Originaltitel: The Sentinel__Herstellungsland: USA__Erscheinungsjahr: 1977__Regie: Michael Winner__Darsteller: Cristina Raines, Chris Sarandon, Martin Balsam, John Carradine, José Ferrer, Ava Gardner, Arthur Kennedy, Burgess Meredith, Sylvia Miles, Deborah Raffin, Eli Wallach, Christopher Walken, Jerry Orbach, Beverly D’Angelo, Tom Berenger, Nana Visitor, Jeff Goldblum u.a. |
Drei Jahre nachdem Michael Winner („Chatos Land“) den kontroversen Selbstjustizklassiker „Ein Mann sieht rot“ geschaffen hatte, beteiligte er sich mit „Hexensabbat“ an jener Welle von Horrorfilmen um teuflische Erscheinungen, die unter anderem Klassiker wie „Der Exorzist“ hervorbrachte.
„Hexensabbat“ kann dabei als Brachialvariante des noch früher entstandenen „Rosemary’s Baby“ gesehen werden und wurde auch von vielen Kritikern so bezeichnet. Beide Filme basieren auf einer literarischen Vorlage und in beiden Filmen geht es um eine junge Frau und eine neue Wohnung, wobei Fotomodell Alison Parker (Cristina Raines) diese eben nicht mit ihrem Lebensgefährten, dem Anwalt Michael Lerman (Chris Sarandon), beziehen möchte. Alison ist durchaus erfolgreich in dem Geschäft, aber ähnlich wie Rosemary psychisch nicht hundertprozentig gefestigt. Sie hat einen Selbstmordversuch hinter sich, nachdem sie ihren alternden Vater mit zwei eher begrenzt ansehnlichen Gespielinnen bei einer Orgie entdeckte.
Von der Maklerin Miss Logan (Ava Gardner) bekommt Alison eine wirklich schöne Wohnung vermittelt, über welcher das Apartment des blinden Paters Halliran (John Carradine) liegt. Der starrt mit salzweißen Augen auf die Straße und auch sonst sind manche Bewohner etwas eigen: Der freundliche Charles Chazen (Burgess Meredith) beherbergt einen halben Zoo und feiert den Geburtstag seiner Katze mit Kaffee und Kuchen, wozu er alle anderen Hausbewohner einlädt, während das lesbische Pärchen Gerde (Sylvia Miles) und Sandra (Beverly D’Angelo) gerne mal provoziert, etwa indem sich Sandra beim Höflichkeitsbesuch von Alison direkt mal auf dem Sofa selbst befriedigt. Eine illustre Schar schräger Gestalten also, die vor allem den Zuschauer stutzen lässt, ebenso wie die Tatsache, dass Miss Logan das Apartment urplötzlich billiger vermietet, als Alison 500 Dollar Miete pro Monat zu viel sind.
Jedenfalls häufen sich bald die seltsamen Geschehnisse in Alisons Umfeld, weshalb sie bei der Arbeit zunehmend Schwächeanfälle in Kauf nehmen muss. Auch die Polizei in Form der Detectives Gatz (Eli Wallach) und Rizzo (Christopher Walken) ist nur begrenzt hilfreich, zumal die Beamten Michael auf dem Kieker haben…
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Es ist schon beeindruckend, welche Besetzung Winner da für seinen Film zusammenbekam, der von der zeitgenössischen Kritik quasi unisono verrissen wurde. Da tauchen selbst in Bitparts Altstars von gestern und kommende Talente von morgen auf: Ava Gardner („Treffpunkt Todesbrücke“) gibt die Maklerin, John Carradine („Die Schreckenskammer des Dr. Thosti“) ist als Priester dauerhaft unter Make-Up und Kontaktlinsen verborgen, „Rocky“-Trainer Burgess Meredith ist der schräge Nachbar mit Tierfimmel, Martin Balsam („Delta Force“) tüddelt sich als schusseliger Lateinexperte durch eine Szene, Arthur Kennedy („Der Clan der Killer“) gibt einen undurchsichtigen Kirchenmann, während die spätere Komikerin Beverly D’Angelo („Shooter“) als ordinäre Nachbarin auftritt, Tom Berenger („Sniper: Homeland Security“) kurz als Mietinteressent vorbeischaut, Eli Wallach („Wall Street – Geld schläft nicht“) und Christopher Walken („King of New York“) die bärbeißigen Cops geben, Jerry Orbach („F/X – Tödliche Tricks“) einen Filmregisseur und Jeff Goldblum („Jurassic World – Das gefallene Königreich“), der schon in „Ein Mann sieht rot“ eine kleine Rolle hatte, einen Fotographen. Die geballte Darstellerpower macht sich gut in den eher kleinen Nebenrollen, während der Löwenanteil der Arbeit auf Cristina Raines („Alpträume“) fällt, die Mia Farrow vielleicht keine große Konkurrenz macht, als Frau am Rande des Nervenzusammenbruchs aber gute Arbeit leistet. Ähnliches lässt sich auch über Chris Sarandon („Safe – Todsicher“) sagen, der Alisons Lover spielt, hinter dessen fürsorglicher Fassade aber kleine Abgründe durchscheinen.
Das ist durchaus so gewollt, denn „Hexensabbat“ lebt über weite Strecken von dem Mysterium um die Bedeutung von Alisons Visionen und Anfällen. Steckt Michael dahinter, von dem die Polizei glaubt, dass er seine erste Frau auf dem Gewissen hat? Waren die Ausschweifungen des verstorbenen Vaters, der in Alisons Visionen wieder auftaucht, satanischer Natur? Aber sowohl die Hausgemeinschaft und als auch sämtliche Kirchenleute, die im Film immer wieder auftreten, sind ziemlich verdächtig. So legt „Hexensabbat“ fröhlich die roten Heringe aus, vermischt Mythologisches mit profan Menschlichem, hat Spaß an seinem illustren Figureninventar und präsentiert schließlich eine durchaus stimmige Auflösung, die im Horrorgenre nicht alltäglich ist.
Gespickt ist dieser Weg mit einigen zündenden Spannungspassagen, in denen Alison das Haus und seine Wohnungen untersucht, während es reichlich Visionen und geisterhafte Erscheinungen zu bewundern gibt. Dabei geht Winner die Subtilität von Roman Polanski oder William Friedkin ab; stattdessen wird es laut und grob, etwa wenn Alison die geisterhafte Erscheinung des verstorbenen Daddys mit einem Messer kurz und klein hackt. Im Finale brechen dann alle Dämme, wenn „Hexensabbat“ gleich eine ganze Armada missgebildeter Gestalten loslässt. Dies wurde nicht allein mit Make-Up-Effekten fabriziert, sondern es befinden sich auch echte Kleinwüchsige und Missgebildete darunter, die Winner aus Krankenhäusern und Bühnenshows zusammencastete, was eine kleine Kontroverse fabrizierte. Doch in seiner lauten, am guten Geschmack kratzenden Art ist das Finale ein würdiger, effektiver und bizarrer Höhepunkt, der dann in der durchaus erwartbaren Schlusspointe gipfelt.
So ist die zweite Hälfte von „Hexensabbat“ dann auch die bessere, denn laut und grobschlächtig kann Winner auf jeden Fall. Schwerer wird es bei der überlangen Exposition, die nur bedingt Spannung oder subtiles Grauen aufbauen kann. Ebenfalls nicht ganz unproblematisch ist Alisons Rolle: Ist sie in der ersten Hälfte quasi noch die Protagonistin, so wird sie in der zweiten Hälfte mehr und mehr zum Spielball der Umstände, sodass eine andere Figur auf einmal ermitteln und alle wichtigen Infos herausfinden muss. Manche Nebenfigur wirkt dann auch wie eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für einen weiterem prominenten Namen oder ist offensichtlich dazu da, um dem Zuschauer gerade plotrelevante Informationen zu vermitteln, aber um Subtilität geht es Winner auch kaum, der das Drehbuch zusammen mit Vorlagenautor Jeffrey Konvitz („Night of the Dark Full Moon“) schrieb.
So mag „Hexensabbat“ dann auch kein Film der leisen Töne sein, der in erster Hälfte erst einmal Anlauf nimmt und eher grobschlächtig gescriptet daherkommt. Doch mit seinem bizarren Figurenensemble, seinen lauten, effektiven Horrorszenen und der originellen Auflösung macht Winners Film dann durchaus Laune – abgesehen davon, dass man darüber staunt, dass dieser teilweise ziemlich krude Film einen derartigen All-Star-Cast zusammenbekam. Ein echtes Unikum.
Während die deutsche Videoauswertung von „Hexensabbat“ gekürzt war, sind die deutsche DVD und Blu-Ray von NSM Records/Universal ungekürzt. Laut Cover ist der Film ab 18, während auf der Disc ein FSK-16-Logo prangt. Die FSK listet allerdings kein Prüfergebnis auf ihrer Homepage. Das Bonusmaterial umfasst eine kurze Einführung des Regisseur, einen Audiokommentar von Michael Winner, Trailer, Bildergalerien und Filmographien
© Nils Bothmann (McClane)
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