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Hotel Artemis

Originaltitel: Hotel Artemis__Herstellungsland: USA/Großbritannien__Erscheinungsjahr: 2018__Regie: Drew Pearce__Darsteller: Jodie Foster, Sterling K. Brown, Sofia Boutella, Jeff Goldblum, Brian Tyree Henry, Jenny Slate, Zachary Quinto, Charlie Day, Dave Bautista, Kenneth Choi, Josh Tillman, Evan Jones u.a.
Hotel Artemis

Zur prominenten Besetzung von “Hotel Artemis” von Autor und Regisseur Drew Pearce gehören Jodie Foster, Jeff Goldblum und Dave Bautista

Drew Pearce hat eine steile, aber nicht uninteressante Karriere hinter sich: Erst Arbeit an Brit-Serien wie der nach sechs Folgen eingestellten Superhelden-Comedy „No Heroics“, zwischenzeitlich kurze Sendepause und dann Arbeit als Co-Autor an zwei echten Actionkrachern: „Iron Man 3“ von Shane Black und „Mission: Impossible – Rogue Nation“ von Christopher McQuarrie. Man durfte also gespannt auf das Ergebnis seiner ersten Spielfilmregie „Hotel Artemis“ sein.

Das Rezept für seinen Sci-Fi-Thriller mit Actioneinlagen erinnert an „Strange Days“: Reale Probleme der Gegenwart aufgreifen und in der nahen Zukunft zu bürgerkriegsähnlichen Zuständen aufblasen. In diesem Fall die Wasserknappheit, die Kalifornien seit Jahren plagt und in „Hotel Artemis“ im Jahr 2028 zu Aufständen führt, als der ClearWater-Konzern die privatisierte Wasserversorgung runterdreht. Pearces Film spielt in Los Angeles (noch eine „Strange Days“-Parallele) und zeigt unter anderem eine Gruppe von Bankräubern, welche die Situation ausnutzen wollen: Die reichen Leute lassen ihre Wertsachen angesichts der Aufstände zur Bank bringen, die Räuber können sie dort stehlen und wollen im Chaos auf den Straßen entkommen, doch der Bruder des Anführers wird angeschossen.

Es gibt für die Kriminellen nur eine Anlaufstelle: Das titelgebende Hotel Artemis. Die Chefin (Jodie Foster) tritt nur unter dem Codenamen die Krankenschwester auf, ihren Helfer (Dave Bautista) nennt sie nur Everest. Auch die Gäste erhalten nur Decknamen nach ihren Suiten, die nach Erdteilen benannt sind. Der Chef der Räuber heißt hier Waikiki (Sterling K. Brown), sein Bruder Honululu (Brian Tyree Henry). Bereits anwesend sind die geheimnisvolle Nizza (Sofia Boutella) sowie das Großmaul Acapulco (Charlie Day). Die Benennung der Hauptfiguren mit Decknamen wildert natürlich im Revier von Quentin Tarantino, dessen Mechanismen Pearce hier eindeutig bedienen möchte.

Im Artemis jedenfalls können sich Gangster, die Mitglied sind, zusammenflicken lassen, müssen aber gewisse Regeln einhalten. Dummerweise hat das Hotel in dieser turbulenten Nacht nicht nur viele Gäste, sondern einige davon spielen auch ein doppeltes Spiel…

httpv://www.youtube.com/watch?v=iRrsR51vNBw

Hotel Artemis

Die Krankenschwester (Jodie Foster) und ihr Helfer Everest (Dave Bautista)

Moment einmal, ein Hotel für als Rückzugsort für Kriminelle, zu dessen Reglement auch verordneter Frieden auf dem Gelände gehört – das klingt doch sehr nach den Continental-Hotels aus der „John Wick“-Franchise. Auch an der in „John Wick 2“ verstärkt zu sehenden Ko-Existenz von Sci-Fi-Elementen und Retro-Look scheint sich Pearce zu orientieren: Hier stehen altmodische Musikabspielgerät neben futuristischen 3D-Druckern, werden Smokings mit Kevlar-Schutz in einer noirigen Hotel-Kulisse getragen. Der Krawall auf den Straßen könnte auch aus den „The Purge“-Filmen, vor allem aus „The Purge: Anarchy“, stammen, und auch sonst wirkt „Hotel Artemis“ wie ein filmisch Krimskrams-Laden, in dem sich Pearce fröhlich bei diversen hippen Inspirationsquellen bedient. Aber immerhin: Die Prämisse tönt mehr als interessant.

Dummerweise weiß „Hotel Artemis“ noch nicht einmal, welches Genre er genau bedienen möchte. Nominell ist er, allein schon aufgrund seiner Ansiedlung im Jahr 2028, ein Science-Fiction-Film, aber eine primäre Funktion des Genres, nämlich aktuelle gesellschaftliche Probleme (hier: Wasserknappheit oder die mögliche Privatisierung der Polizei, die schon „RoboCop“ thematisierte) in eine mögliche Zukunft weiterzudenken, hat sich mit der Auftaktszene schon erschöpft. Alles, was danach folgt, könnte fast durchweg in der Gegenwart angesiedelt sein. Es sei denn, man hält 3D-Drucker immer noch für den heißesten Scheiß von morgen, obwohl diese – wie in „Hotel Artemis“ – schon längst bei der Waffenproduktion oder in der Medizin (z.B. zur Herstellung von Zahnimplantaten) eingesetzt werden.

Hotel Artemis

Die geheimnisvolle Nizza (Sofia Boutella) checkt ebenfalls im Hotel Artemis ein

Eine Portion Action gibt es auch, aber die verteilt sich auf den kurzen Raubüberfall zu Beginn und die finale Eskalation. Letztere bietet ein Potpourri aus kurzen Schusswechseln (Knarren sind nach den Regeln des Artemis eigentlich auf dem Hotelgelände verboten) und schneidig choreographierten Nahkampfeinlagen, bei denen neben Fäusten und Füßen auch Dinge wie Operationsbesteck zum Einsatz kommen. Actionseitig macht „Hotel Artemis“ also durchaus Laune, nur gibt es leider zu wenig davon, um den Krawallenthusiasten durchweg glücklich zu stimmen.

Also versucht sich Pearce‘ Film vor allem als Thrillerkammerspiel, doch als solches hat er mehrere Schwächen. Allen voran die Tatsache, dass das Drehbuch hoffnungslos unterkomplex ist. Damit die Ordnung im Hotel gestört wird, muss eine Person falsch spielen. Wer das ist, das errät man schon fast auf Anhieb, aber der Film plappert es nach weniger als einem Drittel sowieso munter aus. Und was der Plan besagter Person ist, das kann sich nach kurzer Zeit auch schon jeder Zuschauer denken, der in seinem Leben mehr als drei Filme (egal welchen Genres) gesehen hat. Tatsächlich ist vieles, um das „Hotel Artemis“ viel Gewese macht, am Ende erschreckend banal. Die groß aufgebauschte Vergangenheit der Krankenschwester und ihre geheimnisvolle Verbindung zur späten auftauchenden Morgan (Jenny Slate) wird so simpel aufgelöst, dass die donnernden Ankündigungen regelrecht lachhaft wirken.

Hotel Artemis

Waikiki (Sterling K. Brown) möchte eigentlich nur sich und seinen Bruder lebend aus der Sache herausbekommen

Aber auch als Gangsterstück auf Tarantinos Spuren versagt „Hotel Artemis“. Denn wo bei diesem jede noch so archetypische Genrefigur Profil und Eigenleben gewinnt, da sind die Charaktere bei Drew Pearce kaum mehr als pure Schablonen: Das Muskelpaket mit Herz, der aufopferungsvolle Gangster, sein Versagerbruder usw. Sie entwickeln kein Eigenleben, sind in vielen Fällen ohne nennenswerte Vergangenheit und Zukunft. Dementsprechend sind auch die zahllosen Dialogszenen schon begrenzt interessant, da einem die Figuren relativ schnurz sind. Und besonders pfiffige Dialoge gelingen Pearce leider auch nicht. Da ist es schon reichlich vermessen, dass der Abspann sogar noch Interesse an einer Fortsetzung bekundet – wohl deshalb bleibt wohl auch das Schicksal zweier Figuren offen, die man zuletzt gegen eine Übermacht kämpfen und danach nicht wiedersieht.

Immerhin: So reißbrettartig die Figuren auch bleiben, so gut sind ihre Darsteller gecastet. Dave Bautista spielt seine aus „Guardians of the Galaxy“ bekannte Persona als gutherziger Schlägertyp megasympathisch aus, Charlie Day („Pacific Rim“) punktet als großmäuliger Wicht und Sofia Boutella darf jene Kick-Ass-Attitüde an den Tag legen, die in „Atomic Blonde“ ihre Filmpartnerin Charlize Theron zeigte. Sterling K. Brown („Predator – Upgrade“) als professioneller, aber gutherziger Gangster und Quasi-Identifikationsfigur überzeugt, ebenso Brian Tyree Henry („Joker“) als sein Bruder. Vor allem aber ragen zwei Altstars hervor: Zum einen Jodie Foster („Elysium“), die zwar etwas überbetont auf alt geschminkt wurde, aber die gute Fee mit Agoraphobie toll verkörpert (auch wenn ihr Tick bloß wieder eine Notwendigkeit des Drehbuchs ist), zum anderen Jeff Goldblum („Hexensabbat“) als Gangsterboss mit dem schönen Namen The Wolf King, der auch ohne Drohgebärden oder Gewaltakte erhaben wirkt. Diese Gesten überlässt er seinem Filmsohn Zachary Quinto („Star Trek: Beyond“), der in einer kleinen Rolle das heimliche Highlight des Films ist: Ein Papasöhnchen, das Daddys Anerkennung will und seine Minderwertigkeitskomplexe durch Aggression verbergen möchte. In weiteren kleinen Parts sieht man noch die bekannten Gesichter von Jenny Slate („Venom“), Kenneth Choi („Office Uprising“) und Evan Jones („Criminal Squad“).

Dank dieser Darbietungen, eines durchaus gefälligen Noir-Styles und gelungener, aber kaum auftretender Action ist „Hotel Artemis“ phasenweise leidlich unterhaltsam. Aber angesichts des lächerlich banalen Plots, oberflächlicher Reißbrettfiguren und nur begrenzt geschliffener Dialoge ist Pearce‘ Film über weite Strecken auch reichlich uninteressant. Und damit angesichts der interessanten Prämisse und der erlesenen Besetzung sogar fast schon ärgerlich.

Hierzulande hat Concorde „Hotel Artemis” auf DVD und Blu-Ray veröffentlicht, ungekürzt ab 16 Jahren freigegeben. Das Bonusmaterial umfasst Interviews mit Drew Pearce und Cast-Mitgliedern, Trailer sowie einen Audiokommentar von Regisseur und Produzent.

© Nils Bothmann (McClane)

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Copyright aller Filmbilder/Label: Concorde__FSK Freigabe: ab 16__Geschnitten: Nein__Blu Ray/DVD: Ja/Ja

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