Originaltitel: Hatsukoi__Herstellungsland: Japan__Erscheinungsjahr: 2019__Regie: Takashi Miike__Darsteller: Masataka Kubota, Nao Ohmori, Shôta Sometani, Jun Murakami, Becky, Seiyô Uchino, Sakurako Konishi u.a. |
Irgendwie kommt es einem vor, als hätten wir erst vor wenigen Wochen Takashi Miikes 100. Film „Blade of the Immortal“ vorgestellt. Und schon wartet das Enfant Terrible mit seinem inzwischen 103. Film auf. Der Mann wird scheinbar einfach nicht müde.
Findelkind Leo musste sich schon immer durchboxen. Was liegt da näher, als sein Glück als Profiboxer zu versuchen? Und es lässt sich gut an. Der Amateur kämpft sich von Sieg zu Sieg und sein Aufstieg scheint unaufhaltsam. Da kassiert er bei einem Fight einen Zufallstreffer, der ihn vollkommen ausknocked. Um sicherzugehen, dass der unverhoffte Schwinger keine bleibenden Nachwirkungen hat, unterzieht sich Leo einem MRT.
Bei diesem stellen die Ärzte fest, dass der junge Boxer einen gewaltigen Tumor in seinem Kopf hat. Eine Operation erscheint zu riskant. Leo bleiben nicht mehr viel Tage. Mit dieser Hiobsbotschaft im Hinterkopf stapft der junge Mann durch Tokio, als eine junge Frau auf ihn zu gerannt kommt und schreit, er möge doch ihren Verfolger aufhalten. Einen mörderischen Schwinger später lernt Leo das soeben gerettete, süße Callgirl Monica kennen.
Monica hatte es ebenfalls nicht leicht. Als Teenagerin wurde sie von ihrem hoch verschuldeten Vater verkauft, damit sie als Liebessklavin dessen Schulden abarbeitet. Das damit verbundene Leid erträgt Monica nur mithilfe von Drogen. Diese lassen sie immer wieder in Halluzinationen abgleiten. Obendrein war sie just an dem Abend des Zusammentreffens mit Leo unwissend wesentlicher Bestandteil eines Coups, den ein aufstrebender Jung-Yakuza abgezogen hat. Und der muss ALLE Spuren beseitigen.
Die Folge ist eine blutrot eingefärbte Nacht, in der Yakuza, Chinesen, korrupte Cops und ein junges Liebespaar ums Überleben kämpfen…
Schaut in den neuen Takashi-Miike-Film hinein
httpv://www.youtube.com/watch?v=EjvrskpPgUA
Das größte Problem von „First Love“ sei an dieser Stelle direkt vorweggenommen: Takashi Miike findet keinen wirklichen Weg, den Zuschauer mittels des Liebespaares Leo und Monica in den Film hineinzuziehen. Und das ist durchaus traurig. Denn zum einen geben Masataka Kubota (Leo) und Sakurako Konishi (Monica) ein hinreißendes Pärchen ab und zum anderen haben sie eine tolle Chemie miteinander. Doch Miike macht nichts daraus. Macht sie zu Zuschauern in ihrem eigenen Film. Denn Miike hat einen anderen Fokus.
Und der liegt auf einem seiner Lieblingsthemen. Der Yakuza. Diese zeichnet er diesmal als von der Globalisierung überrannte Organisation, die sowohl den zersetzenden Einflüssen von außen als auch von innen nichts entgegenzusetzen hat. Von außen wirken die chinesischen Triaden ruchloser, brutaler und besser organisiert. Von innen sorgen Emporkömmlinge beständig für Ärger und zeigen mit ihren modernen Ansätzen auf, wie überkommen und veraltet die Machtstrukturen in der Yakuza längst sind.
Rund um die Yakuza-Thematik lanciert Takashi Miike in „First Love“ einen fantastischen, nimmermüden, teils ultrafinsteren Humor, der sein 103. Werk trotz emotionaler Distanz zu den vermeintlichen Hauptfiguren extrem unterhaltsam und rasend komisch macht und zu keiner Sekunde Langeweile aufkommen lässt. Dabei gerät vor allem Shôta Sometani („Parasite“) als Yakuza-Emporkömmling zum genialen Showstealer, um den herum die Menschen wie die Fliegen sterben. Wenn Sometanis Kase irgendwann im Film einen Konkurrenten mit dem Wagen überrollt und beinahe gelangweilt fragt, der wie vielte Tote das wohl an diesem Abend war, kriegt man das Feixen lange Zeit gar nicht mehr aus dem Gesicht.
Auch die anderen Darsteller von „First Love“ funktionieren richtig gut. Zwar verfallen viele von ihnen immer mal wieder in den Overacting-Modus. Doch zu dieser überspannten und blutgetränken Farce passt das wie Arsch auf Eimer. Apropos blutgetränkt: Miike lässt zu Beginn von „First Love“ immer mal wieder kurz die Gewalt eskalieren. Da rollen Köpfe über Bordsteine und durchschlagen Kugeln menschliche Körper. Viel Action hat sein „First Love“ allerdings lange Zeit nicht zu bieten. Erst circa 30 Minuten vor Schluss führt Miike alle offenen Handlungsfäden und handelnden Parteien in einem Supermarkt zusammen und lässt die Situation genüsslich eskalieren.
Von blutigen Shootouts über ebensolche Schwertkampfduelle wird hier dann eine Menge geboten. Das wird dynamisch und mit Sinn für derbe Schauwerte in Szene gesetzt. Vollkommen abgehoben gerät dann das Finale der Szene, in der Miike direkt in den Zeichentrickfilm-Modus umschaltet. Wäre man jetzt noch richtig in dem Film drin, etwa weil Leo und Monica so prächtig funktionieren, wäre das Ergebnis vermutlich richtiggehend begeisternd. Erstaunlicherweise liefert Miike in den letzten Minuten dann genau das, was man von dem Film gerne vorher gesehen hätte: Das Liebespaar beim Interagieren. Und so schließt der bis dato wilde Ritt mit unvermutet ruhigen, durchaus drangehängt wirkenden Bildern.
„First Love“ ist ein hübsch schwarzhumoriger Spaß
„First Love“ zeigt einen insgesamt recht geerdeten Takashi Miike. Ja, es rollen wild lächelnde und mit den Augen klimpernde Köpfe über den Boden, Arme werden abgehackt und kopflose Körper laufen orientierungslos durch die Gegend, aber die gewohnten Geschmacklosigkeiten und extremen Absurditäten haben diesmal Pause. Stattdessen wird die Yakuza gnadenlos seziert und vorgeführt und schlägt sich ein herrlich schwarzer Humor Bahn. Spielfreudige Darsteller, ein cooler Score und ein starkes Finish werten das erstaunlich zugängliche Werk auf.
Leider schafft es der Regisseur nicht, eine Verbindung zwischen den Hauptfiguren und dem Zuschauer aufzubauen. Denn gegen eine japanische „True Romance“-Variante hätte ich persönlich gar nichts einzuwenden gehabt. Doch Miike drängt sein Liebespaar viel zu sehr an den Rand und verschwendet hier und da etwas zu viel Zeit mit nichtssagenden Nebenfiguren. Dennoch ist sein 103. Film ein sehr unterhaltsames Stück Kintopp geworden, das über seine gesamte Laufzeit hinweg souverän zu unterhalten weiß.
Die deutsche DVD / Blu-ray kommt am 5. Mai 2020 von Eurovideo und ist mit einer FSK 18 Freigabe ungeschnitten. Extras zum Film hat es bis auf den Trailer leider keine.
In diesem Sinne:
freeman
Was meint ihr zu dem Film?
Zur Filmdiskussion bei Liquid-Love
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