Originaltitel: Brawler__Herstellungsland: USA__Erscheinungsjahr: 2011__Regie: Chris Sivertson__Darsteller: Nathan Grubbs, Marc Senter, Pell James, Bryan Batt, Michael Bowen, … |
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So sehr es die nord-amerikanischen DVD- und BluRay-Cover auch suggerieren mögen, handelt es sich bei Chris Sivertson´s „Brawler“ (2011) keineswegs um einen „klassischen Vertreter“ eben jener (überwiegend stumpfen, qualitätsschwachen, unrealistisch-überzogenen) „Kampfsport-Klopper-Streifen“, die immer mal wieder in der betreffenden „Videotheken-Genre-Ecke“ auftauchen und im Anschluss dann (zumindest bei manchen Leuten) gern im Zuge irgendwelcher feucht-fröhlichen Film-Abende im gleichgesinnten Kumpel-Kreis in die entsprechenden Player wandern – siehe u.a. „Beatdown“, „Circle of Pain“ oder „Never back Down 2“. Vielmehr haben wir es hier mit einer fähigen kleinen Independent-Produktion zutun, welche die dramatische Geschichte zweier Brüder innerhalb des „kriminellen Umfelds“ gewisser illegaler „MMA“-Veranstaltungen in New Orleans erzählt – und somit eher an die beiden ähnlich gearteten, jedoch ungleich größeren, bekannteren wie glatteren Hollywood-Veröffentlichungen „Warrior“ und „the Fighter“ erinnert…
Charlie Fontaine (Nathan Grubbs) und sein jüngerer Bruder Bobby (Marc Senter) verdienen sich ihr Geld (neben gelegentlichen Aushilfsjobs) vorrangig im Rahmen brutaler „Underground“-Kämpfe, die regelmäßig in den Laderäumen bestimmter Frachter „direkt auf dem Mississippi“ stattfinden. Während ersterer ein weitestgehend bodenständiger Mensch ist, der vieles eher rational betrachtet sowie in einer festen Beziehung mit seiner Freundin Kat (Pell James) lebt, verfügt Bobby über verschiedene Charakter-Eigenschaften (á la Hitzköpfigkeit und Übermut), die ihn wiederkehrend in so etliche Schwierigkeiten bringen. Als er eines Abends einige „College Jocks“ bei einem Drogen-Deal „übers Ohr haut“ – was diese allerdings relativ schnell bemerken – sieht er sich plötzlich mehreren (u.a. mit Baseball-Schlägern) bewaffneten Angreifern gegenüber: Zwar kann ihm Charlie noch zu Hilfe eilen – doch erleidet jener dabei einen schwerwiegenden „Knie-Treffer“, der sowohl seine bisherige „Verdienstmöglichkeit“ als auch jede Hoffnung auf eine (potentielle) künftige Profi-Karriere zunichte macht…
Einige Zeit später hat Charlie einen Job auf´m Bau angenommen und ist inzwischen mit Kat verheiratet, welche das „wilde Leben“ (zuvor) stets genossen hat und mit ihrem „neuen Alltag“ (nun) nur bedingt zufrieden ist – sich des Öfteren also durchaus nach etwas Aufregung und Abwechslung sehnt. Bobby indes hat sein „sorgloses Gebaren“ unverändert beibehalten – was inzwischen zu hohen Schulden sowie einigen (nicht gerade einflusslosen) Feinden geführt hat. Als es dann aber doch mal „allmählich enger“ für ihn wird, bittet er Charlie darum, übergangsweise bei ihm unterkommen zu können: Trotz aller Streitigkeiten und Probleme in der Vergangenheit nimmt er ihn (natürlich) bei sich auf – schließlich ist er ein Teil der Familie. Irgendwann führen einige Drinks jedoch dazu, dass sich Bobby und Kat überaus nahe kommen – wovon Charlie (per Zufall) Zeuge wird, worauf er ihn sofort aus dem Haus wirft und sich unmittelbar danach (obendrein) auch von seiner Angetrauten trennt. Von gegenseitiger Wut und anderweitigen hitzigen Emotionen genährt, wird im Folgenden kurzerhand entschieden, die Angelegenheit genau dort „zu regeln“, wo es das Schicksal (seit jeher) quasi für sie vorgesehen hat – nämlich im Ring…
„Brawler“ geht auf eine „Überlieferung“ zurück, in deren Zentrum zwei Brüder in Louisiana standen, die sich mit zwielichtigen (auf Schiffen ausgetragenen) Boxing-Matches „durchs Leben schlugen“ und eines Tages (aufgrund eines Mädels) selbst zu Gegnern wurden. Nathan Grubbs hatte sie einst von seinem Vater gehört – und nachdem er sie seinem Kumpel Marc Senter erzählte, kam man flugs auf die Idee bzw. den Gedanken, sie als „Pitch“ an Chris Sivertson heranzutragen, mit welchem Senter bereits mehrfach zusammengearbeitet hatte. Jener zeigte sich sogleich interessiert und begann daraufhin auch prompt mit dem Schreiben eines Drehbuchs, für das er nur das „Fundament“ der Original-Story übernahm und stattdessen eine eigene Handlung ausgestaltete, bei welcher er das Boxen gegen einen heutzutage (gerade in jenem speziellen Kontext) gängigeren Kampfstil austauschte und sich in erster Linie auf die jeweiligen „Motive“ der beiden Männer konzentrierte – inklusive einer unverkennbaren Kain&Abel-Inspiration. Trotz der altbekannten Natur des Plots ist es ihm auf diesem Wege geglückt, eine solide Vorlage zu erschaffen, auf deren Basis er schließlich einen durchaus gelungenen Film realisierte…
Sivertson behält seinen Fokus beharrlich auf Bobby und Charlie gerichtet: Das Kämpfen liegt ihnen sozusagen „im Blut“ – und das nicht allein bloß deshalb, weil ihr (verstorbener) Vater ebenfalls ein geachteter Boxer war. An einem Punkt meint Rex allerdings – seines Zeichens ein erfahrener Trainer und langjähriger Freund der Fontaines – dass jener von der Art der Fights seiner Söhne (illegal, von Unterweltlern organisiert etc.) mit Sicherheit angewidert gewesen wäre. Aus dem Zusammenhang und Geschehen heraus erfährt der Zuschauer eine Menge über sie – anhand ihrer eingesetzten Techniken sowie ihres Verhaltens inner- und außerhalb des Rings – wobei nach den Siegen (z.B.) auch mal das eine oder andere Gramm Kokain konsumiert wird. Es geht u.a. um die Wichtigkeit von Brüderlichkeit und Familie: Zwar unterscheiden sie sich seitens ihrer individuellen Persönlichkeits-Ausprägungen und „entfernen“ sich mit der Zeit zunehmend stärker voneinander – doch sind sie (auf mehr als nur eine Weise) dennoch weiterhin aufeinander angewiesen. Einen bedeutenden Schlüssel-Moment markiert dabei Charlie´s Geschichte über das Auffinden eines alten Videotapes ihres Dads – vermutlich aber werden viele (im Publikum) seinen Ausführungen in jener Szene nicht die notwendige Aufmerksamkeit schenken…
Hauptdarsteller und Co-Produzent Grubbs („Down in New Orleans“), der zwar über Erfahrungen im Bereich des Boxens verfügt, in der Film-Branche dagegen im Prinzip jedoch als ein „Rookie“ bezeichnet werden kann, schlägt sich wacker in Form einer rundum gediegenen Performance: Charlie ist ein gutherziger, uneigennütziger Kerl, der sich öftermals von seinen Gefühlen leiten lässt, selbst wenn ihm Verstand und Instinkt davon „abraten“ – was u.a. zu dem einen oder anderen schmerzhaften Vertrauensbruch führt. Marc Senter, der in Sivertson´s Jack Ketchum Adaption „the Lost” den Psychopathen Ray Pye ja absolut grandios verkörperte, privat einen „schwarzen Gurt“ in Karate besitzt und das Werk ebenfalls mitproduziert hat, mimt den unüberlegt-ungeduldig-reizbaren Bobby (unterdessen) angepasst überheblich – und obgleich ihn das relativ unsympathisch erscheinen lässt, ist der Figur ein gewisses Maß an „Charisma“ keinesfalls abzusprechen. Offenbar weiß er es einfach nicht besser – was allerdings wiederkehrend dazu führt, dass seine miesen Entscheidungen nicht nur ihn, sondern auch bestimmte Leute um ihn herum „schädigen“. Im Grunde genommen sind die Darbietungen Grubbs´ und Senters genauso ungeschliffen (aber kompetent) wie der gesamte Streifen an sich…
Als Charlie´s Ehefrau ist die attraktive Pell James („Surveillance“) zu sehen – mit deren Leistung ich persönlich überaus glücklich war, denn sie verleiht dem Part u.a. eine ergiebig herausgestellte „zerbrechliche Note“. Rasch wird einem klar, dass sie in der Vergangenheit viel Schlechtes durchmachen musste und (entsprechend) mit ihren eigenen „inneren Dämonen“ zu kämpfen hat. Ihren Drogen- und Alkoholkonsum hat sie für Charlie zurückzuschrauben versucht – doch lastet sie ihr „neues Leben als Hausfrau“ (so gern sie es auch möchte) einfach nicht genügend aus, weshalb sie stracks wieder in alte Gewohnheiten verfällt, als Bobby plötzlich die Tage bei (bzw. mit) ihr daheim verbringt, während Charlie zur Arbeit geht. Es ist durchaus tragisch, ihr dabei zuzuschauen: Bobby ist nur der „konkrete Auslöser“, nicht aber die „wahre Ursache“ – und so kommt einem der betreffende „Ausrutscher“ (im Vorfeld) irgendwann geradezu unvermeidbar vor und nimmt man ihr den Fehltritt dann auch nicht ganz so übel, wie es in anderen (ähnlich gearteten) Situationen wohl der Fall wäre. Fraglos ist es Liebe zwischen ihr und Charlie – allerdings muss er ebenfalls erst einmal nach den richtigen Worten suchen, als sie ihn an einer Stelle fragt, wie sehr denn eigentlich…
Die von Sivertson dargereichten Sub-Plots sind wichtige Bestandteile der Handlung – werden jedoch nicht „in die Tiefe gehend“ ausgelotet, sondern nur im nötigen Umfang, um den Verlauf sowohl zu „sättigen“ als auch (parallel dazu) voran zu bewegen. Da wäre etwa der Trainer Rex – klasse gespielt vom stets verlässlichen Michael Bowen („Deadgirl“) – der bereits den Vater der beiden betreute und Charlie nun so gut es geht auf das „finale Match“ vorbereitet, trotz der problematischen Knie-Verletzung. Ferner ist noch der homosexuelle Fight-Fan und Dandy „Fat Chucky“ (Bryan Batt aus TV´s „Mad Men“) anzuführen, der es sich ebenfalls mit den falschen Leuten „verscherzt“ hat und von diesen nun einen „Denkzettel“ erhalten soll – wofür jene ausgerechnet Bobby auserwählen, welcher ja genauso in deren Schuld steht, zugleich aber auch ein Freund des „angedachten Leidtragenden“ ist. Immer wieder sind nette kleine Details auszumachen – wie dass die „örtliche kriminelle Obrigkeit“ den Einsatz solcher Gewalt (wie z.B. das Brechen von Gliedmaßen säumiger Zahler) im Grunde missbilligt und nur recht widerwillig anordnet. Letzteres ist für sie quasi die gelegentlich unausweichlich-erforderliche „Schattenseite“ ihres Geschäfts – und das völlig unabhängig dessen, ob jenes nun illegal oder nicht ist…
Durch die Bank weg wirken die Charaktere, Dialoge und Verhaltensweisen wie aus dem Leben gegriffen – also glaubwürdig und realistisch – was einen stimmigen Eindruck erweckt und von einer guten Kenntnis des betreffenden Milieus sowie der Materie an sich zeugt. Die gezeichneten Figuren definieren sich weniger über ihre Worte bzw. Aussagen – vielmehr sind es ihre Reaktionen und Taten, die ihre jeweilige Persönlichkeit offenbaren. Obgleich die Story weitestgehend „gängigen Pfaden“ folgt – nahezu frei irgendwelcher herausragend originellen oder unvorhersehbaren „Abwandlungen“ des Ganzen – ist sie dennoch ebenso interessant wie handwerklich versiert genug geraten, um das Publikum einnehmend zu unterhalten. Ohne je allzu melodramatisch zu werden, wirft der Film einen Blick auf die „unebenen“ Schicksale zweier Menschen – u.a. darauf, warum sie in den Ring steigen und was das für Auswirkungen auf sie und die ihnen nahe stehenden Personen hat. Relativ früh erkeimt das Gefühl, dass hier vermutlich kein „harmonischer Ausklang“ zu erwarten ist – lange bevor bestimmte Leute an Charlie herantreten und ihm mitteilen, dass es wohl besser wäre, wenn Bobby den Kampf am Ende nicht übersteht: So würde er immerhin bei etwas sterben, für das er im Prinzip „gelebt“ hat…
Sivertson ist ein begabter Regisseur, der zuletzt mit seiner weitläufig verkannten 2007er Veröffentlichung „I know who killed me“ für Aufmerksamkeit sorgte – das aber leider nicht unbedingt im positiven Sinne. Im Gegensatz zu jenem „überstilisierten“ Thriller erinnert der vorliegende Streifen (etwa von seiner authentisch-rohen Machart her) allerdings viel stärker an seine hervorragende Roman-Adaption „the Lost“ (2006) – und das nicht nur, weil beide Projekte mit limitierten finanziellen Ressourcen realisiert wurden und eine unheimlich dichte Atmosphäre aufweisen. Unterlegt mit einem gelungenen Score Tim Rutilis, welcher einige klangvolle Blues-, Jazz- und Bluegrass-Stücke mit einschließt, sowie von Cinematographer Zoran Popovic („Grace“) stattlich bebildert, machte Sivertson u.a. feinen Gebrauch diverser stimmungsvoller Locations innerhalb des Stadtgebiets von New Orleans. Die Fights (indes) wurden von ihm durchweg hart, direkt, meist sehr nahe am Geschehen sowie ohne Stunt-Doubles in Szene gesetzt – in bloß spärlich beleuchteten Örtlichkeiten, umringt von einer grölenden Menge, reich an Wucht und Energie, jedoch nie unnötig bzw. übertrieben brutal: Genau richtig so, kann man getrost sagen. Primär geht es dabei weder um die gebotenen „Moves“ noch „Treffer“, sondern um die Beteiligten – weshalb die finale Konfrontation vor allem als eine Form von „Therapie“ anzusehen ist, und erst nachrangig ein großes Kampf-Ereignis markiert…
Fazit: Chris Sivertson´s „Brawler“ ist ein gleichermaßen kraftvolles wie fokussiertes Drama, welches den „Werdegang“ zweier Brüder beleuchtet, die im „Big Easy“ Louisianas an illegalen Kampf-Veranstaltungen partizipieren und deren abweichende Ansichten, Eigenschaften und Handlungsweisen sie irgendwann auf einen „folgenschweren Kollisionskurs“ führen. Von seinem gradlinigen Einstieg bis hin zu seinem rundum zufrieden stellenden Ausklang vermag der Streifen in erster Linie aufgrund seines „ungekünstelten“ Stils sowie des unverkennbaren Talents der Mitwirkenden (vor und hinter der Kamera) zu überzeugen. Kurzum: Für alle entsprechend geneigten Zuschauer ist dieser kleine amerikanische Indie auf jeden Fall einen Blick wert…
In den USA hat „XLrator“ den Streifen (ungeschnitten) auf DVD und BluRay herausgebracht – in Kanada dagegen „Anchor Bay Entertainment“. Im September 2011 wurde er auf dem „18. Internationalen Filmfest Oldenburg“ gezeigt – und seit dem 05. Juli 2013 ist er nun ebenfalls hier in Deutschland auf DVD und BluRay zu haben: Veröffentlicht aus dem Hause „Mad Dimension“, uncut mit einer „FSK18“-Freigabe…
Stefan Seidl
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Zur Filmdiskussion bei Liquid-Love
Copyright des Postermotivs und der Bilder bzw. Screenshots: XLrator / Anchor Bay Entertainment / Mad Dimension__Freigabe der dt. Veröffentlichung: FSK-18__Geschnitten: nein__Blu Ray/DVD: ja/ja |