Originaltitel: Cadillac Man__Herstellungsland: USA__Erscheinungsjahr: 1990__Regie: Roger Donaldson__Darsteller: Robin Williams, Tim Robbins, Pamela Reed, Fran Drescher, Zack Norman, Lori Petty, Annabella Sciorra, Paul Guilfoyle, Bill Nelson, Eddie Jones, Mimi Cecchini, Tristine Skyler, Lauren Tom, Kim Chan u.a. |
Wer versucht, einen Autohändler zu durchschauen, könnte genauso gut blind in einen völlig verschlammten Teich hüpfen. Und darin auch noch mit bloßer Hand Aale fangen wollen. Der Instinkt rät dem durchschnittlichen amerikanischen Bürger jedenfalls zur Vorsicht. Immer dran denken: Dieser windige Kerl im schlecht geschnittenen Anzug, der wie ein professioneller Einbrecher die Tür ins Innere deiner Comfort Zone aufbricht und als Werkzeug dafür einlullenden Smalltalk anwendet, ist nicht dein Freund. Er will dir nichts Gutes, er will nur dein Geld. Wer also einen Autokauf plant, hat vorsorglich schon mal alle Alarmglocken im Bereitschaftsmodus. Warum sollte man sich dafür interessieren, wie es bei so einem Kerl im Inneren aussieht, wenn nicht, um beim Feilschen um den Endpreis einen Vorteil herauszuholen?
Nun… vielleicht, weil man einen von ihnen kennt und ein paar Dinge gerade rücken möchte, die sich im Kollektiven Bewusstsein zum Klischee entwickelt haben. Wie im Fall Roger Donaldson (“Pakt der Rache“). Der hatte zufällig einen autoverrückten Mechaniker und Autohändler zum Vater und wurde von ihm auch schon mal zur Rennbahn in Melbourne mitgeschleppt. Donaldsons Regie-Karriere begann mit Autos („Smash Palace“, 1981) und wird bis zum heutigen Tag von Autos begleitet („McLaren“, 2017). Offensichtlich besteht also eine gewisse Verbundenheit zur Szenerie und zu den Menschen, die sie zum Leben erwecken. Was könnte „Cadillac Man“ also anderes sein als ein Andenken an den eigenen Vater und die Kindheitserinnerungen, die von dessen Leidenschaft entscheidend mitgeprägt wurden?
Allerdings ist von einem solch persönlichen Ansatz zu Beginn noch nichts zu spüren. Eingeführt wird der von Robin Williams gespielte Verkäufer Joey O’Brien als hinterlistiger Parasit, der für den eigenen Profit im besten Sinne des Wortes über Leichen geht. Denn wie könnte Komödie eine noch schwärzere Färbung annehmen als im schamlosen Versuch, einer Witwe am Tag der Beerdigung ihres Mannes ein neues Auto zu verkaufen?
Diese Szene, die Peter Jackson sechs Jahre später glatt für seinen Einstieg in „The Frighteners“ recycelt haben könnte, ist der erste Dominostein für eine Kette weiterer charakterlicher Verfehlungen der Hauptfigur, die das Drehbuch Szene für Szene freilegt. Wäre dies ein akkurates Abbild von Roger Donaldson Senior, so fiele es nicht besonders vorteilhaft aus, gerade was den Umgang mit Frauen angeht: Wird in einer Szene noch die Bettdecke mit Fran Drescher (“Die Nanny”) geteilt, streichelt der linkische Überlebenskünstler nur wenige Filmminuten später Lori Pettys (“Point Break“) Ego, als wäre er ein fürsorglicher, treuer, monogamer Partner. Und als wäre dies noch nicht genug, sind die Gefühle für Pamela Reed (“Kindergarten Cop”) in der Rolle der Ex-Frau auch noch nicht ganz ausgeschwitzt.
Wir haben es in der Vorstellungsphase des ersten Akts also noch eher mit einem klassischen Käfigtauchgang in die wunderbare Welt eines Haifischbeckens zu tun, dessen Kodex nicht nur im Job gilt, sondern auch im Privaten. Über einen Haifisch, der augenzwinkernd zu einem Rundgang einlädt, soll man üblicherweise in die Regeln und Gesetze einer Branche eingeweiht werden, in die man ansonsten wenig Einblick hat. Des öfteren durchbricht Robin Williams die vierte Wand, wenn er sich am Steuer seines Cadillac der Kamera auf dem Beifahrersitz zuwendet und mit dem Zuschauer redet, so wie er es ansonsten via Off-Kommentar zu tun pflegt. Das hat schon viel von dem Charme einiger moderner Scorsese-Gangsterklassiker. Da spricht ganz sicher kein sympathischer Mensch zu uns, allerdings doch ein charakterliches Unikat, das deswegen fasziniert, weil es zumindest nach einem fest definierten Credo lebt.
Schaut in den restaurierten Trailer zu “Cadillac Man”
httpv://www.youtube.com/watch?v=mO8ykvKR3R0
Aus diesem Comicrelief entsteht allerdings nach etwa vierzig Minuten etwas völlig Neues, als ein zweites Comicrelief mit einer Hand am Motorradlenker und der anderen an einer AK-47 durch die Schaufenster des Büros kracht. Tim Robbins, ausgestattet mit Dorftrottelblick und wirrer Vogelnest-Frisur, wird zum Game Changer, just in dem Moment, als bei der Hauptfigur all die Frauengeschichten und der steigende Druck, den Tagessatz an Verkäufen zu erreichen, zu kollidieren drohen. Auf einmal ist „Cadillac Man“ ein ganz anderer Film: kreischende Geiseln, bellendes Kleinvieh und ein eifersüchtiger Terrorist bestimmen fortan den Takt. Minutenlang dreht sich das Skript im Kreis, als es selbst die Planlosigkeit von Robbins’ Figur annimmt, der nun Menschen mit einer Waffe bedroht und nicht so ganz weiß, was eigentlich als nächstes passieren soll.
Robbins hat den dumpfbackigen Verlierertypen natürlich gut genug drauf, dass man auf Anhieb Mitleid mit ihm empfindet, ein Mitleid, das den Zuschauer mit der Hauptfigur erstmals eint. Donaldson nutzt ab sofort den Rhythmus des sich anbahnenden Stockholm-Syndroms, um sich dem bis dato aalglatten Hauptdarsteller zu nähern, der auf einmal in einem ganz anderen Licht erscheint. Robin Williams, dessen Vater selbst in einer hohen Position bei einem Automobilhersteller beschäftigt war, gelingt dieser Sprung vom selbstsüchtigen Händler zum menschenfreundlichen Vermittler fast nahtlos, weil er weder in der ersten Phase die Skrupellosigkeit überreizt noch in der zweiten Phase allzu sehr den Philanthropen heraushängen lässt. Oberflächlich mag dieser Spagat gemessen an der einfachen, teils schablonenhaft gezeichneten Rolle profan sein; wie schnell so etwas aber zur schrillen Karikatur verkommen kann, hat schließlich Bruce Willis in „Breakfast for Champions“ bewiesen.
Dennoch gelingt es dem Regisseur nicht, die Waage in gleicher Manier zu halten. Ähnlich wie Robert Zemeckis bei „Used Cars“ ist Donaldson nicht dazu in der Lage, den Ton einmal sauber zu treffen und dann durchgehend zu halten. Die Szenen im chinesischen Restaurant zeigen auf, welch komödiantisches Potenzial in diesem Film schlummert; Lauren Tom („Futurama“) ist großartig in ihrer Nebenrolle als Kellnerin, die den Kunden ihre Rassenvorurteile postwendend auf dem Teller retourniert. Ein wunderbarer Running Gag, der selbst während der Geiselnahme anhand von dinierenden Spezialeinheiten weiter ausgespielt wird. Im direkten Vergleich wirkt der Hauptschauplatz seltsam spannungsarm, chaotisch und gegen Ende auch viel zu zerfasert. Wenige Impulse von außen und wenige Entwicklungen im Inneren sorgen dafür, dass man sich selbst im Angesicht der gezückten Waffe eines Liebestollen mit gebrochenem Herzen an einem gewissen Punkt zu langweilen beginnt, bevor erneut Chaos und Geschrei die Situation zu einem Ende führen, das dann aber auch wieder viel zu breit ausgewalzt wird.
Entstanden irgendwo zwischen seinen ersten großen Erfolgen „Good Morning, Vietnam“, „Der Club der toten Dichter“, „König der Fischer“ und „Hook“, ist „Cadillac Man“ in Sachen Aufwand für Robin Williams wieder eine Rückkehr zu seinen weniger beachteten Comedy-Rollen der frühen und mittleren 80er Jahre. Ein kleiner Ausschnitt aus dem großen Amerika, in dem tragikomische Gestalten aufeinander treffen, um das Land zu kommentieren und die Leute, die darin leben. Mehr als das bietet der Stoff nicht, der letztlich zu oberflächlich bleibt für die tieferen Ebenen eines vollwertigen Dramas und der nur gelegentlich den Biss einer herzhaften Satire zeigt. Und ob es sich rentiert, amerikanische Autos zu kaufen? In Joey O’Brians Augen wird man die Antwort auf diese Frage nicht finden…
Informationen zur Veröffentlichung von “Cadillac Man”
Neues Auto gefällig?
„Cadillac Man“ ist sicher eine der unbekannteren Arbeiten des großen Robin Williams. Gerade Anfang der 90er Jahre war der Komödien-Spezialist durch viele andere Filme im Kino vertreten, über die es eher zu sprechen galt. Hinzu kommt, dass Filme über Autohändler zwar in regelmäßigen Abständen wieder auf der Bildfläche erscheinen („Used Cars“, 1980; „Cadillac Man“, 1990; „Breakfast of Champions“, 1999; „The Goods – Live Hard, Sell Hard“, 2009), jedoch keiner von ihnen zu einem wahren Klassiker gereift ist oder eine Kultfigur hervorgebracht hätte – sieht man vielleicht mal vom Schiffshändler Stan aus dem Point’n’Click-Adventure „Monkey Island“ ab.
In Wicked Vision hat der „Cadillac Man“ jedoch nun selbst einen Vertreter gefunden, der das ausgestellte Objekt wahrlich auf Hochglanz gewienert hat, um den potenziellen Kunden von den Vorteilen des Produktes zu überzeugen. Eine Komödie über einen Autoverkäufer scheint zwar nicht ganz in das von garstigen Horrorwesen dominierte Portfolio zu passen, doch bereits seit einiger Zeit öffnet sich das Label auch Genres, die vermeintlich nicht zur zentralen Produktlinie passen.
30 Jahre Cadillac
Konsequenterweise wird die Komödie auch nicht in einer existierenden Reihe verarbeitet, sondern solo unter dem Banner „30th Anniversary Edition“ vermarktet, fast punktgenau zur dreißigsten Jährung des amerikanischen Kinostarts. Man schielt damit bei der auf 1.000 Stück limitierten Edition vermutlich auch ein wenig auf ein zusätzliches Publikum, das von der gewohnten Käuferschicht abweicht.
Als Grundlage der deutschen Veröffentlichung dürfte die amerikanische Blu-ray von Kino Lorber gedient haben, die bereits 2018 erschien. Beide Editionen teilen sich das gleiche Covermotiv, wenngleich das Layout anders ausfällt: anstatt des Blu-ray-Logos verläuft nun am oberen Band eine rote Banderole mit dem „30th Anniversary Edition“-Schriftzug. Ferner wurden die Namen der beiden Hauptdarsteller direkt ins Motiv versetzt. Der stilisierte Titelschriftzug bleibt außerhalb des gerahmten Motivs in der weißen Fläche. Die originale Tagline „A comedy about the near death of a salesman“, dem Entstehungszeitpunkt nach vermutlich anspielend auf Volker Schlöndorffs Version von „Tod eines Handlungsreisenden“ (1985), wurde ausgetauscht gegen die deutsche Zeile „Sex, Lügen und Luxusautos“, die wiederum auf Steven Soderberghs Drama „Sex, Lügen und Video“ (1989) verweist. Für das FSK-Logo hat man den Titel leicht nach rechts versetzt, doch keine Sorge: Es gibt ein Wendecover, das sowohl ohne FSK-Logo als auch ohne rote Banderole auskommt.
Ein Chassis aus Plastik
Bei der Verpackung handelt es sich nämlich ausnahmsweise nicht um ein Mediabook, sondern ein Scanavo-Case, wie es z.B. auch schon bei „Graf Zaroff“ oder „Paprika“ zur Anwendung kam. Das Plastik-Case mit der Höhe einer Blu-ray- und der Dicke einer DVD-Hülle bietet im Inneren zwar nicht die vielleicht schönste Aufbewahrungsform für Doppel-Discs im Plastik-Case (das wäre dann der Extra-Flügel wie in guten alten Zeiten der DVD-Hochphase), aber doch die zweitschönste: übereinander gelagerte Steckplätze, bei denen die untere Lage jedoch nicht komplett frei liegt, sondern eingebettet ist unter der oberen Lage, so dass sich die Discs nicht berühren können. Soll heißen, die im Paket befindliche Blu-ray und DVD (beide mit dem gleichen Inhalt) sind bestens verpackt und gut geschützt.
Gebrauchtwagen Kleinanzeigen
Auf der linken Seite des Innenlebens darf man sich dann auch noch auf die bei Keep Cases selten gewordene Zugabe des Booklets freuen, das mit seinen 24 Seiten einer regulären Mediabook-Edition in nichts nachsteht. Dessen Frontcover kommt mit einem alternativen Artwork, bei dem Williams süffisant in die Kamera lächelt, während er eine Fotostrecke seiner Angebeteten präsentiert, derweil Robbins mit verunsichertem Blick hinter seinem Rücken kauert. Auf der Rückseite posieren Robbins und Williams dann noch einmal gemeinsam, der eine in fleckiger Trainingsjacke seine Waffe haltend, der andere im Sakko einen Autoschlüssel.
Im Inneren steht Christoph N. Kellerbach vor der schwierigen Aufgabe, einen Film über 21 Seiten hinweg zu verhandeln, der im Kulturdiskurs kaum stattgefunden hat. Er löst die Aufgabe mit weit ausholenden Biografien und trifft hier auf dankbares Material, denn sowohl beim Regisseur als auch beim Hauptdarsteller ist der persönliche Bezug zum Thema Autos gegeben, so dass entsprechende Bezüge geknüpft werden können. Am Rande geht Kellerbach auch auf einige Nebendarsteller ein, so etwa Fran Drescher, Lori Petty und eben auch Tim Robbins. Während der Film an sich kaum analysiert wird, kommt es jedoch zu einer durchaus gelungenen Einbettung in die Entstehungszeit in den USA und auch Deutschland, angereichert mit wertvollen Zusatzinformationen. Diverse Szenenfotos bringen noch ein wenig Farbe auf die passend in weiß gehaltenen Seiten.
Gesprochen wie ein wahrer Verkaufsprofi
Ein rundum gelungenes Booklet also, das allerdings auch den geringen Umfang an sonstigen Extras abfedern muss. Neben dem originalen amerikanischen und deutschen Kinotrailer ist auch ein neu angefertigter Schnitt für die deutsche Trailer-Fassung an Bord. Eine 17-minütige, selbst ablaufende Bildergalerie mit Soundtrack kommt noch dazu. Ansonsten findet man in den Einstellungen noch einen Audiokommentar, der anlässlich der amerikanischen Veröffentlichung aufgenommen wurde. Elijah Drenner von Kino Lorber führt darin ein Gespräch mit Regisseur Roger Donaldson. Es dauert nur Sekunden, bis sich der Kommentar rentiert, bekommt man doch noch während der Credits wertvolle Informationen zur Inspiration durch den Vater sowie einen Cadillac-Verkäufer in einem Flugzeug, der die Geschichte maßgeblich inspiriert haben soll. Die Erinnerungen an Details zu den Dreharbeiten scheinen allerdings weitestgehend verblasst zu sein; relativ häufig bekommt man zu hören: „You know what? I don’t remember“, gefolgt von heiterem Lachen.
Alte Rostlaube auf Hochglanz poliert
Natürlich ist der Kommentar wie gewohnt deutsch untertitelt; selbiges gilt für den Film. Auch sonst ist die technische Präsentation makellos. Der bei natürlichen Lichtverhältnissen an realen Schauplätzen gedrehte Film weist eine hohe Bildschärfe und Sauberkeit auf; Körnung ist kaum vorhanden. Gerade am Ende der Geiselnahme, während die Spätnachmittagssonne auf den Parkplatz niedergeht, weiß die Blu-ray ein dezentes, nicht zu aufdringliches Spiel aus leichten Orangetönen abzubilden. Die Stereo-Tonspur (auf Blu-ray DTS-HD Master Audio, auf DVD Dolby Digital) legt seinen Fokus auf die Dialoge, die kraftvoll aus den Boxen strömen, was in der Originalfassung ebenso viel Spaß macht wie in der gelungenen Synchronisation.
Natürlich hätte man sich zur zusätzlichen Beschäftigung noch ein paar weitere Extras gewünscht, aber auch so wurde hier ein vergessener Oldtimer einer liebevollen Restauration unterzogen, wie er sie unter normalen Umständen wohl kaum mehr hätte erwarten können.
Bildergalerie
Sascha Ganser (Vince)
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