Originaltitel: Soldaat van Oranje__Herstellungsland: Niederlande__Erscheinungsjahr: 1977__Regie: Paul Verhoeven__Darsteller: Rutger Hauer, Jeroen Krabbé, Susan Penhaligon, Edward Fox, Lex van Delden, Derek de Lint, Huib Rooymans, Dolf de Vries, Eddy Habbema, Belinda Meuldijk, Peter Faber u.a. |
Gegen Ende des Filmes „Der Soldat von Oranien“ gibt es eine Szene, in der die Hauptfigur Erik und dessen guter Kumpel auf einer Weihnachtsfeier ordentlich feiern und flirten, nur um unvermittelt aus den Feierlichkeiten herausgerissen zu werden. Ein Angriff auf Nürnberg müsse geflogen werden. Die beiden Holländer fliegen im Auftrag der Royal Air Force los, werfen ihre Bomben ab und kehren zurück zu den Festivitäten. Paul Verhoeven („Robocop“) hat mehrere Szenen wie diese in sein Widerstandskampf-Drama gepackt, die den Wahnsinn des Krieges und seine beinahe lapidare Gewalttätigkeit aufzeigen. Aber ein Antikriegsfilm ist sein Streifen dennoch nicht geworden. Eher eine Art Agentenfilm, der obendrein einen Blick in die niederländische Seele zu Zeiten des zweiten Weltkrieges wirft.
Der junge Erik tritt im Jahre 1938 in der niederländischen Universitätsstadt Leiden ein Studium an und lebt mit seinen Kommilitonen ein sorgenfreies Leben zwischen Lehrbüchern, Sport und ausgelassenen Freizeitbeschäftigungen. Doch all das ändert sich, als die Deutschen in Holland einrücken. Eriks Freunde werden in alle Winde zerstreut: Man flieht ins Ausland, kollaboriert mit den Deutschen, lebt ein Leben in ständiger Angst im besetzten Holland oder schließt sich aktiv dem Widerstand gegen die Deutschen an. Erik geht eher zaghaft letzteren Weg.
Sein Ziel: Er möchte das Land gen England verlassen. Das gestaltet sich enorm schwierig und wird nicht nur von Verrätern und ständig schnüffelnden deutschen Geheimdienstlern extrem erschwert. Nach zig Anläufen gelingt Erik die Flucht. Seine Hartnäckigkeit beeindruckt die ebenfalls gen England geflohene niederländische Königin. Sie schickt ihn mit einem Spezialauftrag zurück nach Deutschland…
Schaut in den Trailer von “Der Soldat von Oranien” von Paul Verhoeven und mit Rutger Hauer hinein
httpv://www.youtube.com/watch?v=1sulhjy-RUE
Als 1939 die Deutschen begannen, Europa im Handstreich zu erobern, hofften die Niederländer lange, dass sie wie im ersten Weltkrieg von den Kriegshandlungen verschont bleiben würden. Doch Hitler sollte ihnen diesen Gefallen nicht tun. Am 10. Mai 1940 fielen seine Truppen in dem militärisch äußerst schlecht aufgestellten Land ein, das folgerichtig wenige Tage später kapitulierte. Dementsprechend geht es in Paul Verhoevens „Der Soldat von Oranje“ auch nicht um aufwändige Materialschlachten, Stellungskriege und Frontkämpfe, stattdessen fokussiert der Regisseur, der auch am Drehbuch mitschrieb, auf den niederländischen Widerstand gegen die deutschen Besatzer.
Für seine ausladende Widerstandsgeschichte wählte er einen erstaunlichen Hauptcharakter aus. Erik ist nämlich alles andere als der typische Widerständler. In erster Linie ist er ein ganz normaler Mensch mit ganz vielen Schwächen. Seine größte ist sein Abenteuerhunger. Doch auch viele Stärken hat er. Hervorgehoben sei sein Empfinden für Freundschaft. Diese thront bei ihm sogar weit über politischen Befindlichkeiten, weshalb er etwa einem zu den Deutschen übergelaufenen Freund keinerlei Vorwürfe dafür zu machen scheint. Das wichtigste für Erik ist, dass es seinem Freund gut geht.
So wird Erik auch eher zufällig in die Geschehnisse hineingezogen, die um ihn herum passieren. Immer mal wieder hat man das Gefühl, dass er sich einfach treiben und die Ereignisse auf sich zukommen lässt. So sind wir beispielsweise nie dabei, wie er aktiv Sabotageakte ausführt, spioniert oder ähnliches. Denn Erik ist auch kein Held oder Kämpfer. Er ist und bleibt Mensch. Ab und an fragt man sich in der Folge immer mal wieder, wieso er eigentlich so in Sorge vor den Deutschen ist, denn außer, dass er in die niederländische Armee eintreten wollte, um diese im Kampf gegen die Deutschen zu unterstützen, lässt er sich eigentlich kaum etwas zuschulden kommen.
Vielmehr sind es Eriks Studentenfreunde, die wirklich gegen die Deutschen arbeiten. Und das mit allen, teilweise auch tödlichen Konsequenzen. Dementsprechend wirkt Erik mehr wie ein Bindeglied zwischen allen Figuren und dem Zuschauer. Ein wenig also wie eine Art Erzähler. Der selbst beinahe unbedarft in eine Art Agentenabenteuer schlittert. Voll von Spionage und Gegenspionage. Geheime Sender, Codes und Nachrichten. Mit brutalen Folterungen, schönen Frauen und verdeckten Operationen.
Und so halten wir uns an Rutger Hauers Erik fest, während dieser durch eine chaotische Zeit stolpert und immer mal wieder zufällig an bestimmte Freunde und Weggefährten gerät. Diese Begegnungen folgen keinerlei Muster, wirken so zufällig wie das Leben selbst. Was insofern auch nachvollziehbar ist, weil der von Rutger Hauer („Spetters – knallhart und romantisch“) stark gespielte Erik auf Erik Hazelhoff Roelfzemas basiert, dessen Buch “Het hol van de ratelslang” die Vorlage für „Der Soldat von Oranien“ ist und dessen Erlebnisse während des zweiten Weltkrieges nachzeichnet. Eine fragmentarische, immer mal wieder holprige Dramaturgie ist die Folge, die aber dennoch fasziniert und in den Film hineinzieht. Denn vor allem die einzelnen Episoden rund um Eriks „Kameraden“ zeichnen ein überzeugendes Bild davon, wie Krieg die Menschen, ein Land und sogar Meinungen verändern kann. Die Menge an Figuren, deren Leben und Schicksale wir mit Erik streifen, sorgt derweil für eine enorme Komplexität.
Verhoeven steuert darum mit seiner konzentrierten Regie dagegen, die über 2 Stunden und 30 Minuten hinweg ein beachtliches Tempo generiert, die Ereignisdichte schön hoch hält und dennoch nicht überfordert. Beeindruckend ist, dass das Drehbuch von „Der Soldat von Oranien“ es trotz der Figurenmenge schafft, auf Schwarz-Weiß-Malerei konsequent zu verzichten und die Grenzen zwischen Gut und Böse immer mal wieder sehr schwammig werden zu lassen. Eine weitere Stärke des Filmes ist der Verzicht auf Patriotismus und seifigen Pathos.
Stark ist auch, dass Verhoeven sich Zeit nimmt für viele kleine Szenen, die in den bislang leider immer gekürzten deutschen Fassungen mal eben brutal rausgeworfen wurden. Diese sorgen für eine authentische Atmosphäre und interessante Einblicke in die niederländischen Befindlichkeiten anno 1940-45. Die bis dahin teuerste niederländische Produktion protzt zudem mit einer tollen Ausstattung und schönen Bildern von Verhoevens Stamm-Kameramann Jost Vacano. Schön wäre es eigentlich nur gewesen, wenn der „Robocop“-Macher hier und da auch mal mit Jahreszahlen gearbeitet hätte, um eine bessere zeitliche Einordnung zu ermöglichen.
Provokationen und Gewalt haben Pause in “Der Soldat von Oranien”
In Sachen Action und Gewalt sieht es trotz der Thematik und des Regisseurs eher verhalten aus. Ein wuchtiger Bombenangriff auf Leiden zu Beginn des Filmes macht Hoffnungen auf mehr ähnliche Momente, doch Verhoeven verzichtet komplett auf Kampfhandlungen und dergleichen mehr. Kleine, präzise gesetzte, blutig in Szene gesetzte Gewaltausbrüche (Hinrichtungen, kurze Scharmützel) sind alles, was er an Action zulässt. Die Story ist der Star. Diese wird von richtig tollen Darstellern (unter anderen auch Jeroen Krabbe („Transporter 3“)) mit Leben gefüllt und ist technisch perfekt in Szene gesetzt, wirkt hier und da aber immer auch mal ein wenig spröde und will aufgrund der manchmal zu klaren und erdverbundenen Erzählweise nie so richtig mitreißen. Dazu fehlen dann eben doch ein paar “Heldenmomente”. Doch Helden, soviel ist nach „Der Soldat von Oranien“ klar, gibt es im Krieg nicht. Höchstens Überlebende…
Die deutschen Fassungen von „Der Soldat von Oranien“ waren zumeist stark zensiert. Bis zu 45 Minuten des Streifens fielen der vermeintlichen Straffung des langen Filmes zum Opfer. Eurovideo brachte 2008 dankenswerterweise endlich die Uncut-Fassung (FSK 16) auf DVD nach Deutschland. Diese schaltet in den bisher geschnittenen Szenen in die untertitelte Originalsprache. Nicht wundern, das kann tatsächlich sogar mitten in einem Satz passieren!
In diesem Sinne:
freeman
Was meint ihr zu dem Film?
Zur Filmdiskussion bei Liquid-Love
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