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Der Wildeste von allen

Originaltitel: Gekitotsu! Satsujin ken__Herstellungsland: Japan__Erscheinungsjahr: 1974__Regie: Shigehiro Ozawa__Darsteller: Sonny Chiba, Waichi Yamada, Goichi Yamada, Yutaka Nakajima, Teijo Shikeharo, King Stone, Masashi Ishibashi, Akira Shioji, Osman Yusuf u.a.
Der Wildeste von allen

“Der Wildeste von allen” machte Sonny Chiba zum Martial-Arts-Actionstar

Was Bruce Lee für den Martial-Arts-Film chinesischer bzw. Hongkong-Bauart war, das war – in kleinerem Stil – Sonny Chiba für das japanische Pendant. Der prägende Kampfkunststar der 1970er, mit internationaler Bekanntheit, die in Chibas Falle auf keinem Film so sehr fußt wie auf „Der Wildeste von allen“, international bekannt als „The Street Fighter“.

Die japanischen Kampfkunstfilme und die Hongkong-Klopper liefern gern in den Grindhouses und den Bahnhofskinos, zusammen mit den Italowestern, an deren Helden- bzw. Antiheldentypus sich auch „Der Wildeste von allen“ orientiert: Denn Karatekämpfer Takuma ‘Terry‘ Tsurugi (Sonny Chiba) ist kein strahlender Held, sondern ein Mietschläger, der erst den Gangsterboss Tateki Shikenbaru (Masashi Ishibashi) vor Vollstreckung des Todesurteils aus dem Knast befreit, aber ungehalten wird, als dessen Bruder und Schwester nicht zahlen können. Er bietet unverblümt an, dass die Schwester das Geld ja durch Anschaffen abzahlen könne, es kommt daraufhin zum Kampf, bei welchem der Bruder stirbt, danach wird die Schwester an den nächsten Puff verkauft, womit Terry eigentlich eher als riesengroßes Arschloch dasteht, was den Einstieg in den Film nicht unbedingt erleichtert.

Aber irgendwo stecken noch die Reste von Ehre und Wertekodex, die das japanische Genrekino, vor allem den Samuraifilm, ausgezeichnen, doch noch in Terry, sodass er zumindest den neuesten Auftrag ablehnt, den ihm ein Syndikat aus Yakuza und Triaden anträgt: Er soll Sarai Chuayut (Yutaka Nakajima), die Tochter eines verstorbenen Ölbarons kidnappen, nachdem diese dessen riesiges Vermögen geerbt hat. Da die Schurken aber zu böse sind und Terry Respekt vor Sarais Onkel Kendo Masaoka (Masafumi Suzuki) hat, einem Karatemeister, lehnt er ab und landet damit auf der Abschussliste. Mächtig großer Fehler, wie der erfahrene Action- und Westerngucker weiß: Denn dadurch, dass die Schurken ihn ermorden wollen, wird Terry erst ermutigt sich einzumischen.

Also sucht er Kendo in dessen Dojo auf, macht erst einmal richtig Stress und trägt nach einem Duell sein Anliegen und sein Wissen vor. Beeindruckt von der Demonstration seiner Kampfkünste erwählen Kendo und seine Leute Terry zu Sarais Beschützer, den sie bald gut brauchen kann…

httpv://www.youtube.com/watch?v=lhbLwpQAGns

„Der Wildeste von allen“ hat eine große Fangemeinde unter Freunden des Kampfkunstfilms gefunden und sicherlich bietet Chibas Durchbruchsfilm einige harte Kloppereien, denen Fans allerdings irrigerweise das Adjektiv „realistisch“ andichten. Sicher, auf die tänzerischen oder klar choreographierten Fights mancher Kung-Fu-Filme verzichtet „Der Wildeste von allen“, doch die Darstellung orientiert sich sehr an klassischen Karate-Matches. Also warten die Gegner immer brav bis Terry seine Schlagvorbereitung unter Geschnaufe und Gesichtskirmes deluxe vollendet hat, ehe sie angreifen. Und die Finishes sind brutal bis splattrig, inklusive eingeschlagener Schädel, rausgerissener Genitalien und eingedrückter Augen, was schon ein Schauwert an sich ist, aber alles andere als realistisch. Doch vom Realismus einmal abgesehen: Die Kämpfe haben schon ihre rohe Kraft, sofern man das Karate-Setting und Chibas etwas unfreiwillig komisches Gehabe beim Kloppen verschmerzen kann, und kommen in regelmäßiger Form im Film vor, wenn sich Terry durch Gangsterspelunken und andere Schurkentreffpunkte prügelt, bis zum stimmigen Finale auf einem Öltanker.

Mit Blick auf das etwas alberne anmutende Gehabe von Sonny Chiba („Resort to Kill“) bei den Fights kann man anmerken, dass er – zumindest in „Der Wildeste von allen“ – einer von den Actionstars ist, die außerhalb der Action eine überzeugendere Figur machen als innerhalb. Denn Chiba hat Charisma, macht aus dem anfangs schwer erträglichen Arschloch Terry irgendwann doch noch einen Antihelden mit Wertekodex und roher Ausstrahlung, die seinen Starstatus erklärt. Da wird der Rest zu besserem Statistentum verdammt, sei es Yutaka Nakajima („The Executioner“) als zu rettende Erbin, Goichi Yamada („Matagi, der Bärenjäger“) als Terrys leicht komödiantischer Sidekick oder die Schurkenbrigade.

Darin liegt auch ein Problem von „Der Wildeste von allen“: Der Film hat so viele Schurkenfiguren, alle dreckig und verabscheuenswert, dass sich kaum ein wirklicher Hauptgegner herausschälen kann, auch wenn es ein paar mit mehr Profil und illustrem Kampfgebaren gibt. Der anfängliche Plotstrang um den befreiten Gangsterboss wird mit dem Mainplot verbunden, worüber sich allerdings wohl nur Terry wundert: Denn wenn er den befreiten Tateki bei den Triaden unterbringt und diese mit seinen Yakuza-Gegnern kooperieren, dann ist es ja fast schon zwingend, dass er irgendwann wieder auf Tateki trifft. Aber mit dem Plot ist es bei „Der Wildeste von allen“ eh nicht weit her, der im späteren Verlauf immer mehr zu einer Abfolge von neuen Konfrontationen wird, deren Schlagzahl man auch auf formeller Ebene beschleunigt: Terry räumt irgendwo auf, es folgt ein Schnitt, dann ist man schon bei der nächsten Location, an der Terry auftauchen und seinen Gegnern zeigen wird, wo der Frosch die Locken hat.

Inszenatorisch ist „Der Wildeste von allen“ eh nicht der filigranste aller Filme. Regisseur Shigehiro Ozawa („Sonny Chiba – Der unerbittliche Vollstrecker“) liefert bodenständiges Handwerk, ohne große Schnitzer, aber auch ohne große Inspiration oder wegweisende Ideen, sieht man vielleicht mal von einer Szene ab, in der Terry einen Schädel zertrümmert und der Film auf eine Art Röntgenansicht des Fieslingskopfes schaltet, damit man das Ganze bewundern kann. Mehr als 25 Jahre später griff „Romeo Must Die“ diese Idee mit modernerer Tricktechnik noch einmal auf, aber vielleicht hat sich Andrzej Bartkowiak ja von diesem Grindhouse-Klassiker dabei inspirieren lassen.

Wie schon bei manchem Bruce-Lee-Werk gilt wohl auch bei Sonny Chiba, dass der Star größer ist als der Film, in dem er mitspielte. „Der Wildeste von allen“ liefert schon recht deftige Karate-Action mit hohem Blutzoll, einem charismatischen Hauptdarsteller und illustrer Fieslingsschar ab, ist aber wenig einfallsreich erzählt, hausbacken gefilmt und irritiert mit seinem teilweise extrem arschigen Protagonisten (der nicht ganz das Charisma mancher artverwandter Italowestern-Antihelden erreicht) und Sonny Chibas Jaul- und Gesichtskirmes in den Kampfszenen. Durchaus gelungen, aber nicht ohne klare Schwächen.

Nachdem es „Der Wildeste von allen“ ursprünglich nur im Kino und dort gekürzt gab, schaffte Anolis im DVD-Zeitalter mit einer ungeprüften, ungekürzten DVD Abhilfe. Das Bonusmaterial umfasst Trailer, eine Bildergallerie und Werbematerial für den Film.

© Nils Bothmann (McClane)

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