In „Guns Akimbo“ spielt Daniel Radcliffe den Nerd Miles, der es sich dummerweise mit den Macher der Untergrund-Gladiatorenshow „Skizm“ verscherzt. Die zwingen ihn zum Kampf auf Leben und Tod gegen ihre beste Gladiatoren – und schrauben Pistolen an seinen Händen fest. Schräge Actionkomödie, die sich vor Ego-Shootern, John Woo und Genreklassikern verneigt.
Originaltitel: Guns Akimbo__Herstellungsland: Neuseeland/Großbritannien/Deutschland__Erscheinungsjahr: 2019__Regie: Jason Lei Howden__Darsteller: Daniel Radcliffe, Samara Weaving, Ned Dennehy, Natasha Liu Bordizzo, Mark Rowley, Hanako Footman, Colin Moy, Jacqueline Lee Geurts, Jack Riddiford, Bella Padden, Set Sjöstrand u.a. |
Jason Lei Howden arbeitete als Effektspezialist an Filmen wie „The Avengers“, „Man of Steel“ und „Prometheus“, drehte nebenher Kurzfilme und legte mit dem Funsplatter „Deathgasm“ anno 2015 sein erstes Werk in Spielfilmlänge vor. Mit etwas mehr Budget und etwas mehr Starpower, aber immer noch am eher kostengünstigeren Ende der Hollywoodsparte folgt nun „Guns Akimbo“.
Howdens Zweitling sortiert sich in die Riege jener Filme ein, in denen mehr oder weniger freiwillige Teilnehmer sich in modernen Gladiatorenspielen zur Belustigung eines degenerierten Publikums vor Ort oder an den Endgeräten bekriegen, wohl am prominentesten von dem Schwarzenegger-Hit „Running Man“ vertreten. In „Guns Akimbo“ geht es um die Internetshow „Skizm“, in der sich jeweils zwei Teilnehmer gegenseitig ans Leder wollen, mit ausgefallenen Kostümen, Waffen und Tötungsmethoden. Star ist Nix (Samara Weaving), der man schon in der knalligen Auftaktszene bei der Ausübung ihres todbringenden Handwerks zusehen darf. Gefeiert wird das Ganze wie der Sieg bei einem E-Sport-Turnier, die Inszenierung erinnert auch daran, womit „Guns Akimbo“ schon früh auf eine Verortung in der Gamer-Kultur verweist.
Auch Miles (Daniel Radcliffe) arbeitet für einen Spielehersteller, ist jedoch eigentlich nur ein Code-Äffchen bei einem Pay-to-Win-Game für Handys. Immerhin kann er sich als Trolljäger in den Messageboards der Firma groß fühlen und setzt seine Tätigkeit auch nach Feierabend anderswo fort. Als er über „Skizm“ stolpert, erst deren User und später den Moderator provoziert, macht er jedoch einen mächtig großen Fehler. Hate Speech, Trollkultur, Gewaltverherrlichung – „Guns Akimbo“ reißt gleich unzählige Diskurse zum Mediengewalt im Allgemeinen und Gamer-Kultur im Speziellen an, hat jedoch wenig dazu zu sagen, denn Howden geht es in erster Linie um den Fun.
Der beginnt für die „Skizm“-Zuschauer, als Oberschurke Riktor (Ned Dennehy) Miles entführt, ihm an jede Hand eine Pistole mit 50 Schuss heranschrauben lässt und ihn als Spieler für die nächste Runde führt, der gegen Nix antreten soll. Für Miles ist das Ganze weniger spaßig, denn abseits der Konsole sind seine Skills im Überlebenskampf nicht ganz so meisterhaft…
httpv://www.youtube.com/watch?v=RjDWaHkiNFM
„Guns Akimbo“ reiht sich in jene Regie comicartiger Actionkomödien der Marke „Crank“, „Shoot ‘Em Up“ und „Hardcore Henry“ ein – Vollgas-Filme, die überdeutlich von Actionklassikern, Ego-Shootern und weiteren Videogames beeinflusst sind und dies offensiv aufstellen. So liegt in Miles‘ Apartment der Shooter-Klassiker „Doom“ auf dem Wohnzimmertisch, an den Wänden hängen Poster für „Rambo II“ und „Phantom Kommando“ und im Fernsehen läuft „Harte Ziele“ – zum einen ein Film, in dem ebenfalls Unschuldige Teil eines sadistischen Spiels werden, zum anderen ein Werk von John Woo. Denn ein Film, der sich „Guns Akimbo“ nennt, muss dem Papst des beidhändigen Ballerns klar huldigen. Auch die Bildsprache lehnt sich an die Vorbilder an, vor allem an Videospiele: Es gibt Sequenzen aus der Ego-(Shooter-)Perspektive, es gibt im Stile einer Cutscene geschnittene Passagen, es gibt „Vs.“-Einblendungen wie bei Beat ‘Em Ups usw. Kommentare und Chatverläufe werden wie bei einem Online-Turnier eingeblendet, womit sich „Guns Akimbo“ weiter vor der Game-Kultur verneigt.
So wirkt die Inszenierung sehr dynamisch und kinetisch, was meistens ein Vorteil bei der Action ist, aber nicht immer. So profitieren einige Sequenzen von dem visuellen Einfallsreichtum, etwa wenn gezeigt wird, wie Nix bei einer früheren „Skizm“-Runde eine ganze Schurkenschar rotierend und schießend erledigt, oder wenn ein Röntgenkamera (ähnlich wie bei „Romeo Must Die“) anzeigt, welche Knochen bei einem Fight gerade durch gezielte Hammerschläge zertrümmert werden. An anderen Stellen geht durch die Hyperaktivität leider verloren, wie viele Gegner gerade antreten und wo diese sich im Raum befinden, etwa beim Einsatz einer Gattling-Gun oder an manchen Stellen im Finale. Da verschenkt „Guns Akimbo“ immer wieder Potential, während Vorbilder wie John Woo oder „Shoot ‘Em Up“ eine bessere Rauminszenierung erkennen ließen. Geboten wird vor allem Ballerei, aber auch Nahkämpfe und eine Verfolgungsjagd, in der Nix ein Motorrad als spezielle Waffe gegen Miles einsetzt, der am Steuer eines Autos sitzt.
Allerdings sind Szenen wie die Hatz auf offener Straße eher dünn gesät, denn mit Blick auf das Budget finden viele Szenen in Lagerhallen, auf Schrottplätzen oder in Hinterhöfen statt. Damit nähert sich der teilweise in München gedrehte Filme optisch manch artverwandtem B-Movie an, inhaltlich ist er eh nicht weit davon entfernt. Hinter der trendy Fassade steckt dann doch die alte Mär vom Opfer, das sich gegen Verfolger, vor allem aber gegen die Hintermänner der Jagd zur Wehr setzen muss. Natürlich gerät Miles‘ Ex-Freundin Nova (Natasha Liu Bordizzo) auch in die Schusslinie, natürlich wird sie irgendwann entführt. So ist am ehesten die Frage spannend, ob Nix, die auch nicht ganz freiwillig bei „Skizm“ mitmacht, sich irgendwann mit Miles zusammentut oder eine Gegnerin bleibt, sonst verläuft die atemlose Jagd nach erwartbaren Mustern. Und die Markt-Mechanismen der großen Filmindustrie hat Howden auch bei kleinem Budget drauf: Am Ende wird angedeutet, dass „Skizm“ in der Miles‘ Wohnort Shrapnel City nur der Anfang gewesen sein könnte und man sich in möglichen Sequels mit einer globalen „Skizm“-Franchise beschäftigen könne.
Immerhin hat Howden in Sachen Humorverständnis seit „Deathgasm“ hinzugelernt. Zwar schwingt er immer noch nicht das intellektuelle Florett, hat aber mehr Sinn für Situationskomik, etwa wenn Miles aufgrund seiner Zwangs-OP in einem Outfit aus Bademantel, Unterbuchse und Monsterfußpantoffeln um sein Leben kämpfen muss. Oder mit den Knarren an den Händen pinkeln muss. Oder zwei Cops um Hilfe bittet, die ihn allerdings sofort auffordern, die Waffen fallen zu lassen. Hinzu kommen Ideen wie der Running Gag um Cypress Hills „When the Shit Goes Down“, eine Schießerei im Takt von „You Spin Me Round (Like a Record)“ oder eine kleine He-Man-Parodie. Es treffen bei dieser Actionkomödie mehr Gags als dass sie ihr Ziel verfehlen, auch wenn das Ganze manchmal etwas zu bemüht wirkt. Und natürlich andere Zwischentöne manchmal ausgeblendet werden. Da erlangt eine Figur beispielsweise Profil und wird quasi zwei Sekunden später per Kopfschuss abserviert. Andere Sachen gelingen besser (etwa Nix‘ Hintergrundgeschichte) und auf der Schlussgeraden kommen Humor und Charakterzeichnung sogar mal zusammen, etwa in einer pfiffigen Szene, in der „Guns Akimbo“ das Klischee vom siegreichen Helden, der die Holde abkriegt, amüsant unterläuft.
Natürlich profitiert „Guns Akimbo“ enorm von seinem Hauptdarsteller Daniel Radcliffe, der sich schon seit Jahren mit kleinen, oft gewagten Produktionen vom Harry-Potter-Image wegbewegt: Als furzende Leiche in „Swiss Army Man“, als Gehörnter in „Horns“, als Survival-Abenteurer in „Jungle“, um nur einige zu nennen. Auch hier ist Radcliffe als unwahrscheinlicher Held wider Willen von in seinem Element und trägt den Film trotz dünner Story mühelos auf seinen Schultern. Samara Weaving („The Babysitter“) ist okay, aber auch etwas austauschbar, da das grelle Styling und das ruppige Auftreten ihrer Figur wichtiger erscheinen als wer sie spielt. Natasha Liu Bordizzo („Crouching Tiger, Hidden Dragon: Sword of Destiny“) macht ihre Sache gut, trotz weniger Screentime, während der Rest der Darsteller kaum Raum zum Glänzen hat. Das ist vor allem bei den Bösewichten ein Problem, denn dort ist kaum einer würdig. Ned Dehenny („Mandy“) mag als Riktor zwar mit zig Gesichtstattoos auftreten und sadistisch sein, aber er bleibt ein wandelndes Schurkenklischee, das man schon oft woanders und oft auch besser gesehen hat.
So ist „Guns Akimbo“ dann keine clevere Reflexion über Game- und Gewaltkultur, denn all die Dinge, die er leicht kritisiert, bedient er ja im Grunde selber. Als dynamisch inszenierte und von Radcliffe famos gespielte Actionkomödie der schrägen Art macht Howdens Zweitling jedoch Laune, auch wenn man mit Schönheitsfehlern wie blassen Schurken, einer manchmal etwas bemühten Abgedrehtheit und gelegentlichen inszenatorischen Schnitzern leben muss. Als Fun-Ballerspaß der durchgedrehten Art ist das Ganze aber auch durchaus sehenswert.
„Guns Akimbo“ startete am 25. Juni in den deutschen Kinos. Die ungekürzte Fassung war in Previews zu sehen, im regulären Einsatz wird dagegen nur eine gekürzte Fassung gezeigt, da es eine FSK-18-Freigabe für die Uncut-Version gab, Rechteinhaber Leonine den Film allerdings freigegeben ab 16 Jahren in den deutschen Kinos zeigen wollte. In den USA ist der Film dagegen schon seit April ungekürzt auf DVD und Blu-Ray erhältlich. Es gibt noch keine Infos darüber in welcher Fassung der Film später in Deutschland fürs Heimkino erscheinen soll.
© Nils Bothmann (McClane)
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Copyright aller Filmbilder/Label: Leonine__FSK Freigabe: ab 16__Geschnitten: Ja__Blu Ray/DVD: Nein/Nein, ab 25.6.2020 in den deutschen Kinos |