innendruck wurde jeweils ein Portrait von Pam Grier sowie Robert DoQui (King George) in Grau-Weiß gewählt, Blu-ray und DVD liegen wie gewohnt in einer komfortablen, perfekt schützenden Aufsteck-Lösung auf der rechten Seite. Das Booklet zur Linken ist diesmal 24 Seiten stark und bietet den mit vielen hochwertigen Quellen angereicherten Essay „Coffy – Die Raubkatze des Exploitationfilms. Emanzipation oder perfides Spiel mit Stereotypen?“ von Lio Schlösser. Die Autorin verwendet einen klassisch akademischen Argumentationsaufbau, um der Frage auf den Grund zu gehen, inwiefern „Coffy“ sich an der Stereotypisierung afroamerikanischer Kultur beteiligt, die dem Blaxploitation-Kino allgemein schon zur Entstehungszeit vorgeworfen wurde. Insbesondere bei der Kategorisierung der männlichen Figuren kommt sie dabei zu interessanten Schlussfolgerungen, teilweise transportiert über interpretatorische Ansätze. Letztlich springt der Text oft zwischen den Polen Schwarz und Weiß und entwickelt auch selbst ein Bewusstsein dafür, dass er das tut. Wohl nicht ohne Grund, denn damit wird in gewisser Weise den Ambivalenzen im Film Rechnung getragen, angeführt von einem Umstand, den auch Jack Hill in seinem Audiokommentar gleich zu Beginn anmerkt: Er als weißer Regisseur, der kaum einen Zugang zur afroamerikanischen Kultur hatte, wurde von seinem Studio beauftragt, einen Film für ein afroamerikanisches Publikum zu drehen…

Diese Widersprüchlichkeit wird auf der vorliegenden Edition jedenfalls in allen Bereichen hervorragend ausgearbeitet. Nicht nur durch die gelungene technische Präsentation (inklusive neuer Teilsynchronisation) hebt sich „Coffy“ in der „Black Cinema Collection #8“ von früheren Veröffentlichungen des Films ab, sondern auch in der reichhaltigen Nachbetrachtung durch viele sehens-, hörens- und lesenswerte Extras.

Die Black Cinema Collection bei den Actionfreunden:

01: Slaughter [1972]
02: Zehn Stunden Zeit für Virgil Tibbs [1970]
03: Strasse zum Jenseits [1972]
04: Ghetto Busters [1988]
05: Die Organisation [1971]
06: Foxy Brown [1974]
07: Car Wash [1976]
08: Coffy [1973]
09: Visum für die Hölle [1972]
10: Black Caesar – Der Pate von Harlem [1973]
11: Cotton Comes to Harlem [1970]
12: Riot – Ausbruch der Verdammten [1969]
13: Hit! [1973]
14: Vampira [1974]
15: Sugar Hill [1974]
16: Hell Up In Harlem [1973]
17: Friday Foster [1975]
18: In the Heat of the Night [1967]
19: Cooley High [1975]
20: Hammer [1972]

Was hältst du von dem Film?
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Copyright aller Filmbilder/Label: 20th Century Fox / MGM / Studio Hamburg / Wicked Vision__FSK Freigabe: ab 16__Geschnitten: Nein__Blu Ray/DVD: Ja/Ja

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