Originaltitel: México Bárbaro II__Herstellungsland: Mexiko__Erscheinungsjahr: 2017__Regie: Diego Cohen, Christian Cueva, Ricardo Farias, Michelle Garza, Carlos Meléndez, Lex Ortega, Abraham Sánchez, Sergio Tello, Fernando Urdapilleta__Darsteller: Yeray Albelda, Alejandra Anaya, Gabo Anguiano, Francisco Barreiro, Gloria Berdeja, Abigail Bonilla, Humberto Busto, Rosalía Cruz, Laura de Ita, Carlos Eves, Pilar Fernandez, Natalia González, Francisco Granados, Camila Greiser, Emilio Guerrero, Fernando Guisa, Carmen Icedo, Pedro Joaquín, Dana Karvelas, Patricia Leih, Francisco Leyva, Corina Lutski u.a. |
México Bárbaro Runde 2. Die Karten werden neu gemischt. Neun Regisseure mischen diesmal mit, acht von ihnen erstmalig. Es herrschen neue Bedingungen. Wo „México Bárbaro“ ein Testballon im Blindflug war, mit dem Ziel, ambitionierte Kurzfilmmacher effizienter vermarkten zu können, profitiert seine Fortsetzung nun von den seither gemachten Erfahrungen.
Von außen sieht es aber zunächst so aus, als wenn nicht viel an der Formel verändert wurde. Wieder werden acht Kurzfilme mit homogenen Titeleinblendungen zu einer Anthologie gebündelt, wieder dreht sich alles um die nativ mexikanische Definition von „Horror“ zwischen geschichtlichen Wurzeln und Gegenwartsbeobachtung.
1: LA LEYENDA DE JUAN SOLDADO
Das Fundament wird diesmal gleich auf Wüstensand errichtet und mit Blut befruchtet. Schon im ersten „México Bárbaro“ war es ein staubiger Western, der mit seinen edlen Weitwinkel-Panoramen für die visuellen Höhepunkte sorgte. Die visuellen Führungsqualitäten des Genres wurden bei der Zusammenstellung der acht neuen Kurzfilme offenbar berücksichtigt, so dass dem mythisch angehauchten Horror-Western „La Leyenda de Juan Soldado“ von Abraham Sánchez nun die Ehre der Eröffnung zuteil wird.
Keine schlechte Entscheidung, denn wo es die sperrige Eröffnungsfolge von „México Bárbaro“ rund um einen ermittelnden Journalisten schwer machte, einen Einstieg zu finden, fällt die Orientierung diesmal leicht: Offenes Wüstengelände, schräg in den Boden geschlagene Holzkreuze und zwei Offiziere mit Pferden, die einen Gefangenen mit sich schleppen. Das reicht schon, um Aufmerksamkeit zu erzeugen.
Inhaltlich verhält sich Sánchez konform zu den traditionellen Anklängen der Anthologie, die sich dem Selbstverständnis nach mit der Schuld und Sühne mexikanischer Vergangenheit beschäftigt, um damit die Entwicklung hin zum heutigen Mexiko zu beschreiben. Aufgegriffen wird die Legende um den Soldaten Juan Castillo Morales, der als 20-Jähriger im Jahr 1938 wegen Vergewaltigung und Ermordung eines 8-jährigen Kindes erschossen wurde, ohne dass seine Schuld je erwiesen werden konnte. In einem Anflug von Schuldgefühlen erzählt dieser Kurzfilm die Geschichte 80 Jahre später fort und lässt den Verblichenen Rache nehmen an seinen Peinigern. Mit einem schnellen Schwenk nach unten zieht die Kamera eine Verbindungslinie ins Reich der Hölle, wo in einer fast schon klassisch zu bezeichnenden Prozedur ein Pakt mit dem Teufel geschlossen wird.
Effektiv wird dessen Präsenz lediglich anhand von Detailausschnitten gezeigt; ein Ziegenhuf, eine mit spitzen Nägeln versehene Klaue, ein vermummter Kopf, der heiße Dampfwolken atmet. Dazu klammernde Gestalten, die am Boden kauern. Alles in allem entsteht in dieser Phase eine Illustration, die an die Alptraumsequenzen der brasilianischen Horror-Reihe um „Coffin Joe“ erinnert. Sánchez gelingen die Kontraste zwischen extremen Weitwinkeln und gleichermaßen extremen Close-Ups sehr gut, zur Mitte seines Zehnminüters tauscht er die vom weiten Land symbolisierte Hilflosigkeit und Irreversibilität der Hinrichtung gegen furioses Nahfeld-Chaos aus, das die Untätigen und Ignoranten ihrer gerechten Strafe zuführt. Ein vielversprechender Auftakt, der lediglich im unbeholfen geschnittenen Epilog plötzlich seine Inspiration verliert und geradezu kitschig wird.
2: PAIDÓS PHOBOS
Mit einem vermutlich per Kameradrohne realisierten Flug über die Baumwipfel wird nach der geschichtlichen Eröffnung bereits unerwartet schnell der Wechsel in die Gegenwart vollzogen. „Paidós Phobos“ hat vielleicht noch am ehesten Ähnlichkeit mit „Drena“ aus der Vorgängerstaffel, insofern wieder eine junge Frau in einem großen Haus von einer kleinen Gestalt terrorisiert wird und Kontraste aus hellen und dunklen Ecken ebenso wie die Geräuschkulisse wieder eine große Rolle spielen. Der erste Schockeffekt lässt mutmaßen, dass sich Regisseur Diego Cohen womöglich ein wenig von David Sandbergs Kurz- und späterem Langfilm „Lights Out“ hat inspirieren lassen, geht er das Spiel mit der Nachttischleuchte doch auf eine verdächtig ähnliche Weise an, so wie überhaupt der gesamte James-Wan-Kosmos aus geisterhaften Erscheinungen in großen Häusern überaus präsent ist in diesem Beitrag.
Im Plot werden die unheimlichen Auftritte eines unschuldigen Kindes mit einer Entfremdung der Mutter vor dem eigenen Nachwuchs begründet. Es werden bewusst Routinen abgefilmt, die vertraut wirken sollten, es aber nicht tun. So wirkt die Schüssel Fruit Loops zum Frühstück nicht etwa einladend, sondern unappetitlich. Die Morgensonne strahlt nicht freundlich durchs Fenster, sondern wird als eiskaltes Strahlenbündel im Gegenlicht gefilmt. Die Ziegelwände sollten Wohnliches ausstrahlen, wirken in dem Digitallook aber wie Gefängnismauern. Und die Jogginghosen scheinen nicht besonders gemütlich zu sein; vielmehr sieht es so aus, als böten sie keinen Schutz vor Angriffen auf Kniehöhe.
Ein Problem ist allerdings auch hier wieder der merkwürdige Schnitt, der viele atmosphärische Passagen einfach abwürgt. Alles, was sich außerhalb der eingegrenzten Situation im Haus abspielt, wirkt derweil wie ein lauter, stechender Fremdkörper, mit dem zwar ein Hintergrund etabliert wird, zugleich aber auch das Spannungsfeld einbricht. Weil auch gerade handwerklich nichts Herausragendes geboten wird, bleibt somit ein eher durchschnittlicher Gesamteindruck zurück, wenngleich der Schlussakkord auf eine schwarzhumorige Art und Weise noch einmal ziemlich creepy ausfällt.
3: POTZONALLI
Der bröckelige, rosafarbene Anstrich eines kleinen Familienpavillons bildet die Fassade für die Titeleinblendung von „Potzonalli“, der sich als eine Art Anti-Sitcom entpuppt und dem blutdurstigen Zuschauer hinter verschlossenen Türen schon bald eine deftige mexikanische Chili con mucha Carne auftischt. Fernando Urdapilleta schießt sich in seinem Beitrag auf patriarchale Familienstrukturen ein, die hinter den Lehmmauern verborgen vor der Allgemeinheit unkontrollierte Triebe schlagen können, wie es scheint.
Dank der aggressiv satirischen Handschrift des Regisseurs wird das Familienoberhaupt nicht bloß sprichwörtlich, sondern wahrhaftig als Schwein dargestellt. Darsteller Fermín Martínez musste sich für Teile seiner Szenen von den Maskenbildnern einen Schweinekopf ins Gesicht modellieren lassen, der als Erweiterung der Charakterzüge seiner Figur zu verstehen ist. Über suggestiven Schnitt, der mit brutalen Death-Metal-Stakkatos getaktet wird, vermischen sich fortan Menschen- und Schweinekopf zu einem teuflischen rosa Wulst, quiekend und quäkend vor Schmerz, Hass und Zorn. Auch die Familienmitglieder tragen ihren inneren seelischen Schmerz zum Teil in Form äußerer Wunden auf. Was folgt, ist ein Schlachtfest mit der Hochstimmung eines ganz besonderen Feiertags. Der Anlass berechtigt zur Annahme, hier werde der „Día de la Independencia“ gefeiert, der Tag, an dem sich die Familie von ihrem Oberhaupt befreite.
Besonders gelungen, abgesehen von dem mit vielen netten Details ausgestatteten und schön fotografierten Set, ist die Art und Weise, wie die Familienmitglieder ihren Triumph über den Despoten angehen. Während die Familienchronologie gerade gewaltsam in der Luft zerrissen wird, inszeniert Urdapilleta fröhlich strahlende Gesichter bei einem unbeschwerten Zusammensein unter Blutsverwandten. Vom jahrelangen Missbrauch (der in allen Ausformungen unmissverständlich angedeutet wird) völlig betäubt, treten die Überlebenden der endlosen Tortur den Übergang in eine glückliche Scheinrealität, deren Antritt mit Knüppel und Hackebeil besiegelt wird.
Drama und Comedy liegen also nah beieinander in dieser Groteske, die ihre kleinen Momente durchaus zu nutzen weiß, selbst wenn der kulinarische Ausklang wieder ein eher profanes Mittel ist, um die Geschichte mit einem letzten Affront gegen das Moralverständnis zu besiegeln.
4: BOLAS DE FUEGO
„Bolas de Fuego“ klingt schon von Titel wegen wie eine South-Park-Episode („Chef presents: Salty Chocolate Balls of Fire“) und ist passend dazu eine Parodie auf digitale Reizüberflutung… am Beispiel des reichhaltigen Angebots an Internet-Pornografie. Das insgesamt recht unerfahrene Duo auf dem Regiestuhl stürzt sich mit wahrem Feuereifer in die Umsetzung und experimentiert hauptsächlich direkt mit dem Medium Film, seiner äußeren Form also. Während zwei Männer sich Prostituierte in die Wohnung bestellen, um mit ihnen einen Film zu drehen, ploppen immer wieder Pop-Ups auf oder digitale Artefakte verunstalten das Bild. Man bekommt das Gefühl, selbst am Monitor anstatt am Fernseher zu sitzen und zum Betrachter eines Amateurvideos zu werden – mit allen schmutzigen Einblendungen, die den Sprung über die Firewall geschafft haben. Kleine Gimmicks wie ein Poster zu „México Bárbaro“ an der Wand verstärken das hierdurch erzeugte Video-im-Film-Gefühl zusätzlich.
Das ist ganz schön schlau, denn die offensichtlich begrenzten inszenatorischen Fähigkeiten von Cueva und Farias werden mit dieser Vorgehensweise ebenso kaschiert wie das äußerst dürftige Alien-Make-Up der beiden Professionellen, die im Laufe der Handlung selbstverständlich ihr wahres Ich zeigen, einhergehend mit ihrer eigenen Entkleidung.
Das mit Blow-Job-Nahaufnahmen (glücklicherweise aus der halbwegs jugendfreien Hinter(n)ansicht) und Point-of-View-Shots komplett überladene, nennen wir es mal „Video“, ist allerdings vom ästhetischen Standpunkt aus äußerst schwer zu ertragen und auch sonst eines der Lowlights der vorliegenden Sammlung. Auch wenn die ziemlich bescheuerte finale Pointe je nach Stimmungslage durchaus dafür sorgen kann, dass man die Cola über den Fernsehtisch prustet.
5: VITRIOL
Eine große römische „I“ breitet sich über den Bildschirm aus. Die gewählte Kapitel-Struktur verrät große erzählerische Ambitionen, die auf den ersten Blick nicht mit dem Kurzfilmformat vereinbar scheinen. Michelle Garza Cervera hat offenbar viel zu sagen. Doch nicht Worte dienen ihr zu diesem Zweck, sondern eine bedrückende Aura der Stille.
Sich stützend auf eine Solo-Performance von Hauptdarstellerin Corina Lutzki, vertraut die Regisseurin auf die Wirkung langsamer Kamerafahrten und langer Einstellungen in einer kühl, fast schon steril abgefilmten Wohnung. Anstelle von Dialogen erzählen Bilder an den Wänden die Geschichte. Sie dokumentieren die Model-Vergangenheit der Frau, die nun ein isoliertes Dasein fristet und jeden Kontakt zur Außenwelt meidet. Dass ihr Leben einen radikalen Wandel vollzogen hat, ist offensichtlich; anhand der Indizien, die erfreulicherweise nicht ausbuchstabiert werden, darf man sich selbst zusammenreimen, weshalb.
„Vitriol“ begleitet nun in seinen drei Kapiteln die letzte Phase der Metamorphose. Der Horror wird nicht in die Bildmitte gerückt, er steht vielmehr wie eine Giftwolke in der Luft und breitet sich in den beiden Höhepunkten hauptsächlich im Off aus. Garza findet einen radikalen Ausdruck, um der weiblichen Selbstbestimmung Gehör zu verschaffen. Das aus dem klassischen Rape & Revenge bekannte Auge-um-Auge-Prinzip wird angereichert mit freiwilliger Selbstverstümmelung, die gewissermaßen als Eingeständnis dafür steht, dass Emanzipation ohne Formveränderung nicht möglich ist.
Insofern sind im fünften Kapitel der Anthologie gewisse Tiefen verborgen, wenngleich diese aufgrund der kurzen Laufzeit leider nicht zur Reife gelangen. Wo das dritte Kapitel aus nichts anderem besteht als einer kurzen, blutigen Pointe, hat sich die behutsam aufgebaute Substanz längst wieder entflüchtigt.
6: NO TE DUERMAS
Dass Mexikaner schon von klein auf mit Legenden und Aberglauben angefüttert werden, versucht Sergio Tello mit „No Te Duermas“ (dt.: „Schlaf nicht ein“) zu veranschaulichen. Obwohl es sich auch hier wieder um eine Gegenwartserzählung handelt, sind die Geister uralter Traditionen überaus präsent. Das Generationen-Portrait folgt gefügsam den Klischees vom kurzsichtigen Vater und der esoterisch veranlagten Großmutter, die den Enkel Empfänglichkeit für jenseitige Mächte auf den Weg gibt.
Was sich in der nüchternen Wirklichkeit als Maßnahme entpuppen würde, das Kind an gewisse Verhaltensregeln zu gewöhnen, artet hier natürlich in eine Gestaltwerdung der alten Geschichten aus, die aus Großmutters Munde stets ein wenig verrückt klingen. Abgesehen von warnenden Stimmen, die von Echo begleitet über gruselige Dinge reden, fällt Tello leider nicht viel ein. Es ist das vielleicht uninteressanteste Kapitel im zweiten Band der mexikanischen Barbarei; keine Zumutung, aber aufgrund seiner Ereignislosigkeit einfach vergessenswert. Das reißt auch der unvermittelte Auftritt eines abstrusen Vogelmenschen nicht mehr heraus.
7: YA ES HORA
Dass Carlos Meléndez zu den erfahreneren Regisseuren der Sammlung gehört, macht er auf vielen Ebenen deutlich, an die manches Greenhorn noch nicht einmal denken würde. Nicht nur betreibt er eifrig Dialektik mit den übrigen Beiträgen, die sich ansonsten weitestgehend autonom um das eigene Sujet drehen, auch entfesselt er zunächst tröpfchenweise, dann flutartig die gute, alte Splatter-Comedy der Jackson- und Raimi-Schule. Ein bonbonbuntes Mädchenschlafzimmer mausert sich so von der Pyjama-Party-Hauptzentrale in verschnörkeltes Fließband der abstrusen Spezialeffekte, die von glaubwürdiger Körperanatomie weiter entfernt sind als von den dehnbaren Gesetzen eines Wile E. Coyote.
Auch wenn die Folge ein wenig Zeit braucht, um auf Touren zu kommen, sie belohnt im Abgang mit einem Strauß an verrückten Ideen, und zum ersten Mal nach rund einer Stunde dieser insgesamt eher ernsten Zusammenstellung steigt der Fun-Faktor in halbwegs vorzeigbare Bereiche an, obwohl sich ja schon „Bolas de Fuego“ an einem Augenzwinkern versucht hatte. Das hier ist noch einmal eine andere Kategorie: Nicht immer komplett stilsicher, aber in Idee und Umsetzung äußerst kreativ.
8: EXODONCIA
Eigentlich wäre „Ya Es Hora“ ein schöner, euphorischer Schlusspunkt gewesen, aber Lex Ortega, der als Einziger schon beim ersten Teil als Regisseur mit an Bord war (Segment „Lo que importa es lo de adentro“), schickt noch einen Stimmungs-Downer hinterher. „Exodoncia“ befasst sich mit dem Thema Drogen und fällt entsprechend heftig in seiner Wirkung aus. Die mit harten Kontrasten versehene, oft ins Schwarzweiß driftende Optik nimmt das Sichtfeld eines Drogensüchtigen ein und wird somit zur visuellen Simulation für bewusstseinserweiternde und -reduzierende Stimulanzien, nicht unähnlich zu Danny Boyles Klassiker „Trainspotting“ oder Jonas Akerlundts „Spun“. Ortega schreckt nicht davor zurück, unangenehm ins Detail zu gehen und auch Tabus zu brechen. Es entsteht ein Stil wie aus einem Black-Metal-Video, inklusive entsprechendem Make-Up. Mit der hasenartigen Fetisch-Kreatur hat diese Folge außerdem die wohl bizarrste Gestalt des gesamten Films zu bieten.
Als Schlusspunkt ist dieser Trip womöglich etwas unglücklich gesetzt, obwohl er einen schönen Kontrast zur Vorgängerfolge ergibt; vielleicht hätte man die Position der Beiden einfach umkehren müssen, um zu einem noch positiveren Ergebnis zu gelangen…
Das Fazit zu “México Bárbaro II”
Nur der Eröffnungsbeitrag erzählt von vergangenen Tagen, danach steht das heutige Mexiko auf der Karte. Der enorme Gegenwartsbezug überrascht, sollte aber nicht überinterpretiert werden: Fast immer schweben nämlich die Geister alter Generationen durchs Bild. Auffällig ist, dass sämtliche Themen ihre Unabhängigkeit bewahren gegenüber den charakteristischen Entwicklungen des 21. Jahrhunderts – sieht man einmal von der Internet-Satire in „Bolas de Fuego“ ab, wobei selbst der von einer Legende inspiriert ist.
Zeitgleich wirken viele Beiträge leider oft unkonzentriert, es mangelt ihnen an Höhepunkten oder sie lassen eine markante Signatur vermissen. Es fehlt die Heterogenität und auch Spontaneität der ersten Zusammenstellung, auch gerade weil man aus den Verbindungselementen – die schüchternen Querverweise, die dezent gestalteten Pre-Title-Credits – nicht viel herausholt. Es gibt nur wenige Besonderheiten, was Optik, Effekte oder Drehbuch angeht; gerade im Mittelteil häufen sich die austauschbaren Module besorgniserregend. Eine Geburtsstunde von Meisterregisseuren findet leider auch diesmal nicht statt. Dennoch, wenn man die Stories ein wenig sacken lässt, wenn man sich ganz bewusst mit den Hintergründen befasst und bereit ist, sich in die mexikanische Kultur hineinzuversetzen, weiß auch „México Bárbaro II“ die Vorzüge regionaler Spezialitäten bis zu einem gewissen Rahmen zu bewerben.
(gute)
Informationen zur Veröffentlichung von “México Bárbaro”
¡Arriba arriba! ¡Andale ándale!
Wer „Villariba“ sagt, muss auch „Villabajo“ sagen! Wicked Visions Sub-Label Rawside zeigt ein Herz für Komplettisten und bringt nach „México Bárbaro“ nun auch die Fortsetzung nach Deutschland. Es handelt sich um die insgesamt vierte Veröffentlichung mit dem markanten Kreissägen-Logo auf dem Spine.
Die Verpackung
Und damit auch alles schön in eine Reihe passt, gibt es natürlich wie immer das bewährte Hochglanz-Mediabook aus italienischer Manufaktur. Während man beim Vorgänger noch aus vier Motiven wählen konnte, stehen derer nun immerhin drei zur Auswahl, alle mit der gleichmäßigen Limitierung von je 222 Stück. Cover A ist eine Collage von einigen der auffälligsten Masken und Kreaturen, die im Film zu sehen sind. Ein ziemliches Chaos aus Köpfen, die aber mit dem einheitlichen Sepia-Schleier homogenisiert werden. Der Look erinnert an ein durchgenudeltes Super-8-Band; der diagonal versetzt aufgedruckte Filmtitel wirkt darauf wie ein Brandzeichen.
Cover B überzeugt farblich mit dem selten anzutreffenden Zusammenspiel aus Violett und Lila und hat außerdem ein ikonisches Motiv zu bieten, dem dank des lodernden Feuers und des tätowierten Totenschädels Mexiko aus allen Poren strömt. Auch in Sachen Layout kann es sich mehr als sehen lassen. Das hier besprochene Cover C konzentriert sich hingegen auf eine Zeichnung der Protagonistin aus „Vitriol“, die uns mit Two-Face-Visage und entsprechender Beleuchtung direkt in die Augen sieht. Der diesmal blau gehaltene Hintergrund verfolgt mit einer Collage von Figuren aus weiteren Episoden das gleiche Konzept wie Cover A.
Erfreulich, dass das B-Cover (zumindest im C-Mediabook) außerdem als Vorderseite für das 24-seitige Booklet dient. Darin finden wir einen mit vielen, teils großflächigen (bis ganzseitigen) Szenenfotos geschmückten Text von Christoph N. Kellerbach, der sich im Detail mit der Entstehungsgeschichte des Films beschäftigt und für jede einzelne Episode Recherche betrieben hat, um die beteiligten Filmemacher näher vorstellen zu können oder die mythologischen Hintergründe einer jeden Story aufzudecken. Es lohnt sich, hier mal einen Blick hineinzuwerfen, denn die Geschichten gewinnen zweifellos an Faszination, je mehr man sich mit ihren Ursprüngen beschäftigt.
Gegen Ende des Booklets wartet außerdem noch das A-Mediabook-Originalartwork, auf der Booklet-Rückseite gibt es dann noch ein stimmungsvoll körniges Schwarzweißfoto aus „Exodoncia“.
Auf dem Backcover des Mediabooks prangt übrigens ein großer, fleischiger „Uncut Version“ Button. Das ist deswegen erwähnenswert, weil „México Bárbaro“ nur in dieser Mediabook-Edition ungeschnitten erscheint. Parallel kommt direkt über Donau Film eine günstigere Amaray-Ausgabe, die allerdings um etwa vier Minuten erleichtert wurde.
Schaut in den Trailer zu “México Bárbaro II” hinein
httpv://www.youtube.com/watch?v=D8kRt-Jm20g
Bild und Ton
Da es sich auch diesmal wieder um ein duales Format aus Blu-ray und DVD handelt, kann der Käufer selbst entscheiden, welchem Medium er den Vorzug geben möchte – sowohl Film als auch Extras sind auf beiden Medien enthalten. Die Bildqualität lässt sich aufgrund der unterschiedlichen kreativen Köpfe und Entstehungsbedingungen wieder recht schwierig einschätzen. Einige Folgen setzen auf kontrastreiche Farben („La Leyenda de Juan Soldado“, „Ya Es Hora“, andere auf digitale Heimkinooptik und ausgeblichenes Color Grading („Paidós Phobos“, „No Te Duermas“) oder heftige Körnung und radikale optische Verzerrungen („Exodoncia“). Man könnte also im besten Sinne von einem experimentellen Bild sprechen.
Tonal gibt es 5.1 auf die Ohren, ob man sich nun für den spanischen Originalton entscheidet oder für die deutsche Synchronisation. Letztere gehört gemäß des vertonten Gegenstands nun nicht gerade zur Referenzklasse, hält sich aber im Schnitt recht gut. Satte Surround-Effekte sollte man in den meisten Passagen nicht erwarten, aber Ambient- und Musikspuren kommen mit Druck aus den Boxen und die Dialoge sind klar verständlich.
Die Extras
Ein Audiokommentar hat es wie schon beim Vorgänger leider nicht auf die Scheibe geschafft, dafür finden sich aber wieder drei Hinter-den-Kulissen-Features im Bonus-Abteil. Mit „Juan Soldado“ ist einer der besten Kurzfilme dabei und mit „Bolas de Fuego“ und „No Te Duermas“ zwei der schwächeren, aber gerade „Bolas de Fuego“ profitiert sehr von den zusätzlichen Einblicken in die Dreharbeiten und die Konzeptionsphase. Dass selbst bei dieser sehr gegenwartsbezogenen Idee mexikanische Legenden im Hintergrund walten, hätte man aufgrund des reinen Ergebnisses nicht unbedingt erkannt. Bei „Juan Soldado“ erweisen sich vor allem die Einblicke ins Technische als interessant; kein Wunder, haben wir es doch hier mit dem aus cineastischer Sicht ambitioniertesten Beitrag zu tun.
Das Video zeichnet vor allem die konzeptionelle Vorgehensweise des Regisseurs nach und verrät teilweise auch, wie so manche elegante Kamerabewegung realisiert wurde. Diesen beiden Features von etwa 8-9 Minuten Länge schließt sich dann noch ein gut dreiminütiges B-Roll zu „No Te Duermas“ an, das allerdings vollkommen ohne Dialog auskommt. Lediglich Filmmusik läuft über den Zusammenschnitt, so dass hier der geringste Gehalt zu erwarten ist. Die Dialoge der ersten beiden Featurettes sind übrigens optional mit deutschen Untertiteln abspielbar, wobei jene von „Juan Soldado“ zusätzlich feste englische Untertitel im Bild hat. Der Hauptfilm verfügt selbstverständlich ebenfalls über deutsche Untertitel.
Schade, dass nicht jede Episode einen solchen Blick hinter die Kulissen spendiert bekommen hat. So bleibt zur Abrundung nur noch eine zweiminütige Bildergalerie (ohne Musik oder Kommentar) sowie der deutsche und spanische Trailer zum Film sowie zu dessen Vorgänger (jeweils als eigenes Extra aufgeführt, damit die Auflistung ein wenig Speck an die Rippen bekommt).
Man kann nicht pauschal sagen, dass jeder mit „México Bárbaro II“ glücklich wird, dem schon Teil 1 gefallen hat. Dazu unterscheiden sich die Beiträge zu sehr voneinander. Und es ist vermutlich nicht nur Geschmackssache; ein gewisser Qualitätsabfall ist kaum von der Hand zu weisen. Konzeptionell ist allerdings alles beim Alten geblieben. Wer grundsätzlich etwas mit mexikanischen Mythen anfangen kann und bereit ist, jungen Nachwuchsregisseuren eine Chance zu geben, der hat bestimmt noch ein Plätzchen im Regal frei.
Sascha Ganser (Vince)
Was hältst du von dem Film?
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