Originaltitel: KIN__Herstellungsland: USA__Erscheinungsjahr: 2018__Regie: Jonathan Baker, Josh Baker__Darsteller: Myles Truitt, Jack Reynor, James Franco, Zoë Kravitz, Dennis Quaid, Carrie Coon, Jonathan Cherry, Romano Orzari, Ian Matthews, Bree Wasylenko u.a. |
Die Zwillingsbrüder Jonathan und Josh Baker hatten sich in der Werbung mit ihren frischen Clips längst einen Namen gemacht, als sie beschlossen, ihr Glück mit Kurzfilmen zu versuchen. Aufsehen erregte vor allem ihr „Bag Man“ aus dem Jahr 2014. Der erzählte die Story eines Jungen, der mit einer gewaltigen Tasche aus den Suburbs einer amerikanischen Großstadt in die umliegende Natur aufbricht. Hier entnimmt er seiner Tasche eine futuristische Waffe, mit der er Schießübungen unternehmen will. Da tauchen auf einmal mehrere Kerle mit einem Auto auf, die einen anderen Kerl mit einem Sack über dem Kopf, den Bag Man, malträtieren. Der Junge beschließt, dem Misshandelten zu helfen. „Kin“, der erste Spielfilm der Gebrüder Baker, basiert auf diesem Kurzfilm. Erweitert ihn und seine Welt deutlich.
Eli lebt seit dem Tod seiner Adoptivmutter allein mit seinem maulfaulen, harten, aber grundanständigen Adoptivvater. Das Leben der beiden Einzelgänger wird gehörig durcheinandergewirbelt, als Jimmy wieder auftaucht. Der eigentliche Sohn von Elis Adoptiveltern saß mehrere Jahre ein. Im Knast wurde er von Vertrauten des Kleinkriminellen Taylor beschützt. Dafür will der nun Kohle sehen. Kohle, die Jimmy natürlich nicht hat und nun von seinem Vater erbitten will.
Doch der reagiert gewohnt schroff und weist seinen Sohn ab. In seiner Not plant Jimmy einen Diebeszug, bei dem er mit Taylor und dessen Gang in den Betrieb seines eigenen Vaters einsteigt. Hier eskaliert die Situation zunehmend und es sterben Menschen. Jimmy kann sich absetzen und flieht mit Eli aus der Stadt. Im Gepäck eine futuristische Waffe, die Eli Tage vorher bei einem seiner Erkundungszüge durch die Abrisshäuser der Stadt entdeckt hat.
Mithilfe der Waffe gelingen den Brüdern erfolgreiche Diebeszüge und ihr Leben scheint sich zum Besseren zu wenden. Doch der rachsüchtige Taylor ist den beiden ebenso auf der Spur wie die eigentlichen Besitzer der futuristischen Waffe.
Schaut in den retrofuturistischen “KIN” hinein
httpv://www.youtube.com/watch?v=kOCx32fs_7Q
Wie die Regisseure im Making of zum Film selbst erklären, sind sie Kinder des 80er-Kinos. Dabei lieben sie vor allem jene Filme, in denen ein einziges futuristisches Element das ganze Leben der zumeist kindlichen Helden vollkommen auf den Kopf stellt. „Starfighter“, „E.T.“ und „Der Flug des Navigators“ nennen beide als Inspiration. Und entsprechend dieser Vorbilder funktioniert auch „KIN“. Ein dankbares Feld, vor allem aufgrund der aktuellen Retrowelle, in die „KIN“ perfekt hineinpasst.
Die Geschichte selbst ist dabei ein Mix aus Road Movie und Coming of Age mit zunächst verhaltenen, im Finale dann aber offensiv durchbrechenden Science-Fiction-Elementen. Und dieses Gebräu funktioniert richtig gut. So ist der lange Road-Movie- und Coming-of-Age-Part dank des tollen Zusammenspiels von Jack Reynor („Free Fire“) und dem damaligen Filmdebütanten Myles Truitt („Dragged Across Concrete“) als Bruderpaar durchweg sehr unterhaltsam. Zusätzliche Dynamik bringt die fein aufspielende Zoë Kravitz („Mad Max: Fury Road“) als Stripperin mit Herz in das Heldengespann. Und obschon das Drehbuch niemals richtig tief in seine Charaktere eintauchen mag, wird man ordentlich in die Quest der beiden Brüder involviert.
Schade ist, dass die Verfolger der Brüder niemals so recht im Film ankommen. Das ist vor allem im Falle des geschmacklos wüst frisierten James Franco („Future World“) wirklich traurig, da der seinem Fieswicht Taylor eine hübsch seltsame Abseitigkeit mitgibt. Das Zurückhalten der Verfolger, die nur die Waffe von Eli wiederhaben wollen, ist zwar ebenfalls traurig, zumal diese in einer Actionszene zeigen, was man mit ihnen alles hätte anstellen können, aber es macht hinsichtlich des eigentlichen Finales des Filmes absolut Sinn. Hinsichtlich der Spannungskurve des Filmes sorgt diese Zurückhaltung bei den Bösewichten aber immer wieder für Spannungsabrisse. Wobei auch das ohnehin nicht sonderlich hohe Tempo des Filmes teils brutal in die Knie geht.
„KIN“ konzentriert sich dann ab und an zu sehr auf Nebenschauplätze, die nicht wirklich sinnig erscheinen. Die ganze Episode um den Stripclub etwa wirft mehr Fragen auf, als sie beantwortet. Warum beispielsweise die Besitzer desselben nicht auch sofort zu Verfolgern der Brüder werden, man weiß es nicht.
So richtig rund läuft „KIN“ dann in seinem langen Finale. Hier überraschen die Bösewichter um James Franco beim Überfall auf eine Polizeistation mit erstaunlicher Kompromisslosigkeit und darf dann endlich auch die Waffe von Eli mehrfach sprechen. Dabei geht der Spektakelfaktor gut nach oben. Es setzt ein paar recht innovative Effektszenen und im schlussendlichen Showdown öffnet sich „KIN“ dann Tür und Tor für eine richtig große Science-Fiction-Story. Davon wird man als Zuschauer zwar relativ überrumpelt, aber der Aufmerksamkeitsfaktor rauscht hier dann noch einmal so richtig durchs Dach. Eine Fortsetzung darf also gerne folgen.
Sowohl in der Action als auch allgemein überzeugen die Regie-Brüder mit einem fantastischen Auge für coole Bilder. “KIN” wurde mit Alexa-Kameras digital gedreht. Danach haben die Regisseure, wie sie im Making Of erklären, alles daran gesetzt, deren perfektes Bild zu “zerstören”. Und das sieht man. „KIN“ ist gritty, grobkörnig und extrem filmisch in seiner ganzen Anmutung. Von dem digitalen Ursprungsmaterial merkt man kaum noch etwas. Dabei ist „KIN“ in erster Linie sehr dunkel angelegt. Immer wieder aufploppende Neon-Farben gehen sehr in die angepeilte Retrorichtung. Unter den tollen Bildern pulsieren die Klänge der Band „Mogwai“, die dem Film einen ganz eigenen, immer leicht melancholischen Ton verleihen.
Feine Darsteller, sympathische Figuren und ein starkes Finale machen “KIN” zum Tipp
Was am Ende bleibt, ist ein trotz Längen und unrunder Momente sehr unterhaltsamer Mix aus Familiendrama, Coming of Age, Road Movie und Science Fiction. Dabei sind die tollen Bilder und die sparsam gesetzten, dann aber umso gelungeneren Special Effects in Verbindung mit dem schönen Soundtrack bereits die halbe Miete. Die wirklich guten Darsteller, zu denen auch „KIN“-Produzent Michael B. Jordan („Creed“) und Dennis Quaid („Horsemen“) gehören, das angenehm flotte Finale und das gelungene Sci-Fi-Finish sorgen für weitere Pluspunkte. Dementsprechend kann man „KIN“ Fans der Filme, die die Regisseure selbst als Inspiration nannten, wirklich nur uneingeschränkt ans Herz legen. Und alle anderen dürfen auch sehr gerne einen Blick riskieren. Der sympathische Film hätte es verdient.
Die deutsche DVD / Blu-ray zum Film erschien am 6. Juni 2019 von Concorde Home Entertainment. Diese ist mit einer FSK 12 ungeschnitten. Im Extrabereich findet man eine ganze Wagenladung an Extras, die bei einigen Aspekten wirklich hoch interessante Einblicke bieten. Vor allem das Special um die Special Effects ist richtig stark.
In diesem Sinne:
freeman
Was meint ihr zu dem Film?
Zur Filmdiskussion bei Liquid-Love
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