Originaltitel: Black and Blue__Herstellungsland: USA__Erscheinungsjahr: 2019__Regie: Deon Taylor__Darsteller: Naomie Harris, Tyrese Gibson, Frank Grillo, Reid Scott, Mike Colter, Beau Knapp, Nafessa Williams, Kenneth Kynt Bryan, Michael Papajohn, James Moses Black, Nelson Bonilla u.a. |
Ähnliche, aber nicht komplett identische Beschreibungen: Wird man im Deutschen grün und blau geprügelt, im Englischen dagegen schwarz und blau. Die beiden Farben stehen auch für Afroamerikaner und Polizisten, die nicht immer das beste Verhältnis haben, was auch der Cop-Actionthriller „Black and Blue“ zum Leitmotiv erhebt.
Schon die Auftaktszene verhandelt das Thema, wenn die schwarze Joggerin Alicia West (Naomie Harris) von zwei weißen Boys in Blue angehalten wird. Einer von denen fragt sie großkotzig, was sie denn in seinem Viertel suche – bis ein Blick auf ihren Ausweis zeigt, dass sie selbst ein Cop ist. Die halbherzig gemurmelten Entschuldigungen, dass man eine Verdächtige ähnlichen Aussehens suche, glaubt keine der beiden Parteien. Alicia könnte ist als afroamerikanische Polizistin also eine Synthese aus Schwarz und Blau sein, doch die Frage nach den Loyalitäten stellt sich schon implizit: Was passiert bei einem Konflikt zwischen beiden Parteien? Für wen entscheidet sich die Ex-Soldatin, die im Armenviertel von New Orleans aufwuchs und nun in ihrer Heimatstadt Dienst schiebt?
Dabei macht es ihr keine Seite leicht: Im Schwarzenviertel von New Orleans wird sie als Polizistin argwöhnisch beäugt, alte Freunde verleugnen sie, nur Milo Jackson (Tyrese Gibson), genannt Mouse, gibt sich ihr gegenüber aufgeschlossen. Bei den Cops dagegen gilt sie als Rookie, gerade die Drogenfahnder unter Terry Malone (Frank Grillo) ignorieren sie wahlweise oder reißen dumme Sprüche. Schon anhand der Besetzung der tätowierten Drogencops ist allerdings schon klar, dass man diesen Figuren nicht über den Weg trauen kann, würde der Trailer die Prämisse nicht schon erklärt haben.
Als Alicia für ihren Partner Kevin Jennings (Reid Scott) bei einer Doppelschicht einspringt und mit Deacon Brown (James Moses Black) auf Streife geht, wird Deacon zu einem Treffen in einer Fabrikruine gerufen. Alicia soll im Auto warten, betritt das Gebäude jedoch nach Schussgeräuschen und muss feststellen, dass Terry dort drei Dealer hingerichtet hat. Da Alicias Bodycam das Geschehen aufgezeichnet hat, gerät sie ins Visier der Mörder in Uniform…
httpv://www.youtube.com/watch?v=rtwCWFz7RwE
Mit Blick auf aktuelle Themenkomplexe wie Polizeigewalt, Racial Profiling, Ghettoisierung und schwarze Gangkultur hätte „Black and Blue“ der Film der Stunde sein können – Genrekino mit einem Auge für soziale Realitäten. Die Beschreibung ist auch durchaus zutreffend, doch handelt es sich bei dem Film von Deon Taylor („7eventy 5ive“) um ausgelutschtes Genrekino. Dass Sonys auf B-Movies spezialisiertes Label Stage 6 verantwortlich zeichnete, ist fast konsequent: „Black and Blue“ wirkt wie eine unoriginelle Videopremiere, die sich ins Kino verirrt hat. Wer mit den korrupten Cops unter einer Decke steckt, wer deren Treiben toleriert, welche Figur der Heldin wann zu Hilfe kommt, wer einen Sinneswandel während des Geschehens durchmacht – all das folgt dermaßen den bekannten Genremustern, dass man nach „Black and Blue“ fast die Uhr stellen kann. Dabei hat die Geschichte eigentlich das Potential für einen packenden Reißer, denn im Ghetto wollen nicht nur die meisten Leute unbehelligt bleiben und sich nicht einmischen, auch die Drogengang von Darius Tyrell (Mike Colter) macht bald Jagd auf Alicia, da die korrupten Kollegen ihr die Morde anhängen. Mehr oder weniger allein auf sich gestellt in einer Umgebung, in der einem beinahe jeder ans Leder will, das ist doch eigentlich eine tolle Prämisse, genutzt von Filmen wie „Die Klapperschlange“, „Jungleground“ oder „The Purge: Anarchy“.
Jedoch hält sich Action in „Black and Blue“ in Grenzen, obwohl es ein paar gelungene Konfrontationen gibt: Shoot-Outs mit uzibewehrten Gangstern in Seitenstraßen, Verfolgungsjagden mit unwohlmeinenden Cops und schließlich das Finale, in dem ein Gebäudekomplex gestürmt wird und die Helden zwischen die Fronten geraten. Dieser Mix aus Verfolgungsjagden, Geballer, kurzen Nahkampfeinlagen und dem einen oder anderen Blechschaden ist als solide Hausmannskost in Szene gesetzt, manchmal handwerklich sogar etwas darüber, etwa wenn Terry und eine Spezialeinheit geschickt Schilde ausnutzen, um sich im Kugelhagel vorwärts zu bewegen.
Da ist es schade, dass viele talentierte Darsteller nicht so wirklich gefordert werden, vor allem auf der Antagonistenseite. Frank Grillo und Beau Knapp haben durch Werke wie „Homefront“, „Captain America: The Winter Soldier“ und „Wolf Warrior 2“ bzw. „Edge: The Loner“, „The Nice Guys“ und „Death Wish“ genug Erfahrung als Schurken gesammelt, lassen diese auch charismatisch durchscheinen, werden aber nie genug ins Geschehen involviert, sodass sie leider nicht ihr volles Talent ausspielen können. Ähnlich sieht es bei Mike Colter („Zero Dark Thirty“) aus, den Taylor als gefährlichen Gangster im Pimp-Outfit inszeniert, ihn manchmal sogar bewusst mit Parallelen zu einem Raubtier (vielleicht einem schwarzen Panther) ablichtet, um die lauernde Gefährlichkeit dieser Figur auszustellen, die leider ebenfalls eine prominentere Rolle vertragen könnte. Naomi Harris („Spectre“) trägt dagegen den Film auf ihren Schultern und liefert eine brauchbare, wenn auch nicht überragende Leistung ab, ähnlich wie Tyrese Gibson („Transformers“). Dieser gibt mal weniger den toughen Actionhelden, sondern den Kassierer, der am liebsten den Kopf unten und sich selbst raus hält, sich dann aber doch ein Herz fasst. Für weitere Akzente sorgen Reid Scott („Venom“) und Nafessa Williams („Burning Sands“), aber dieser Film gehört Harris und Gibson, auch wenn er noch etwas mehr von Colter und Grillo vertragen könnte.
Es ist schade, dass „Black and Blue“ auf Handlungs- und Actionebene Potential verschenkt, denn an sich ist Taylors Film sehr ausgewogen und treffend in der Beschreibung der Verhältnisse. Auch schwarze Cops mischen bei den korrupten Kollegen mit, einige weiße Beamte unterstützen Alicia, sobald sie die Wahrheit kennen, und Darius‘ Gang besteht nicht wirklich aus Sympathiefiguren. Und trotzdem zeigt „Black and Blue“ institutionelle Probleme auf: Grundsätzliche Skepsis gegenüber der Polizei bei vielen Ghettobewohnern, ausgelebter Rassismus bei Cops mit Herrenmenschattitüde und simples Ausnutzen von Strukturen, etwa wenn sich Kevin selbstverständlich im Laden von Milos Boss bei Schokoriegeln und Kaffee bedient, weil Cops ja nicht bezahlen müssen – obwohl sie Notrufe in der Gegend oft noch nicht einmal annehmen.
Doch auch einige gute Beobachtungen helfen nicht, wenn „Black and Blue“ ein komplett uninspiriert geschriebener Polizeifilm nach Schema F ist, dessen Bestandteile man in Werken wie „Training Day“, „Brooklyn’s Finest“ und „End of Watch“ schon früher und überzeugender sah. Die solide Action ist dann zu dünn gesät, um es noch herauszureißen, während die an sich starke Besetzung nicht immer optimal genutzt wird. „Black and Blue“ ist sicher in keiner Beziehung wirklich schlecht, sondern einfach nur schrecklich ausgelutscht und reichlich egal.
Starke:
Sony bringt „Black and Blue” am 14. November 2014 in die deutschen Kinos.
© Nils Bothmann (McClane)
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Copyright aller Filmbilder/Label: Sony__FSK Freigabe: ab 16__Geschnitten: Nein__Blu Ray/DVD: Nein/Nein, ab 14.11.2019 in den deutschen Kinos |