Originaltitel: Dust Devil__Herstellungsland: Großbritannien/Südafrika__Erscheinungsjahr: 1992__Regie: Richard Stanley__Darsteller: Robert John Burke, Chelsea Field, Zakes Mokae, Marianne Sägebrecht, John Matshikiza, Terri Norton, Rufus Swart, William Hootkins, Russell Copley, Andre Odendaal, Luke Cornell u.a. |
Mit seinem Low-Budget-Endzeit-Horrorfilm „M.A.R.K. 13 – Hardware“ hatte sich Richard Stanley als effektiver Genrefilmer mit Blick für coole Looks erwiesen, doch schon bei seinem zweiten Spielfilm „Dust Devil“ hatte er weniger Glück: Er bekam Probleme mit den Produzenten, die seinen arthousigen Horrorfilm für das US-Release zu einem 90-minütigen Serienkillerstreifen zusammenschnippelten. Auf DVD erschien zum Glück Stanleys knapp 20 Minuten längerer Final Cut.
Der südafrikanische Regisseur und Drehbuchautor spürt in diesem Film afrikanischen Mythen nach und lässt schon am Anfang via Voice-Over vom titelgebenden Dust Devil erzählen, der in Menschengestalt serienmordend durch die Lande zieht. Als der cowboyartige Drifter (Robert John Burke) zu Beginn auftritt, liefert Stanley kurz jene Form von aufmerksamkeitsheischenden Horrorthriller, die sich die Geldgeber wohl erhofften: Der Dust Devil verführt eine Frau, der er jedoch einen Coitus Interruptus via Genickbruch beschert, ehe er sich mit einem Messer an der Leiche zu schaffen macht. Doch in der Folge geht es Stanley weniger um Gore und Bodycount.
Denn es werden zwei weitere Figuren eingeführt. Zum einen ist da der Cop Ben Mukurob (Zakes Mokae), der den Mord am letzten Opfer des Staubteufels in Namibia aufklären soll und auf ein Muster stößt. Polizeifilmtypisch erwischt man Ben nicht in seiner besten Stunde: Sein Vorgesetzter und Freund Cornelius Beyman (William Hootkins) will den Dienst quittieren, Ben ist ein Einzelgänger und schleppt eine emotionale Last mit sich herum. Emotional belastet ist auch Wendy Robinson (Chelsea Field) aus dem benachbarten Südafrika, welche die Gegenwart ihres gewalttätigen Mannes Mark (Rufus Swart) nicht mehr erträgt und vor ihm flieht. Bei den meisten anderen Figuren sieht es kaum besser aus: „Dust Devil“ ist eine Art Treffen der versehrten Seelen.
Als Wendys Weg sie nach Namibia führt, liest sie einen Anhalter auf – den dämonischen Serienkiller. Während sie mit ihrem brandgefährlichen Kompagnon durch die Lande fährt, stößt auch Ben auf ihre Spur. Doch findet er sie, ehe es zu spät ist?
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Das mag auf den ersten Blick nach einem klassischen Wettlauf-gegen-die-Zeit-Plot klingen, doch für Stanley ist die Serienkillergeschichte eher eine Art Unterbau, den er zwar bedient, aber nicht ausgiebig. Der Mord in der Auftaktszene bleibt die grausigste Tat des Dust Devil: Er tötet sonst nur selten in dem Film und meist kriegt man nur die Ergebnisse seiner Ritualmorde mit, etwa wenn die Cops ein Wohnmobil voller Leichenteile finden. Auch die Prämisse um den Killer im eigenen Auto, die Filme von „Hitcher“ über „Kalifornia“ bis zu „Switchback“ und „Bad Heat“ nutzten, gestaltet er ganz spannend, schlachtet sie aber nicht als Nervenkitzelthriller aus: Teilweise verschwindet der Drifter kurzzeitig auf magische Weise, ehe er sich erneut in Wendys Nähe begibt, und er scheint erst gegen Ende des Films ernsthaft daran interessiert zu sein sie umzubringen. Dass in einem Autokino, das Ben aufsucht, „Das Geheimnis der schwarzen Handschuhe“ läuft, scheint ein Hinweis zu sein: Ähnlich wie Dario Argento geht es Stanley hier wohl mehr um die Form als um den Inhalt.
So brennen sich die Bilder deutlich mehr ein als die Story des Films ein: Oft sind die Aufnahmen mit Farbfiltern oder durch entsprechende Ausleuchtung verfremdet, manchmal in grellem Wüstenrot, mal in surrealem Nachtblau. „Dust Devil“ hat zuweilen die Anmutung eines Fiebertraums, ist auf seine trippige Weise manchmal eher assoziativ als stringent erzählt, mit entsprechend hypnotischem Soundtrack. Die titelgebende Titelfigur kommt aus einem Reich hinter den Spiegeln, tötet nach einem nur ihm bekannten Muster, wobei seine Opfer die sind, die alles verloren haben, die teilweise selbst nicht mehr leben wollen: Wendy überlegt in einer Szene sich selbst die Pulsadern aufzuschneiden. Dabei steht in „Dust Devil“ in interessanter Beziehung zu Stanleys „M.A.R.K. 13“, ist gleichzeitig dessen Gegenstück und Weiterführung. Die Optik ist ähnlich, während die Gegenwart von „Dust Devil“ ähnlich trostlos wirkt wie Zukunft von „M.A.R.K. 13“. Doch der Vorgänger war ein Kammerspiel mit einer Künstlerin und einem Killerroboter, „Dust Devil“ dagegen hat Elemente des Road Movies, schwelgt in weiten Landschaften. Doch obwohl die Beengung von „M.A.R.K. 13“ hier der Weite weicht, so ist Namibia in „Dust Devil“ ähnlich entvölkert und menschenleer. Es tritt nur eine kleine Gruppe handlungsrelevanter Figuren auf, der Cast ist übersichtlich.
Den führt ein extrem charismatischer Robert John Burke („2 Guns“) an, dessen geheimnisvolle wie diabolische Ausstrahlung als geisterhafter Serienkiller den Film über weite Strecken trägt. Doch er hat zwei starke Spielpartner aus Hollywoods zweiter Reihe an seiner Seite. Chelsea Field, mit „Last Boy Scout“, „Extreme Justice“, „Prison“ und „Harley Davidson & the Marlboro Man“ gut im Genrekino der späten 1980er und frühen 1990er unterwegs, ist eine verletzte, aber trotzdem toughe Heldin. Kein einfaches Opfer, keine Frau am Rande des Nervenzusammenbruchs, sondern eine verwundete Seele, auf der Flucht und auf der Suche nach sich selbst. Zakes Mokae („Parker Kane“) überzeugt als Cop, der zu viel gesehen und zu viel erlebt hat. Weitere Akzente setzen John Matshikiza („Kickboxer 5“) als geheimnisvoller Filmvorführer sowie Marianne Sägebrecht (wüstenerfahren durch „Out of Rosenheim“) als Gerichtsmedizinerin.
Stanleys Reigen der verlorenen Seelen soll dann auch über reines Genrekino hinausgehen, sondern auch die Seele Afrikas erforschen. Zum einen bedient der Film sich an der Mythologie der Urvölker, ohne diesen voyeuristisch auszuschlachten, sondern eben für konsequent fürs Horrorkino einzusetzen wie europäische Schauergeschichte oder urbane Legende aus den USA. Zum anderen erzählt „Dust Devil“ am Rande von einem Kontinent, der immer noch von Rassismus und einer Zweiklassengesellschaft geprägt ist: Da prügeln zwei weiße Kollegen wie selbstverständlich eine banale Information aus einem schwarzen Zeugen heraus und sind sich am Ende keiner Schuld bewusst. Umgekehrt endet Marks Suche nach Wendy in einer Bar für schwarze Besucher nicht gerade erfreulich für ihn. Gleichzeitig ist „Dust Devil“ eine Art Horrorwestern, dessen Bildkompositionen und Motive immer an das Cowboy-Genre erinnern, vor allem die Italowestern von Sergio Leone und Co.
Es ist also ein interessantes Gebräu aus Ideen und Einflüssen, das Stanley da serviert – aber kein hundertprozentig gelungenes. Dem Hang zum Exotischen und Mystischen stehen immer wieder Voice-Overs gegenüber, die fast anmaßend alles bis ins kleinste Fitzelchen erklären und phasenweise unnötig sind. Sie erzeugen an diesen Stellen keine Stimmung, sondern ergeben sich dem platten Ausbuchstabieren. Zum anderen reißt „Dust Devil“ zwar die seelischen Verwundungen seiner menschlichen Protagonisten an, lässt diese aber so stehen, kommt ihnen nie näher. So verfolgt man das Geschehen doch eher distanziert als involviert, bangt wenig um die Figuren, obwohl beide nicht lebend davonkommen könnten. Zudem ist „Dust Devil“ manchmal eine Spur zu gemächlich, vernachlässigt seine Genreaspekte zu sehr zugunsten der exquisiten Optik. Dafür ist Stanleys Werk handwerklich auf hohem Niveau, gerade in Angesicht des knappen Budgets: Nicht nur die Inszenierung ist stimmig, auch der Einsatz von Masken (etwa beim Spiegelbild aus einer anderen Welt) und Effekten (etwa die Gore-FX bei einem Kopfschuss am Ende) ist stets sehr ansehnlich.
„Dust Devil“ ist ein interessanter Bastard aus Genre-B-Picture und Arthouse-Film: Einerseits ein Serienkillerthriller mit teilweisen derben Goreszenen, andrerseits eine tiefenentspannte Meditation über afrikanische Folklore. Das kommt nicht immer überzeugend zusammen, zumal Stanley seine Figuren manchmal zu sehr vernachlässigt, punktet aber durchaus mit Stilwillen und einer Stimmung, in der alle Charaktere nur zum Tanz der verlorenen Seelen antreten.
In Deutschland war „Dust Devil“ auf VHS in einer Fassung zu sehen, die etwas länger als amerikanische R-Rated ist, jedoch immer noch um zahlreiche Handlungsszenen erleichtert wurde. In dieser Fassung bekam der Filme eine FSK-18-Freigabe und wurde indiziert. Mit der gleichen Freigabe erschien der Final Cut bei Laser Paradise auf DVD. Seit 2019 ist „Dust Devil“ hierzulande im Mediabook auf DVD und Blu-Ray von Koch Media erhältlich. Diese ließen den Film neu prüfen und erhielten eine FSK-16-Freigabe für „Dust Devil“ im ungekürzten Final Cut. Das Bonusmaterial des Mediabooks umfasst den Workprint zum Film, Interviews, Trailer, weitere Dokumentationen von Richard Stanley sowie den Soundtrack auf einer Extra-CD.
© Nils Bothmann (McClane)
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