Originaltitel: Dungeons & Dragons__Herstellungsland: USA/Kanada/Tschechische Republik__Erscheinungsjahr: 2000__Regie: Courtney Solomon__Produktion: Joel Silver u.a.__Darsteller: Justin Whalin, Zoe McLellan, Marlon Wayans, Jeremy Irons, Bruce Payne, Thora Birch, Lee Arenberg, Kristen Wilson, Robert Miano, Tomas Havrlik, Edward Jewesbury u.a. |
Innerhalb von Jahresfrist setzte New Line Cinema gleich zwei der heißesten Fantasy-Properties aller Zeiten filmisch um: 2000 das Pen-and-Paper-Rollenspiel „Dungeons and Dragons“, das bereits unzählige Ableger in unterschiedlichen Medien nach sich zog, 2001 den ersten „Herr der Ringe“-Roman. Wurde die Tolkien-Saga zu einem modernen Klassiker, so ging „Dungeons & Dragons“ bei Kritik und Kasse baden.
Das mag auch daran gelegen haben, dass man mit Courtney Solomon („Getaway“) jemanden auf den Regiestuhl setzte, der zwar aus der Rollenspielbranche kam, aber hier sein Regiedebüt gab, während man für das Drehbuch das fast komplett unbekannte Duo aus Topper Lilien und Carroll Cartwright heranholte. Was diese dann erschaffen, hat zwar ein paar eigene Ideen, ist sonst aber größtenteils aus dem Fantasy-Setzbaukasten zusammengestoppelt. Wieder einmal greift ein böser Magier, hier: Profion (Jeremy Irons), nach der Macht, wieder einmal steht eine junge, gerechte Königin, hier: Savina (Thora Birch), im Visier seiner Intrige, wieder soll ein magisches Artefakt, hier: das rote Drachenzepter, den erfolgreichen Umsturz garantieren, denn es gibt Profion besondere Macht, hier: die Kontrolle über die roten Drachen.
Da Könige und Chefmagier solche Abenteuer selten höchstselbst beschreiten, muss noch das richtige Fußvolk eingeführt werden. Hier sind es die Diebe Ridley Freeborn (Justin Whalin) und Snails (Marlon Wayans), die ausgerechnet dann in die Unsichtbare Universität, ähhh, die Magierschule einbrechen, als Profions rechte Hand Damodar (Bruce Payne) gerade eine Schriftrolle an sich reißen will, die den Weg zum Drachenzepter zeigt. Die Diebe entkommen mit der Beute, haben noch die Jungmagierin Marina Pretensa (Zoe McLellan) im Schlepptau und lesen dabei noch den rauflistigen Zwerg Elwood Gutworthy (Lee Arenberg) auf. Damit hätte man eine Truppe, die einen Großteil der D&D-Charakterklassen abdeckt, schon mal komplett, wobei man sich bei diversen Nachnamen fragt, ob das wirklich der Ernst der Autoren war.
Weil die Diebe sich große Schätze versprechen, suchen sie mit ihren neuen Freunden nach dem Zielort auf der Karte, für dessen Erreichen sie allerdings einige Prüfungen bestehen müssen. Damodar spürt ihnen derweil mit seinen Truppen nach, während Savina ihnen die Elfen-Fährtensucherin Norda (Kristen Wilson) hinterherschickt…
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Wenn es einen interessanten Aspekt an „Dungeons & Dragons“ gibt, dann ist dieser ausgerechnet in der Exposition verborgen. Denn die Gesellschaftsschilderungen mit einer Magier-Elite, die ihre Pfründe verteidigt und deren Akademie das Äquivalent zu einer Elite-Uni ist, gehen über den Fantasystandard hinaus und imaginieren einen Alltag, der fast schon moderne Züge. Auch die demokratischen Gedanken einer gleichberechtigten Republik, in der die Stimme des einfachen Bürgers genauso viel zählt wie je eines Magiers, sind nicht nur im Kontext des Films revolutionär (entsprechende Pläne der Königin bringen Profion besonders gegen sie auf), sondern bringen einen Hauch Aufklärung ins sonst klar dem Mittelalter und der Antike verhafteten Fantasy-Genre.
Dummerweise sind solche Ansätze schnell null und nichtig, denn das, was die Autoren daraus machen, ist Fantasy-Malen-nach-Zahlen, das auch die B-Riege um „Deathstalker“ und Co. nicht einfallsärmer hinwurschtelt. Jeder neue Quest bringt einen neuen Hinweis, im Helden schlummern verborgene Kräfte, wobei man angesichts seiner Magier-Abneigung unschwer erraten kann, welche Überraschung das Schicksal wohl für ihn parat hält. Natürlich nähern sich der wackere Jungheld und die fesche Magierin an, während Snails mit der Fährtensucherin flirtet, die natürlich irgendwann auch zur Gruppe stößt (die hat ja noch keinen Elfen in der Mitte). Nur der Zwerg guckt amourös in die Röhre, aber dem ist ja Raufen und Saufen schon genug Vergnügen. Dass Elwood für einen Zwerg eigentlich zu groß ist, scheint niemanden aufzufallen. Allerdings ist der Großteil der Gefährten eh nur da, damit sich ein paar Leute mehr in der Schlachtszenen prügeln, wirkliche Plotfunktionen haben sie kaum, sodass die meiste Arbeit an Ridley hängenbleibt. Dementsprechend egal bleibt der Haufen dann auch, sodass noch nicht einmal ein überraschender Todesfall zu Beginn des letzten Drittels wirklich Nachhall hat – zumal das Ende des Films diese Wende sowieso mehr oder weniger negiert.
Trotz der Unterstützung durch den damals schwer erfolgreichen Produzenten Joel Silver („Suburbicon“) und seine Firma Silver Pictures stellte man dem Team nur rund die Hälfte des Budgets zur Verfügung, mit welchem New Line „Der Herr der Ringe – Die Gefährten“ ein Jahr später ausstattete. Doch angesichts des Films fragt man sich manchmal schon, worein genau rund 45 Millionen Dollar versenkt wurden. Ausstattung und Kostüme gehen meist in Ordnung, doch in Sachen CGI-Tricks ist „Dungeons & Dragons“ mehr als durchwachsen – gerade die finale Drachenschlacht könnte beinahe aus einem zeitgenössischen PC-Spiel stammen, was schon etwas peinlich ist. Vor allem angesichts der Tatsache, dass besagte Szene immerhin den Höhepunkt des Films darstellen soll, weshalb sie besonders schwer versagt.
Immerhin: Zuvor gibt es immer mal wieder gelungene Fantasy-Abenteuer-Szenen, etwa wenn Ridley in einem fallengespickten Labyrinth eine Prüfung bestehen muss oder Wemmsereien mit Schwertern und anderen Nahkampfwaffen angesagt sind. Deren Choreographie gewinnt keine Preise, liefert aber nette Schauwerte, so wie auch die Stuntcrew gute Arbeit leistet, an deren Namen man schon ablesen kann, dass große Teile des Films eher kostengünstig in Tschechien gedreht wurden. Das ist als Kulisse zwar immer noch urig und für das Sujet passend, kann jedoch nicht ganz mit der Opulenz mithalten, mit der man etwa Neuseeland in der „Der Herr der Ringe“ in Szene setzt. Leider nutzt man auch die Möglichkeiten der Vorlage kaum aus, gerade was Kreaturen angeht: Ein kurz auftauchender (ein schwebender Ball mit zig Stilaugen) ist neben Drachen schon quasi das Äußerste der Gefühle.
Ganz großes Manko des Films ist Blassbacke Justin Whalin („Warhammer – Der finale Krieg“), der als Held eine derartige Nullnummer ist, dass man den Schurken den Sieg fast schon gönnt. Als ausdrucksarmes Milchbrötchen torkelt er durch die Szene, neben sich Zoe McLellan („Designated Survivor“), deren Regieanweisung wohl lautete immer niedlich auszusehen und ansonsten bitte keinen Deut mehr zu machen. Thora Birch, damals nach „American Beauty“ kurz als aufstrebende Nachwuchshoffnung gehandelt, muss derweil peinliche Kostüme spazieren tragen und bekommt kaum mehr zu tun, während Marlon Wayans („G.I. Joe“) den üblichen Sprücheklopfer-Sidekick gibt, dem man natürlich alle, aber wirklich alle entsprechenden Klischees der schwarzen Labertasche mit auf den Weg gab. Lee Arenberg („Mojave Moon“) und Kristen Wilson („Bulletproof – Kugelsicher“) kommen nie so recht im Film an, weshalb nur die beiden Bösewichte den Karren ansatzweise aus dem Dreck ziehen. Bruce Payne („Re-Kill“) sieht mit seinen blau geschminkten Lippen etwas albern aus, hat aber immer noch genug schurkisches Charisma, während Jeremy Irons („Justice League“) gelegentlich ins Overacting verfällt, aber als Gift und Galle speiender Zauberschurke immer noch eine Schau ist. Als lernfähig erwies er sich freilich nicht, denn sechs Jahre später spielte er in „Eragon“ eine sehr ähnliche Rolle – noch so eine Fantasy-Totgeburt aus dem Setzbaukasten, die von Publikum und Kritik abgestraft wurde.
So ist „Dungeons & Dragons“ ein eher unrühmliches Lizenzprodukt der weltbekannten Vorlage, dem man die Probleme bei Regie, Effekten und Hauptrollen fast durchweg ansieht. Die Schilderung des Fantasy-Alltags zu Beginn ist immerhin reizvoll, diverse Actionszenen können sich sehen lassen (nur ausgerechnet der Showdown nicht) ebenso wie die Ausstattung, aber angesichts des eher mäßigen Resultats wundert man sich nicht, dass New Line Cinema die Pläne einer Trilogie danach ad acta legte. Nur zwei späte Direct-to-video-Sequels spendierte man diesem Flop in den Jahren 2005 und 2012 noch.
„Dungeons & Dragons“ erschien hierzulande ungekürzt 12 Jahren. Während der Film in den Augen vieler Zuschauer und Kritiker zu wünschen übrig lässt, so lässt die Ausstattung der DVDs, die beide Helkon/Columbia Tristar erschienen, und den späteren Blu-Ray-Auflagen (erst bei Ascot Elite, spätere Neuauflage von EuroVideo/Planet Media), keine Wünsche offen: Es gibt zwei Audiokommentare, entfallene Szenen, ein alternatives Ende, Making Ofs und vieles mehr auf den Scheiben zu bewundern.
© Nils Bothmann (McClane)
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