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Wild Palms

Originaltitel: Wild Palms__Herstellungsland: USA__Erscheinungsjahr: 1993__Creator: Bruce Wagner__Regie: Kathryn Bigelow, Phil Joanou, Keith Gordon, Peter Hewitt__Darsteller: Jim Belushi, Dana Delany, Robert Loggia, Kim Cattrall, Angie Dickinson, Ernie Hudson, Bebe Neuwirth, Nick Mancuso, Charles Hallahan, Robert Morse, David Warner, Ben Savage, Bob Gunton, Brad Dourif, William Gibson, Oliver Stone u.a.
Wild Palms

Kathryn Bigelow war eine Regisseurin, die an der Miniserie “Wild Palms” beteiligt war

Bruce Wagner hatte im Horrorbereich als Schauspieler („I, Madman“, „Shocker“) und Drehbuchautor („Nightmare on Elm Street 3“) in den 1980ern seine Sporen verdient, schuf dann allerdings mit „Wild Palms“ erst einen Comicstrip und später eine darauf basierende Mini-Serie aus dem Bereich der gehobeneren Phantastik, die aber wohl nicht zufällig nach dem „Twin Peaks“-Hype auf Sendung geschickt wurde.

Auch hier geht es um den gepflegten Mindfuck kriminalistischer Natur. Im Mittelpunkt steht der Patentanwalt Harry Wyckoff (Jim Belushi), erfolgreich im Job im Jahr 2007, glücklich verheiratet mit Boutique-Betreiberin Grace (Dana Delany), in deren Laden sich auch schon mal ein Star wie Tabba Schwartzkopf (Bebe Neuwirth) verirrt, Vater zweier Kinder. Doch im Hinterkopf plagen ihn seltsame Träume von einem Nashorn. Als dann noch seine alte Flamme Paige Katz (Kim Cattrall) auftaucht und ihn bittet nach ihrem verschwundenen Sohn zu suchen, begibt sich Harry auf eine ausgefallene (Sinn-)Suche. Dabei stößt er auf den Senator Anton Kreutzer (Robert Loggia), der zum einen das dreidimensionale Fernsehen der Zukunft erfindet, zum anderen nach der Präsidentschaft greift. Außerdem gibt es einen Krieg um Macht und Medienbeeinflussung zwischen den Fraktionen der Väter und der Freunde, wie sich die beiden Organisationen nennen, und in genau diesen wird Harry hineingezogen.

Trotz seiner Science-Fiction-Elemente weist „Wild Palms“ Parallelen zu „Twin Peaks“ auf. Das ist zum einen die starke Noir-Komponente, spätestens dann erkennbar, wenn Paige wie eine Femme Fatale auftaucht und Harry als Quasi-Privatdetektiv in einem rätselhaften Intrigengewirr ermitteln lässt. Da ist die Neo-Noir-Inszenierung, die das Ganze unterstreicht. Und dann ist noch die unwirkliche, abgefahrene Stimmung, in der einzelne Figuren nicht immer handeln und reden wie man es von Menschen gewohnt ist. Zum mehr oder weniger schrägen Ensemble gehören neben den Wyckoffs, Paige, Anton und Tabba unter anderem der exzentrische Maler Tully Woiwode (Nick Mancuso), Harrys Kumpel Tommy Lazlo (Ernie Hudson), der später von einer den Geist verändernden Cyberdroge abhängig wird, und der im Irrenhaus eingesperrte Erfinder Chickie Levitt (Brad Dourif). Fast jede Figur gehört zu einer der beiden im Krieg befindlichen Fraktionen, wie sich nach und nach herausstellt – wer zwischen den Fronten steht, der gerät schnell unter die Räder.

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Das Thema der virtuellen Realität, die auch zur Droge werden kann, könnte auch Kathryn Bigelow für ihren kurz darauf gedrehten, thematisch verwandten „Strange Days“ inspiriert haben. Sie führte hier bei einer der fünf Episoden Regie, auch wenn man ihren Stil selten merkt – allenfalls bei einer gewohnt dynamisch inszenierten Schießerei am Ende besagter Episode. Die anderen haben Phil Joanou („Spiel auf Bewährung“), Peter Hewitt („Bill & Teds verrückte Reise in die Zukunft“) und Keith Gordon („The Singing Detective“) inszeniert, doch stilistisch ist „Wild Palms“ schon recht einheitlich, sodass man keine individuelle Handschrift erkennen kann. Aber das ist bei Fernsehserien ja durchaus üblich.

Das Ensemble gruppiert sich um Jim Belushi („Jumpin‘ Jack Flash“), die hier (wie in der Folgezeit öfter) beweist, dass er mehr kann als nur Comedy und den Noir-Helden, der bald an seinem Verstand und der Welt zweifelt, sehr überzeugend gibt. Kim Cattrall („Big Trouble in Little China“) ist recht gut als schwer durchschaubare Ex-Flamme, deren Loyalitäten man lange Zeit nicht einschätzen kann, Dana Delany („Tombstone“) etwas schwächer, was aber auch an der Rolle der braven Ehefrau liegt, die irgendwie immer zwei Schritte hinterher ist, während der Rest der Welt fast nur aus Halsabschneidern besteht. Vor allem aber glänzen die fiesen Charaktere: Angie Dickinson („Dressed to Kill“) als Superbitch von Mutter, Robert Loggia („Over the Top“) als eiskalter Karrierist und Ben Savage („Chuck“) als creepy Sohnemann Coty. Tolles gibt es von Ernie Hudson („Flucht aus Absolom“), Bob Gunton („Get the Gringo“) und Brad Dourif („Wildling“), während Nick Mancuso („Alarmstufe: Rot“) eher solala ist – der Mann hat schon Besseres geleistet.

Doch neben dieser Besetzung mit vielen bekannten Gesichtern (größtenteils aus Hollywoods zweiter Reihe) sind es vor allem die ersten Episoden von „Wild Palms“, die Reiz haben: Bruce Wagner baut eine interessante Zukunftsvision auf, deren surrealer Ton dafür sorgt, dass man nie genau weiß, was nun Realität, Vision oder Einbildung ist, vor allem wenn noch virtuelle Realitäten und 3D-Hologramm-Fernsehen dazukommen. Leider fällt Wagner beim Aufbau seines Szenarios mehr ein als bei dessen Auflösung: Irgendwann wirkt „Wild Palms“ nicht mehr clever strukturiert, sondern in erster Linie konfus, nur noch an der Rätselhaftigkeit um ihrer selbst willen interessiert, was die letzten zwei Folgen leider immer mehr zur Quälerei werden lässt. Noch dazu liegt hier dramaturgisch einiges im Argen: Gern schwelgt „Wild Palms“ in Einzelmomenten und Symbolen, sei es das nicht nur metaphorisch so zu bezeichnende Untergrundnetzwerk, das seine Eingänge in Swimming Pools versteckt, sei es die Tiersymbolik des Ganzen. Hier sind nicht die Eulen nicht was sie scheinen, sondern die Nashörner, die man im Dialog manchmal mit Einhörnern einsetzt. Allerdings wird jene anfangs so groß angeteaserte Symbolik bald fallengelassen. Andere wichtige Ereignisse werden nur kurz gezeigt oder sogar gar nicht, stattdessen bloß in einem Nebensatz erwähnt, was angesichts der nahezu verschwenderischen Schwelgerei in anderen banalen Einzelmomenten schon eine kuriose Entscheidung ist.

Nun mag man dem entgegensetzen, dass auch das Vorbild „Twin Peaks“ nicht immer um Logik und Kontinuität bemüht war, dass der eigentliche Krimiplot bald hinter der Faszination für Stadt und Bewohner verschwand. Aber genau darin liegt der Unterschied zu „Wild Palms“: Die Figuren sind zwar teilweise ähnlich freaky wie in der Serie von Mark Frost und David Lynch, aber bestenfalls halb so interessant, manchmal sogar regelrecht egal, auch wenn es gleich mehrere von ihnen dahinrafft, was aber selten einen emotionalen Einfluss auf den Zuschauer. Was der Go-Chip ist, hinter dem alle herjagen, fragt sich der Zuschauer auch nicht, ebenso wenig nach der Bedeutung von Parallelen und Anspielungen (so erinnert die Gruppierung der Väter an Sekten wie Scientology, mit Anton als deren L. Ron Hubbard) in diesem Werk. Vielleicht liegt es auch daran, dass sich „Twin Peaks“ in seinen 30 Episoden wesentlich tiefer und langsamer entwickeln konnte als „Wild Palms“ in seinen rund 260 Minuten, doch auch das hätte den Machern klar sein sollen.

So ist „Wild Palms“ dann unterm Strich ein Fall von „Interessant gescheitert“. Der Mix aus Familiendrama, Noir-Krimi und technikkritischer Science-Fiction-Satire ist stark besetzt, hat immer wieder einprägsame Momente und ist vor allem anfangs recht faszinierend, kann dieses Level aber nicht halten. Zu egal sind die Figuren, zu wenig ist die Miniserie an Kohärenz oder der Auflösung der von ihr gestellten Fragen interessiert, sodass wiederum das Interesse des Zuschauers mit jeder Folge immer weiter absinkt.

In Deutschland kam „Wild Palms“ erst im Fernsehen und wurde später in zwei Teilen von Warner auf VHS veröffentlicht, freigegeben ab 16. Eine DVD der Serie gibt es beispielsweise in Großbritannien von Freemantle Media. Dort sind die fünf Episoden auf ein Set mit zwei DVDs verteilt, von der BBFC ab 15 Jahren freigegeben worden und bieten keinerlei Extras.

© Nils Bothmann (McClane)

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