Originaltitel: The Professor and the Madman__Herstellungsland: Irland__Erscheinungsjahr: 2019__Regie: Farhad Safinia__Darsteller: Mel Gibson, Sean Penn, Jeremy Irvine, Natalie Dormer, Jennifer Ehle, Ioan Gruffudd, Eddie Marsan, Stephen Dillane, Adam Fergus, Aidan McArdle, Brendan Patricks, Kieran O’Reilly u.a. |
Ein Mann hetzt durch finstere Gassen. Er verfolgt einen anderen Mann. Schießt auf ihn. Der Verfolgte rettet sich an die Tür seines Zuhauses, panisch klopft er an. Ein Schuss bricht. Als die Frau öffnet, spritzt ihr das Blut ihres Mannes ins Gesicht. Als sie ihm helfen will, bricht ein zweiter, tödlicher Schuss. Kurz darauf kommt der Verfolger vor der geschockten Frau zum Stehen. Sie bemerkt seinen wirren Blick. Er erklärt, er werde verfolgt. Da schnappen die Handschellen zu und er wird abgeführt. Tage später wird gegen ihn prozessiert.
Der Mann heißt Dr. William Chester Minor. Einst kämpfte er im Sezessionskrieg und erlebte hier unfassbare Gräuel – einige gingen gar von ihm selbst aus. Gezwungenermaßen. Seine eigene Schuld hat er nie verarbeiten können. Er wurde wahnsinnig, paranoid, sah sich immer verfolgt. Sein psychischer Zustand bewahrt ihn vor der Höchststrafe. Er kommt in eine psychiatrische Einrichtung.
James Murray lebt in einer vollkommen anderen Welt. Der umfassend Gebildete wird 1879 aufgrund seiner Verdienste dazu berufen, die neueste Ausgabe des Oxford English Dictionary zu erstellen. Ein Mammutprojekt, das unbezwingbar scheint. Doch Murray hat interessante Ansätze, um sein Lebenswerk zu vollenden. So gestaltet er die Erstellung höchst demokratisch. Lässt alle Engländer, die wollen, mithelfen. Doch Murray muss auch lernen, was es heißt, gegen Windmühlen anzukämpfen. Vor allem aus den Reihen anderer Gelehrter. Da ereilt ihn unverhoffte Hilfe.
Schaut in das bewegende Drama mit Mel Gibson hinein
httpv://www.youtube.com/watch?v=T6dD06k59rc
Wie und warum diese beiden verschiedenen Schicksale zusammenfinden, wie sie sich gegenseitig in ihren finstersten Stunden beistehen und wie die beiden Männer zu großen Freunden werden, davon erzählt „The Professor and the Madman“. Und von so viel mehr. Es geht um Vergebung, um Schuld, um Sühne, um Hartnäckigkeit und um die Liebe zum geschriebenen und gesprochenen Wort. Das Ergebnis ist ein spannender, dramatischer, witziger, bewegender, extrem interessanter und höchst unterhaltsamer Film.
Ich wollte mit dieser Arbeit etwas nie Dagewesenes schaffen. Die Welt der Worte ordnen. Und sie universell zugänglich machen. (James Murray in „The Professor and the Madman“)
Am Ende steht auch ein Film, der den irrsinnigen Aufwand, der damals hinter der Erstellung eines Standardwerkes wie dem Oxford English Dictionary stand, erfahrbar macht. Und der Menschen präsentiert, die im Grunde einen verlorenen Kampf kämpften. Denn Sprache verändert sich ständig. Immer wieder entstehen neue Begriffe. Wie soll man diese Lebendigkeit abbilden? Die Erklärung, die ein Freund Murrays hierfür liefert, ist so poetisch und schön wie so mancher assoziative Redeschwall zwischen Murray und dem immer mehr in den Wahnsinn abrutschenden Minor.
Diese Szenen zwischen Mel Gibson und Sean Penn haben durchweg Gänsehautcharakter. Wenn sich die beiden das erste Mal begegnen, spürt man sofort eine irre Chemie zwischen den Schauspielern. Die sich in einer sofortigen gegenseitigen Anziehung ihrer Filmcharaktere niederschlägt und glaubhaft bebildert, wie fasziniert die beiden vom geistigen Vermögen des jeweils anderen sind. Dazu kommen die blauen, durchdringenden Augen Gibsons und die wachen, trotzdem vorsichtigen Blicke, die Penn dagegenstellt.
Doch auch in ihren Soloszenen spielen beide stark auf. Mel Gibson („The Expendables 3“) macht wieder einmal deutlich, wie schade es ist, dass er sich zuletzt so stark von seiner Arbeit als Schauspieler zurückgezogen hat (freilich auch, weil er von so vielen gerne abgeschrieben wird). Egal, ob mit Penn, seiner Filmehefrau Jennifer Ehle („RoboCop“) oder dem starken Steve Coogan („Die etwas anderen Cops“), Gibson spielt einfach saustark und man nimmt ihm jede Facette seiner Figur ab. Ob diese zweifelt, angreift, sich versteigt, triumphiert oder fällt.
Sean Penn („The Gunman“) hat prinzipiell die etwas dankbarere Rolle abgegriffen. Weil er noch stärker zwischen den Befindlichkeiten seiner Filmfigur hin und herschalten darf. Aufbrausend, wütend und unberechenbar in den manischen Phasen, verletzlich und verzweifelt in seinen klaren Momenten. Zudem steigert sich Penn im Verlauf des Filmes deutlich. Wird von Minute zu Minute nuancierter in seinem Spiel, das von ihm auch die Abbildung eines extremen körperlichen Verfalles einfordert. Penns Spiel zieht zudem seine vorrangigen Co-Stars deutlich mit. In der Folge liefern Natalie Dormer („The Forest“), Eddie Marsan („Atomic Blonde“) und Stephen Dillane („Zero Dark Thirty“) – als absolut unausrechenbarer Doktor von Minor – großartige Performances ab.
In technischer Hinsicht gibt es keinerlei Grund zur Beschwerde. Die breiten Bilder atmen dank detailverliebter Kulissen (gedreht wurde in Irland) und absolut glaubwürdigen Kostümen viel Authentizität, der Score von Bear McGreary zieht in die Bilder hinein und trifft durchwegs den genau richtigen Ton. Wollte man an dem Film mäkeln, würde man sicher heranführen, dass er gegen Ende ein wenig sprunghaft in seiner Erzählung wirkt. Es schwer macht, Ereignisse zeitlich einzuordnen. Und auch ein wenig pathetisch anmutet. Zudem muss freilich auch festgehalten werden, dass sich der Film diverse dramaturgische Freiheiten nimmt, um die Story massentauglicher zu machen. Allerdings ist das ja nichts Neues in der Filmwelt.
„The Professor and the Madman“ machen das Unmögliche möglich
Wie die Freundschaft zweier Männer eines der größten Standardwerke des englischen Sprachraumes überhaupt erst auf den Weg brachte, vermittelt „The Professor and the Madman“ lehr- und kenntnisreich, ohne den Unterhaltungsfaktor zu vernachlässigen. Zwei Stunden Laufzeit vergehen hier wie im Fluge und wenn der Film von Regie-Debütant Farhad Safinia spürbar auf die Zielgerade einbiegt, will man dank großartiger Schauspieler, erlesener Bilder, feiner Filmmusik und packender Story noch gar nicht aus „The Professor and the Madman“ geworfen werden. Was könnte man Besseres über einen Film sagen?
Die deutsche DVD / Blu-ray zum Film erscheint am 5. Dezember 2019 von NewKSM. Der Film ist mit einer FSK 12 ungeschnitten und hält neben dem Trailer zum Film und einer Bildergalerie auch ein Behind the Scenes bereit.
In diesem Sinne:
freeman
Was meint ihr zu dem Film?
Zur Filmdiskussion bei Liquid-Love
Copyright aller Filmbilder/Label: NewKSM__Freigabe: FSK 12__Geschnitten: Nein__ Blu-ray/DVD: Ja/Ja |