Originaltitel: Boulevard__ Herstellungsland: Kanada__ Erscheinungsjahr: 1994__ Regie: Penelope Buitenhuis__ Darsteller: Kari Wuhrer, Rae Dawn Chong, Lou Diamond Phillips, Lance Henriksen, Joel Bissonnette, Judith Scott, Amber Lea Weston, Greg Campbell, … |
httpv://www.youtube.com/watch?v=xRCo7mWMQ2c
Bei der hierzulande unter dem Titel “Heißer Asphalt” veröffentlichten kanadischen Low-Budget-Produktion “Boulevard” handelt es sich um ein düsteres Straßenstrich-Drama aus dem Jahr 1994, das in mehrerlei Hinsicht markante “feministische Züge” trägt: Ein unverkennbares Resultat der Gegebenheit, dass die Vorlage aus der Feder einer Drehbuchautorin stammt sowie eine für ihre “Beherztheit” bekannte Regisseurin die Umsetzung bzw. Verwirklichung des Projekts übernommen und vorangetrieben hatte. Obgleich ambitioniert angegangen sowie auf “ungeschönten Realismus” bedacht, entpuppt sich das Werk mit fortschreitender Spieldauer jedoch zunehmend als eine recht “unebene” Angelegenheit, die einen am Ende nicht wirklich zufrieden gestellt sowie mit einem relativ zwiespältigen, fast schon unangenehmen “Beigeschmack” in den Abspann entlässt…
Eröffnet wird damit, dass Jennefer (Kari Wuhrer) – eine junge Frau aus der Provinz – unmittelbar nachdem sie ein gesundes Mädchen zur Welt gebracht hat, eben jenes schweren Herzens zur Adoption freigibt. Es ist nämlich so, dass der Vater – ihr aktueller Lebensgefährte J-Rod (Joel Bissonnette) – ein ungemein gewalttätiger Zeitgenosse ist, vor dem sie das unschuldige kleine Wesen zu beschützen gedenkt. Nicht nur aufgrund der “aussagekräftigen Spuren” an ihrem Körper ist sie sich über seine Reaktion sowie allen zu erwartenden Konsequenzen unmissverständlich im Klaren, sollte er von ihrer Entscheidung erfahren – weshalb sie sich sogleich im Anschluss mit ihrem letzten (heimlich angesparten) Geld ein Busticket nach Toronto kauft. Dort erhofft sie sich, einen Arbeitsplatz zu finden und sich auf diese Weise eine “geregelte Existenz” aufzubauen – denn nur innerhalb von 90 Tagen ist es ihr möglich, die Adoption rückgängig zu machen sowie ihr Kind fortan selbst aufziehen zu können…
In der winterlichen Metropole eingetroffen – mittellos und ohne “Zuflucht” – sieht sich Jennefer unweigerlich dazu gezwungen, die Nacht in einem Hauseingang zu verbringen. Im Zuge dessen dauert es nicht lange, bis der Zuhälter Hassan (Lou Diamond Phillips) auf sie aufmerksam wird sowie im Gespräch rasch dazu übergeht, sie als “lukrativen Neuzugang” für sich bzw. seinen “Stall” gewinnen zu wollen. Bevor es dazu jedoch kommen kann, nimmt die “eigenständig” arbeitende Prostituierte Ola (Rae Dawn Chong) die hungrige und unterkühlte Obdachlose stattdessen bei sich in ihrer Wohnung auf – u.a. weil sie genau weiß, wie Hassan “seine Mädchen” im Allgemeinen so behandelt…
Im Folgenden entwickelt sich eine innige, beiden merklich wohltuende Freundschaft zwischen ihnen – nur sind vernünftige Jobs rar, suchen Jennefer wiederkehrend schreckliche Erinnerungen heim und sind drei Monate fürs Sicherstellen eines “stabilen Fundament” sehr knapp. Angesichts der Aussicht auf “schnelles Geld” beginnt sie daher schon bald, selbst anschaffen zu gehen: Eine riskante, sie belastende, zugleich aber auch “abhärtende” Entscheidung. Die ohnehin angespannte Lage im Milieu spitzt sich gar noch weiter zu, als Ola dabei Zeuge wird, wie Hassan eine ihrer Kolleginnen tötet, deren “Fluchtversuch” zuvor gescheitert war. Zwar weigert sie sich, ihn per Aussage zu belasten – bloß glaubt jener dennoch fest daran, sie hätte ihn verraten. Spätestens als ihn der Cop McClaren (Lance Henriksen) verhaftet und für einige Tage inhaftiert, bringt Olga das in akute Lebensgefahr. Zu allem Überfluss gelingt es J-Rod – der Jennefer bis dato fieberhaft (und wutentbrannt) nachgeforscht hatte – just dann, sie vor Ort aufzuspüren…
“Heißer Asphalt” profitiert einträglich von seinem “nüchtern-bodenständigen” Inszenierungsstil, der frei von “Hochglanz” oder “Kamera-Mätzchen” daherkommt und dem Streifen auf diese Weise optisch eine zu der bedrückenden Materie passende “realistisch-kühle Atmosphäre” verleiht. Zum Teil wird dies mit Sicherheit eine (insgesamt positiv zu wertende) “Begleiterscheinung” der geringen Budgethöhe sein, die den Verantwortlichen damals nur zur Verfügung stand – aber auch unabhängig dessen bewies Regisseurin Penelope Buitenhuis ein gutes Gespür dafür, das “raue Feeling” des betreffenden urbanen Umfelds “authentisch” anmutend einzufangen. Aufgewachsen in Kanada, zog Buitenhuis nach ihrem Studium einst erst einmal nach Europa – wo sie u.a. in Berlin lebte und dort einige Shorts, eine TV-Produktion über den Fall der Mauer sowie ihr 1993er Spielfilmdebüt “Trouble” (eine Beleuchtung der musikalischen Punk-Szene der deutschen Hauptstadt) realisierte. Angesichts dieser Vorerfahrungen erwies sich ihre Verpflichtung als eine ersprießliche Wahl für ein Projekt in der Art des hier vorliegenden…
Dem Publikum wird ein Einblick in den Alltag einiger “Working Girls” offeriert, der im Ganzen allerdings einen eher flüchtigen wie oberflächlichen Eindruck hinterlässt: Der von Newcomerin Andrea Wilde verfassten Geschichte mangelt es schlichtweg an “Tiefe” und “emotionaler Intensität”. Grob gestrickte Ereignisfolgen und gängige Klischees überschatten die sensibleren dramatischen Elemente der Story in konstanter Regelmäßigkeit – weshalb es einem schwer fällt, eine echte “Connection” zu den präsentierten Geschehnissen (inklusive der involvierten Personen) aufzubauen bzw. herzustellen. Vertreter des männlichen Geschlechts werden nahezu ausnahmslos negativ portraitiert: U.a. wurde Jennefer früher von ihrem streng religiösen Vater “gezüchtigt”, hat J-Rod sie physisch wie psychisch erniedrigt und misshandelt und sind die in Erscheinung tretenden Freier allesamt merkwürdige bis abstoßende Gestalten. Bei ihrer Arbeit werden die Frauen des Öfteren beleidigt, gedemütigt, überfallen, verletzt sowie vereinzelt gar getötet – die Zuhälter sind gefährlich: Schlagen sie, beuten sie aus, geben ihnen Drogen und erhöhen so zusätzlich ihre Abhängigkeit von ihnen. Wie heißt noch gleich eine der offiziellen Taglines? “On the Boulevard, Survival is the Rule!”
Den leider arg stereotyp geratenen Part des exzentrischen, aggressiv-sadistischen, gelegentlich hinterhältig-charmanten “Pimps” Hassan verkörpert Lou Diamond Phillips (“the Big Hit“) immerhin überzeugend: Tendenziell “over the Top” sowie mit sichtlicher Freude daran, “verächtlich” aufzutreten. Hassan unterdrückt “seine Ladies” vehement – knüpft ihnen 75% ihres Verdienstes ab, behandelt sie mies und kennt kein Erbarmen, wenn es ums Geschäft geht: Einer “Aussteige-Willigen” zerschneidet er bspw. das Gesicht – was jene nicht überlebt. Er ist keiner dieser im “Hip-Hop-Umfeld” gern mal glorifizierten Zuhälter – sondern ein unsympathischer, kaltblütiger sowie nur auf den eigenen Profit und Vorteil ausgerichteter Widerling. Ähnlich effektiv mimt Joel Bissonnette (“Darkman 3“) Jennefer´s “Ex” – wobei seine Rolle jedoch noch kleiner und schlichter ausgefallen ist, weshalb sie nichts weiter als ihren (simplen) “Zweck” erfüllt. Derweil ist der stets verlässliche Lance Henriksen (“Survival Quest“) als Milieu-kundiger Cop McClaren mit von der Partie: Seines Zeichens der einzige “gute Mann” der Handlung, taucht er überwiegend am Rande des Geschehens auf – trägt aber gerade zum Schluss hin nicht unerheblich zur Eskalation der Lage bei …
In der Hauptrolle stellt Kari Wuhrer (“Backflash 2“) indes eine der besten Performances ihrer Karriere zur Schau: Sie überzeugt als unter Angst-Psychosen leidende sowie von quälenden Erinnerungen heimgesuchte Jennefer in angrenzend allen Belangen. Man fühlt mit ihr – selbst wenn man einige ihrer Entscheidungen nur schwer nachvollziehen kann. Ihr zur Seite steht Rae Dawn Chong (“Commando“), welche einen ähnlichen Part bereits in Abel Ferrara´s “Fear City” gespielt hat und deren Leistung mit der Wuhrers weitestgehend auf einer Höhe ist: Ola geht “für sich allein” anschaffen, was wiederholt zu Konflikten zwischen ihr und Hassan führt – erst recht als Jennefer zu einem “brisanten Faktor” innerhalb dieser Konstellation wird. Inmitten dieser “eisig-brutalen Umgebung” finden die beiden Frauen “menschliche Wärme” und “ehrliche Zuneigung” – wonach sie sich jeweils lange gesehnt hatten: Zarte Gefühle erkeimen, die (nachvollziehbar) bestimmte Bedürfnisse befriedigen – selbst wenn diese wahrscheinlich bloß “auf den Moment beschränkt” sind; also ohne einer echten Perspektive. Es ist in dieser Phase, dass die eigentlich ja zentrale Bestrebung Jennefers, sich eine “bessere Zukunft” aufzubauen, ein Stück weit zu sehr vernachlässigt wird: Erst spät wird erneut stärker darauf eingegangen – während ihr Kind zuvor (samt der ablaufenden Frist) kaum noch Erwähnung gefunden hat…
Selbst nach mehrmaligem Sichten bin ich mir noch immer nicht wirklich sicher, welche Art Film bzw. welches “Statement” Wilde und Buitenhuis letzten Endes wirklich abliefern wollten: Was als ein einigermaßen bewegendes Drama beginnt, entwickelt sich zügig zu einer oberflächlichen, Klischee-reichen Milieustudie, deren “Integrität” im finalen Akt von einer immer prominenter in den Vordergrund rückenden feministischen Exploitation- und Selbstjustiz-Ausrichtung “untergraben” wird. Die sensibleren und anspruchsvolleren Elemente der Geschichte – wie die Auswirkungen von Misshandlungen oder die natürliche Sehnsucht nach Liebe und Geborgenheit – stehen im Kontrast zu diversen Gewaltausbrüchen sowie (vor allem) der speziell in diesem Kontext unvorteilhaft befremdlich “grob” anmutenden Präsentationsweise verschiedener Gegebenheiten – á la überraschend freizügige Sex-Szenen, eine irritierend hohe Anzahl unnötiger Dusch-Sequenzen sowie ungemütliche “veranschaulichte Befürchtungen” Jennefers. Die Kombination wirkt nicht sonderlich gut passend: Lässt u.a. das nötige “Feingefühl” vermissen (Prostitution als Mittel zur Selbstfindung?!?) und enttäuscht “unterm Strich” entsprechend merklich – gerade in Anbetracht des evidenten Ausgangspotentials der Materie…
Fazit: An sich ist “Heißer Asphalt” kein schlechter Film – handwerklich und darstellerisch gibt es an ihm bspw. nichts Ernsthaftes auszusetzen – allerdings vermag einen das sich durchaus in der “Tradition” der 1984 begonnenen, ebenfalls nicht unbedingt auf Anspruch oder eine Form von “dramatischer Nachhaltigkeit” abzielenden vierteiligen “Angel”-Reihe bewegende Werk in seiner Gesamtheit (u.a. aufgrund seiner nicht ausgefeilt genug ausgearbeiteten Vorlage) nicht wirklich zufrieden zu stellen…
Hierzulande ist “Heißer Asphalt” bis heute (03/2019) weder auf DVD noch BluRay erschienen – bloß auf VHS. In Hongkong, Finnland und Holland ist er dagegen auf DVD erhältlich...
Stefan Seidl
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zur Filmdiskussion bei Liquid-Love
Copyright des “Heißer Asphalt” Covermotivs und der Screenshots der HK-DVD: Norstar Entertainment / Hollywood Film Entertainment (HK) / Goldlight, Ascot Video (D)__ Infos zur dt. VÖ:__ Freigabe: FSK-18__ DVD/BluRay/VHS: nein/nein/ja__ |