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The Toxic Avenger

Originaltitel: The Toxic Avenger__Herstellungsland: USA__Erscheinungsjahr: 1984__Regie: Michael Herz, Lloyd Kaufman__Darsteller: Mitch Cohen, Mark Torgl, Andree Maranda, Cindy Manion, Gary Schneider, Robert Prichard, Jennifer Babtist, Pat Ryan, Patrick Kilpatrick, Marisa Tomei u.a.
The Toxic Avenger

Der “Citizen Kane” der Troma-Filme und das Aushängeschild der Firma: “The Toxic Avenger”

„The Toxic Avenger“ war nicht der erste Troma-Film, aber der erfolgreichste der Firma und gleichzeitig jener, der das Image der selbstbewussten wie selbstironischen Independent-Trash-Schmiede auf Jahre hinaus prägen sollte.

Ein zentraler Punkt der Troma-Welt ist auch das Städtchen Tromaville, in dem (nicht nur) „The Toxic Avenger“ spielt. Vor den Toren New Yorks gelegen ist das Ganze eine Parallelwelt, in der die Umweltängste, aber auch die Genre-Phantasien der Actionfilme, der Comichefte und der Highschool-Komödien der 1980er das Geschehen bestimmen: Gewalttätige Kriminelle terrorisieren die Nachbarschaft, die Schönen und Kräftigen drangsalieren die Nerds und die Schwachen, der Bürgermeister und die untätige Polizei machen längst gemeinsame Sachen mit den Verbrechern – dazu gehört auch die Entsorgung von höchst schädlichem Giftmüll in Tromaville, was wiederum den Grundstückspreis runtertreibt und schmierigen Spekulanten in die Hände spielt. Der Unterschied zu anderen Genre-Produkten zeigt sich in der Überzeichnung: Der Bürgermeister ist ein grotesker Fettsack, die Jocks leben ihre Herrschsucht mit dem Überfahren von Leuten aus (ähnlich wie in der Roger-Corman-Produktion „Death Race 2000“, nur dass sie sich die Punkte selbst geben).

Zu den Leuten, die es in Tromaville nicht einfach haben, gehört der geekige, schmächtige und ehrlich gesagt auch ziemlich bräsige Putzmann Melvin Junko (Mark Torgl), dessen Nachname schon nach Junk, also Abfall, klingt. Selbigen macht er mehr schlecht als recht weg, für die Bullys im Health Club, in dem er seine Arbeit tut, gehört er zu selbigem. Und nachdem diese Melvin einen Streich spielen, auf den er genauso reinfällt wie andere Nerds und Loser in College-Komödien oder Teenie-Slashern der damaligen Zeit, fällt der Gedemütigte auf der Flucht vor seinen Peinigern dann auch noch in Müll – allerdings in ein Fass von besagtem Giftmüll, womit sich „The Toxic Avenger“ an der typischen Superheldengenese versucht, nur eben in wesentlich ekligerem und trashigerem Stil als Spider-Mans Spinnenbiss oder Hulks Strahlenunfall.

Der schmächtige Melvin wird durch den Kontakt mit dem Gift nämlich zum grotesk entstellen Muskelmann, eine Mischung aus Wrestler und Monster. Und er wird nun von einem Gerechtigkeitssinn getrieben, aufgrund dessen er seine Kräfte gegen all die Schurken in Tromaville einsetzt…

httpv://www.youtube.com/watch?v=d7ejvLS0ysw

Wenn man Troma nur von den späten, sehr hyperaktiven und extrem hysterischen Werken kennt, ist „The Toxic Avenger“ eine positive Überraschung. Natürlich, auch deren populärster Film ist in jeder Hinsicht drüber, laut, schrill und bunt, aber hat noch nicht jenen Nervensägen-Charakter mit Großaufnahmen weit aufgerissene Mäuler, untermalt mit passendem Gebrüll. Was natürlich nicht heißt, dass „The Toxic Avenger“ ein filigraner oder im klassischen Sinne gut gespielter Film wäre. Die Darsteller overacten um die Wette, sei es Mark Torgl („Beast“) als Loser Melvin, Gary Schneider („Class of Nuke ‘Em High“) als Chef-Bully mit dem schönen Rollennamen Bozo oder Pat Ryan („Invasion U.S.A.“) als Schwabbel-Bürgermeister, der bei der Massage gern noch mal ein Sandwich in sich hineinstopft. Inmitten als der meist unbekannten und unentdeckt gebliebenen Leute, die dem Affen ordentlich Zucker geben, treten aber auch zwei Schauspieler in ihren ersten Filmrollen auf, die es danach zu größerer Bekanntheit brachten: Die spätere Oscar-Gewinnerin Marisa Tomei („Spider-Man: Far From Home“) ist als Health-Club-Mitglied zu sehen, der vor allem auf Schurkenrollen abonnierte (siehe „Mit stählerner Faust“, „Die Klasse von 1999“, „Alarmstufe: Rot 2“ usw.) Patrick Kilpatrick gibt einen Räuber.

Aber um solchen Tinnef wie Schauspielleistungen, eine saubere Regie oder einen kohärenten Plot schert sich „The Toxic Avenger“ eh nicht. Stattdessen serviert das Regieduo aus Michael Herz („Troma’s War“) und Troma-Mastermind Lloyd Kaufman („Sgt. Kabukiman NYPD“) eine leicht episodenhafte Aneinanderreihung von Einsätzen des Toxic Avengers und seiner Gegner, die alles bieten, wofür Troma in der Folgezeit stehen sollte: Splatter, cheesy Effekte, Nacktheit, schwarzer Humor und natürlich Verletzungen von Geschmacksgrenzen: Die Bullys überfahren als erstes ein kleines Kind auf dem Fahrrad, später knocken sie eine Oma aus, der Polizeichef und ein Professor sprechen Englisch mit hartem Nazideutsch-Akzent (und zeigen entsprechende Anwandlungen), während Toxie seine Gegner durch den Wolf dreht, indem er ihnen den Arm ausreißt, ihr Gesicht mit einem Mixer in Kontakt kommen lässt oder ihnen einfach mal den Kopf mit einer Fitnessmaschine zermatscht. Das ist natürlich pubertär, aber mit hinreißendem Spaß am großen Quatsch inszeniert. Und noch dazu durchaus mit Hingebung gemacht: Trotz sichtlicher Budget-Limitierung, trotz manchem Mangel an Talent haben sich Herz, Kaufman und ihre Kollegen wesentlich mehr Mühe mit dem Film gegeben als beispielsweise die lieblosen Trash-Handwerker bei Asylum.

Noch dazu ist „The Toxic Avenger“ nicht ohne Hintersinn gemacht worden. Die Figur des Verbrecher zermanschenden Toxie ist gleichsam eine Parodie auf Comichelden und Selbstjustiz-Actioner der 1980er, während die Szenen im Health Club immer wieder den Fitnesswahn jener Dekade aufs Korn nehmen: Oberarschloch Bozo beginnt wie wild zu trainieren, als ein Kumpel von ihm über (nicht vorhandenes) Fett an seinem Bauch scherzt. Zudem erzählt der Film die Story vom herzensguten Monster mit hässlichem Aussehen (siehe Frankenstein und Co.) im Trash-Gewand: Toxie ist besonders entstellt, findet aber die wahre Liebe mit einer Blinden, die eben sein Wesen und nicht sein Aussehen erkennt. Außerdem treibt „The Toxic Avenger“ die angeblich positiven Seiten des Selbstjustizhelden und des guten Monsters auf die Spitze: Toxie verprügelt nicht nur Verbrecher und rettet Kinder vorm Überfahrenwerden, sondern hilft auch alten Damen über die Straße.

Wenn man dem fröhlichen Reigen der Geschmacklosigkeiten etwas ankreiden möchte, mal abgesehen von seiner grobschlächtigen, amateurhaften Machart, dann ist es seine Länge. Obwohl mit gut 90 Minuten im Director’s Cut immer noch nicht gerade üppig bemessen, könnte er sich doch an der einen oder anderen Stelle kürzer fassen. Das fällt vor allem im Schlussakt auf, in dem Herz und Kaufman (mit durchaus bewusster Wiederholung) einen Militärgroßaufmarsch simulieren, indem sie immer wieder die Ausfahrt der gleichen Fahrzeuge aus dem Depot aneinanderschneiden – das mag als Gag gedacht sein, wird aber zu oft wiederholt. Und das antiklimaktische Finale mag mit den Erwartungen brechen, als Höhepunkt wirkt es nach all den Exzessen des vorigen Films etwas mau.

Doch wenn man durchaus Spaß an grobem Unfug hat und mit der amateurhaft-trashigen Machart sowie den eher grausigen Darstellerleistungen leben kann, dann ist „The Toxic Avenger“ sehr amüsanter Troma-Trash, der die Geschmacklosigkeitsregler auf 11 dreht und eine unbeschwerte Mischung aus Nacktheit, Gewalt, Grenzverletzungen und guter Laune bietet. Nicht ohne Hintersinn und mit Liebe zum Detail gemacht, manchen offensichtlichen Limitierungen zum Trotz.

Während „The Toxic Avenger“ im Kino und auf VHS noch stark gekürzt als „Atomic Hero“ erschien, verschafften spätere DVD- und Blu-Ray-Auflagen von Troma/One World bzw. ’84 Entertainment Abhilfe. Diese sind nicht nur ungekürzt und ungeprüft, sondern bieten auch den etwas längeren Director’s Cut des Films. Das Bonusmaterial umfasst Audiokommentare, Wissenswertes zu Troma und Toxies Weiterleben in der Popkultur (z.B. den Vorspann der Toxie-Zeichentrickserie „Toxic Crusaders“), Trailer und noch vieles mehr.

© Nils Bothmann (McClane)

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