Originaltitel: The Dunwich Horror__Herstellungsland: USA__Erscheinungsjahr: 1970__Regie: Daniel Haller__Darsteller: Sandra Dee, Dean Stockwell, Ed Begley, Lloyd Bochner, Sam Jaffe, Joanne Moore Jordan, Donna Baccala, Talia Shire, Michael Fox, Jason Wingreen, Barboura Morris, Beach Dickerson u.a. |
Ein mondförmiger White Afro als übles Vorzeichen für einen entfesselten Medusa-Kopf, der als unsichtbare Walze einen Amoklauf starten wird. Rituelles Kauderwelsch, begleitet von verwirrender Zeichensprache, das der Herrscher über das Okkulte ebenso als Kommunikationsinstrument gebrauchen könnte wie der Hippie in Schlaghosen. Ein Altar aus Stein unter offenem Himmel, der sich gleichermaßen zur Menschenopferung wie zur Entbindung eignet. Oder um sich einfach im Kreise darum zu versammeln und an den Tentakeln zu saugen, die zur Bong in der Mitte führen, bis man die Welt übergangsweise durch grellrote Farbfilter sieht. Es ist unübersehbar: In „The Dunwich Horror“ trifft das unbeschreibliche kosmische Grauen jenseits von Raum auf Zeit auf… na ja, auf die Zeit der Hippies.
Dass die Handlung in der damaligen Gegenwart des Jahres 1970 spielt, lässt sich an der Pre-Title-Sequenz allerdings noch nicht ablesen. Seine bereits zweite Regiearbeit an einer Lovecraft-Adaption (nach „Die Monster Die“, 1965) stattet der ehemalige Art Director und Setdesigner Daniel Haller zunächst ähnlich aus wie seine erste: lila Mustertapeten, Zierkommoden aus Holz, ein Himmelbett mit violetten Samtvorhängen. Noch könnte ein viktorianisches Herrenhaus Dreh- und Angelpunkt der Geschichte sein; wann und wo das Ganze spielt, bleibt vorerst jedenfalls unklar. Fest steht nur, eine schwangere Frau windet sich schweißgebadet und von Wehen gepeitscht auf den Laken, während sich ihr ein alter Mann mit Rasputin-Bart nähert; im Hintergrund warten zwei in Schwarz gekleidete Albino-Frauen. Wir werden also Zeuge einer nicht ganz konventionellen Geburt. Wer zwei Jahre zuvor mit dabei war, als Rosemary ihr Baby bekam, der ahnt wohl bereits, dass auch hier kein gewöhnliches Kind zur Welt kommt.
Dann übernimmt Titeldesigner Sandy Dvore und kredenzt eine betont zweidimensionale Scherenschnitt-Animation. Im Zusammenspiel schwarzer und tiefblauer Flächen lässt er grobe Formen entstehen und wieder zusammenfallen. Zwei menschliche Figuren versuchen, auf dem sich ständig bewegenden Boden Halt zu fassen und ihren Weg zu gehen. Säulen steigen aus ihm empor und Gebirge wachsen aus dem Nichts. Aus den Säulen werden Bäume, aus Felsbrocken bildet sich langsam ein riesiges Gesicht. Die Titeleinblendungen passen sich derweil den schiefen Linien an. Saul Bass’ Titelsequenzen der 60er Jahre (für verschiedene Hitchcock-Filme beispielsweise) werden aufgegriffen, zugleich orientiert sich die Gestaltung an den eckig-muskulösen Körperformen griechischer Vasenmalerei. Als sich aus dem Schwarz schließlich eine Schlange bildet und sich der Berg bei zurückfahrender Kamera als dekadent auf der Seite liegender Teufel entpuppt, wird in Kombination mit dem „Rosemary’s Baby“-Vorspann deutlich, dass Lovecrafts Universalismus hier in eine christliche Form gegossen wird. Das undefinierbare Grauen bekommt aus kommerziellen Gründen einen Anstrich von Menschenhand.
Man könnte dem wirren Okkult-Treiben dunkler Mächte im fiktiven Dunwich, Massachusetts nun Anerkennung zuteil werden lassen, indem man sämtliche Entgleisungen mit der Entstehungszeit erklärt. Eine psychedelische Flickencollage eben, wie sie damals öfter in Produktion ging. Mit ein bisschen Fantasie könnte man sogar den Standpunkt vertreten, dass Psychedelia durchaus kompatibel sei mit Lovecrafts Welten. Die kosmische Entität YOG-SOTHOTH als Mandelbrot-Fraktal… warum eigentlich nicht? Schließlich ist diese Gottheit aus Lovecrafts Feder, die auch der Quell für die Ereignisse in Dunwich ist, der Beschreibung nach eine Ansammlung leuchtender Kugeln. Horror wird in dieser Lesart als Resultat von Desorientierung verstanden: Was man nicht richtig greifen kann, verwirrt den Geist. Anders als im eher klassisch abgedrehten „Die Monster Die“ gibt sich Haller diesmal völlig der Experimentierlaune hin und irritiert mit Bildverfremdungen. In einzelnen Frames kehrt er beispielsweise die Farben ins Negativ um. Ein Flashback wird in Sepiafarben getaucht. Eine Traumsequenz wird sogar durch eine verschmutzte Linse gedreht; nackte Wilde erscheinen im Prisma des Schmierfilms und greifen nach der Kamera. So jedenfalls gestalten sich die „hysterischen“ Momente des Films, jene, in denen andere Horrorfilme ihre Monster auf den Plan bringen würden. Alles, was „The Dunwich Horror“ als Kompensation zu bieten hat, ist ein breiiger Klumpen mit fuchtelnden Armen, der hinter einer Tür lauert, durch grelle Blitze und anderweitige Manipulation in der Postproduktion bis zur Unkenntlichkeit verunstaltet. Man kann nur die Konturen dessen erahnen, was man da glaubte, gesehen zu haben. Oder, wie H.J. Kulenkampff sagen würde: „Wie Sie sehen, sehen Sie nichts, sehen Sie?“
Schaut in den Trailer zu “The Dunwich Horror” hinein
httpv://www.youtube.com/watch?v=tM8EbSvNFqg
Das Vorenthalten visueller Details kann unter den gegebenen Umständen bekanntermaßen sogar die Spannung fördern, doch in diesem Fall ist man weit davon entfernt, einen solchen Joker an der Hand zu haben. Zwar findet Haller zum Teil gelungene Wege, um den unsichtbaren und doch zerstörerischen Pfad des Monsters zu visualisieren (etwa mit atmosphärischen Luftaufnahmen wankender Bäume im Wald), doch macht diese Prozession ja nur einen Bruchteil des Filmes aus. Alleine Dean Stockwell, der nur aus Afro, Schnäuzer und toten Augen zu bestehen scheint, ist eine gefühlte halbe Stunde damit beschäftigt, mit den Händen alberne Elefantenohren zu bilden, mit seinem Dolch in der Luft zu fuchteln oder „YOG SOTHOTH“ zu murmeln. So verdrängt die Wiederholung, ein beliebtes Mittel der Faulen und Einfallslosen, unter Garantie jeden Anflug von Spannung.
Dass „The Dunwich Horror“ überdies ein Film voller unsinniger Dialoge werden würde, macht gleich die erste Szene rund um das Necronomicon in der Stadtbibliothek deutlich. Heiße Begierden werden geradezu desinteressiert vorgetragen, die Motivationen der Charaktere, bestimmte Dinge zu tun oder zu lassen, offenbar nach dem Zufallsprinzip verteilt. Die Gespräche, in denen nicht sowieso bereits einer der Teilnehmer unter Hypnose steht, sind dennoch stets von Schläfrigkeit gezeichnet, selbst wenn sie existenzielle Konflikte austragen; eine gehobene Augenbraue ist da schon Zeichen äußerster Rebellion. So kann man sich nicht einmal an den vorzeigbaren Cast klammern (u.a. mit Sam Jaffe und in seiner vorletzten Rolle Ed Begley), denn was taugt die beste Besetzung, wenn einem praktisch jeder Einzelne mit den Augen zu verstehen gibt, dass er jetzt viel lieber an einem ganz anderen Òrt wäre?
Am schwersten wiegt aber die völlige Abwesenheit dessen, was die Vorlage ausmacht. Dass Lovecraft-Lizenzen nicht unbedingt mit dem Gedanken erworben wurden, den Geschichten um jeden Preis gerecht zu werden, merkt man auch dieser Arkoff/Nicholson/Corman-Produktion an. Es ist bestimmt nicht die einzige Verfilmung, der das Abgründige aus den Gedankenwelten des Autoren völlig abgeht, aber womöglich liegt hier ein ganz besonders versemmelter Fall vor, weil sämtliche herausgenommene Freiheiten zuverlässig zu fatalen Fehlentscheidungen führen, die das Potenzial der Story untergraben. Und es ist keine besondere Freude, den Wirrungen zu folgen, auch weil man nicht mit dem entsprechenden Gegenwert in Form von Schauwerten entlohnt wird.
Sich durch die unergründlichen Wege des Drehbuchs zu schlagen, kann natürlich in gewisser Weise auch eine Herausforderung sein; es ist aber eine ohne Ertrag, weil Haller am Ende des Weges einfach zu wenig anbietet. „The Dunwich Horror“ ist allenfalls noch von dezentem filmhistorischem Wert, sofern man sich dafür interessiert, was passiert, wenn zeitlose Stoffe zwanghaft für ein Publikum aufbereitet werden, von dem man nicht einmal weiß, was es überhaupt möchte. Immerhin lassen sich mit dieser Argumentation Remakes rechtfertigen, auch wenn spätere Verfilmungen des Stoffs dem Hörensagen nach sogar noch schlechter geraten sein sollen…
Informationen zur Veröffentlichung von “The Dunwich Horror”
YOG-SOTHOTH!, schreit uns das Backcover in pinken Lettern entgegen. Nein, das ist keine Reklame für einen neuen Joghurt-Drink im Kühlregal – Wicked-Vision beschwören bloß mal wieder die Götter des Howard Phillips Lovecraft. „The Dunwich Horror“ erschien am 14. September 2018 und somit zeitgleich zu „Das Grauen auf Schloss Witley“, einer zweiten Lovecraft-Adaption des gleichen Regisseurs. MGM veröffentlichte diese beiden Filme in den USA ursprünglich gemeinsam als Double Feature im Stil alter Bahnhofskino-Doppelvorstellungen auf DVD, nun finden sie eine neue Heimat als Nachbarn mit den Hausnummern #18 und #19 in der „Limited Collector’s Edition“-Serie von Wicked-Vision. Doch wie verdient sich dieser schrullig-konfuse Streifen aus dem Jahr 1970 darin seinen Platz?
Horror auf 4 Scheiben
Das Schöne an der Reihe ist, dass sie in Sachen Aufmachung und Inhalt stets einen gewissen Qualitätsstandard hält, viele Veröffentlichungen allerdings zusätzlich besondere Gimmicks und Überraschungen an Bord haben. Dem gewohnten Standard entspricht beispielsweise die Veröffentlichung im Mediabook mit unterschiedlichen Designs. Das auf 222 Einheiten limitierte Cover B läuft unter dem etwas irreführenden Verleihtitel „Voodoo Child“, Cover A und C (je 333 Stk.) hingegen tragen den Originaltitel der Lovecraft-Story. Zur Besprechung liegt Cover C vor. Dieses ist überwiegend in Schwarz gehalten und zeigt auf der Vorderseite ein symbolisiertes Motiv, das sich mit seinen grellen Neonfarben effektiv vom schwarzen Hintergrund abhebt. Ein ideales T-Shirt-Motiv, möchte man meinen, und in der Tat ließ das Label diesmal Fan-Shirts drucken, die man im Bundle oder auch einzeln im kürzlich eröffneten Shop erwerben kann (ebenso übrigens wie das sehr schöne Feuer-Motiv zum Jean-Rollin-Film „Die Folterkammer des Vampirs“). Wer bereits ein paar Exemplare der Sammlerreihe im Regal stehen hat, der weiß, dass es dank Deckblatt-Lösung auch diesmal wieder ein flatschen-freies Motiv gibt. Im Inneren wartet dann ein 24-seitiges Booklet. Darin zu finden sind Texte von Dr. Rolf Giesen und Uwe Sommerlad mit interessanten Hintergrundinformationen zur Produktion. Abgedruckt ist außerdem das diesmal nicht verwendete Cover-Motiv, das seinerzeit für die US-MGM-DVD verwendet wurde, weiterhin diverse Szenenfotos und Zitate aus den Trailern und US-Schlagzeilen Der schwarz-rot gehaltene Hintergrund der Seiten behält das charakteristische Layout vieler Wicked-Mediabooks bei; wenn man genau hinschaut, erkennt man, dass hier ein Screenshot aus dem kunstvollen Vorspann von Sandy Dvore verwendet wurde.
„Das Grauen von Schloss Witley“ hatte als besonderes Schmankerl ein Vintage-Comic aus dem Jahr 1966 zu bieten. Auch für „The Dunwich Horror“ hat man sich nicht lumpen lassen und etwas nicht ganz Alltägliches in die Edition gepackt, unschwer zu erkennen an der satten Anzahl von vier Discs – dazu gleich mehr. Zwei Discs sind traditionell mit dem Film und dem Bonusmaterial jeweils auf Blu-ray und DVD belegt. Dabei befinden sich eigentlich kaum greifbare Video-Features auf der Edition. Der deutsche VHS-Vorspann, der Trailer zum Film, eine Bildergalerie und der diesmal von Darren Lynn Bousman (Saw II-IV) präsentierte „Trailer from Hell“ sind beinahe schon alles, was man auf der Scheibe findet. Exklusiv auf der Blu-ray enthalten ist außerdem die deutsche Nostalgie-VHS-Fassung des Films in 4:3, für jene, die von digitaler Restauration nichts wissen wollen und ihre Schmuddel-Klassiker lieber so schauen, wie sie sie von früher kennen.
Wollen wir drüber reden?
Immerhin gibt es diesmal gleich zwei Audiokommentare. Unsere alten Bekannten Dr. Rolf Giesen und Dr. Gerd Naumann haben wieder jede Menge zu erzählen, wobei insbesondere Giesen sich immer mal wieder in absonderlichen Exkursen verliert (falls jemand Informationen über inzestuöse Verbindungen in Filmen oder „anale Phasen“ benötigt, wird er hier fündig), insgesamt wird der Film historisch aber sehr präzise eingeordnet als richtungslose Produktion für ein undefiniertes Publikum am Beginn eines neuen Jahrzehnts (und wie man weiß, vollzog die Filmgeschichte mit dem Übergang von den 60ern in die revolutionären 70er Jahre einen radikalen Bruch). Jörg Kopetz von Wicked-Vision hat als Alleinunterhalter im zweiten Kommentar mehr Platz zur freien Entfaltung und geht entsprechend tiefer auf die Details ein, und zwar ohne dabei mal spürbar Luft zu holen – das verdient schon Respekt. Wer also meint, dass es über so eine olle Kamelle nichts mehr zu erzählen gibt, den belehren sowohl Giesen/Naumann als auch Kopetz eines Besseren.
Schnäuzer und Dauerwelle in HD
Als weitere Tonspuren findet man das Original und die deutsche Synchronisation jeweils im Format dts-HD Master Audio 2.0 Mono vor. Das Bild kommt in 1,85:1 mit 1080p und lässt wenig zu wünschen übrig. Naturgemäß wird die Bewertung etwas schwierig, wenn das Gezeigte zur wilden Farbfilter-Party mit überharten Kontrasten gerät, doch in den „normalen“ Sequenzen weist das Bild eine angemessene Schärfe auf. Gleich im Prolog darf man die Wasserperlen auf der Stirn der Darstellerin zählen, die gerade ein Kind zur Welt bringt, später jedes Härchen im schnurgerade geschnittenen Besen, den Dean Stockwell unter der Nase trägt. Auch manche Studiobauten werden als Innendekoration entlarvt. Hin und wieder gerät das Bild ein wenig weich, das ist teilweise aber auch den eigenwilligen Stilmitteln des Regisseurs zu verdanken.
Hier gibt’s was auf die Ohren
Und was war jetzt mit Disc 3 und 4? Ach, richtig… hierbei handelt es sich um zwei CDs, die gleich noch einmal Lovecrafts Vorlage als Hörbuch beinhalten. Sascha Rotermund, bekannt beispielsweise als Synchronsprecher von Jon Hamm in „Mad Men“ oder auch Benedict Cumberbatch in diversen Rollen wie „Doctor Strange“, liest sich binnen 156 Minuten (73 + 83 Min.) einmal quer durch das unvorstellbare Grauen von Yog-Sothoth. Die CDs sind auf mehrere Kapitel aufgeteilt, meist mit einer Laufzeit von je ca. 10 – 15 Minuten. Im ersten Kapitel werden noch die Hintergründe der Kurzgeschichte eingeordnet, ab Track 2 geht es dann in die Vollen. Begleitet wird Rotermund von dezenter musikalischer Untermalung (jeweils im Einstieg und Ausklang der Kapitel) und Field-Recording-Hintergründen (Vogelzwitschern etc.), mit dem die Atmosphäre festgemacht wird. Eine wirklich originelle und sinnvolle Beigabe, zumal es Spaß macht, die Vorlage mit der Verfilmung zu vergleichen. Außerdem ist es sehr wertvoll, dass die Lesung nicht einfach lieblos als mp3 beigelegt ist, sondern auf CD gepresst wurde.
Bei dem Gesamtpaket sieht man auch gerne darüber hinweg, dass der Hauptfilm nicht gerade zu den Highlights der nun schon 19-teiligen Mediabook-Reihe gehört. In der Veröffentlichung steckt jedenfalls doppelt so viel Lovecraft wie im nackten Film. YOG-SOTHOTH für alle!
Sascha Ganser (Vince)
Bildergalerie von “Das Grauen auf Schloss Witley”
Was hältst du von dem Film?
Zur Filmdiskussion bei Liquid-Love
Copyright aller Filmbilder/Label: Wicked Vision / MGM__FSK Freigabe: FSK16__Geschnitten: Nein__Blu Ray/DVD: Ja / Ja |