Eine Fortsetzung von Stanley Kubricks „2001“ klang wie ein Ding der Unmöglichkeit, doch Peter Hyams legte sie mit „2010“ dennoch vor. Dabei inszenierte er keinen erneuten Bilderrausch mit philosophischen Qualitäten, sondern machte klugerweise sein eigenes Ding, indem er sie als bodenständiges Sci-Fi-Abenteuer anlegt, das den Vorgänger teilweise weiterdenkt ohne ihn zu entmystifizieren.
Originaltitel: 2010: The Year We Make Contact__Herstellungsland: USA__Erscheinungsjahr: 1984__Regie: Peter Hyams__Darsteller: Roy Scheider, John Lithgow, Helen Mirren, Bob Balaban, Keir Dullea, Madolyn Smith Osborne, Dana Elcar, Taliesin Jaffe, James McEachin, Mary Jo Deschanel, Elya Baskin, Arthur C. Clarke u.a. |
Stanley Kubricks „2001 – Odyssee im Weltraum“ war alles andere als Mainstream und kein Film, der sich eigentlich für eine Fortsetzung anbot. Da es jedoch noch einen entsprechenden Arthur-C.-Clarke-Roman als Grundlage gab, folgte 16 Jahre später mit „2010“ doch noch ein Sequel.
Wie man an den Filmtiteln unschwer erkennen kann, sind intradiegetisch nur neun Jahre seit der gescheiterten Discovery-Mission vergangen. Im Schnelldurchlauf erhält auch der „2001“-unkundige Zuschauer noch einmal eine Übersicht über die Ereignisse des Vorgängers, vor allem aus Sicht der NASA: Der Bordcomputer HAL-9000 drehte durch, ein Astronaut ist tot, der andere wird vermisst und ebenfalls für tot gehalten. In der Nähe des gestrandeten Raumschiffs Discovery, bei den Monden des Jupiter, schwebt ein riesiger schwarzer Monolith im All. Vor allem Dr. Heywood Floyd (Roy Scheider) wird für den Fehlschlag der Mission verantwortlich gemacht, während die Washingtoner Anzugträger ihre Hände in Unschuld wuschen – ein Mann auf der Suche nach Wiedergutmachung, das ist doch ein klassisches Hollywoodthema.
Etwas mehr aus der Zeit gefallen ist dagegen die Art der Einbringung der Russen. Während diese im Kalten Krieg und in der Reagan-Ära besonders als Dauerbösewichte in Werken wie „Die rote Flut“ und „Rambo III“ herhalten mussten, geht es in „2010“ um eine Annäherung der Supermächte – dass der Kalte Krieg schon sechs Jahre nach Erscheinen und damit zwanzig Jahre vor dem tatsächlichen 2010 vorbei sein würde, konnte beim Dreh noch niemand ahnen. Ein russischer Wissenschaftskollege kontaktiert Floyd und schlägt eine gemeinsame Mission vor: Während die Russen deutlich früher ein funktionsfähiges Schiff anbieten können, besitzen die Amerikaner das Vorwissen über die Discovery-Mission und das gestrandete Schiff.
Zusammen mit seinen Kollegen Dr. Walter Curnow (John Lithgow) und Dr. R. Chandra (Bob Balaban) fliegt Floyd an Bord des russischen Raumschiffs ins All, wo man sich trotz unterschiedlicher politischer Einstellungen zusammenrauft. Angesichts der unerwarteten Entdeckungen und möglichen Gefahren ist dieser Zusammenhalt auch vonnöten…
httpv://www.youtube.com/watch?v=Gyf8QWoL7T0
Man könnte „2010“ gehässig als Konsensfilm bezeichnen, denn meist gehen die Meinungen wenig auseinander: Es ist ein von Peter Hyams („Das Relikt“) kompetent inszeniertes, gutes bis sehr gutes Sci-Fi-Abenteuer. Strittig ist eher seine Qualität im Vergleich zum Vorgänger, der sehr subjektiv wahlweise als cineastischer Überfilm oder als filmische Geduldsprobe wahrgenommen wird – auch der Autor dieser Zeilen ist bei aller visuellen Brillanz nie so wirklich mit Kubricks Bilderrausch warm geworden. Dessen verrätselten Bilderwelten stellt „2010“ recht eindeutiges Sci-Fi-Kino entgegen, das jedoch einen Spagat schafft: Einerseits wird eine Interpretation einiger Handlungsstränge aus dem Vorgänger geliefert, die hier als Plot für sich stehen kann. Andrerseits werden bei weitem nicht alle Fragen aus „2001“ beantwortet, sodass auch keine Entmystifizierung von Kubricks Film stattfindet. Durch Zitate in Bild und Ton (ganz prominent: „Also sprach Zarathustra“ von Richard Strauss) sowie inhaltliche Weiterführungen orientiert sich Hyams als Regisseur, Drehbuchautor und Kameramann an Kubricks Film, zieht „2010“ aber mehr als bodenständiges Weltraumabenteuer auf.
Wobei Abenteuer hier eher auf den klassischen Abenteuerfilm zu beziehen ist, weniger auf bunte Space Operas der Marke „Star Wars“. Denn seine größten Spannungsmomente zieht „2010“ aus an sich sehr minimalistischen, aber unheimlich effektiv inszenierten Momenten, etwa wenn Curnow und sein russischer Kollege Maxim Brajlovsky (Elya Baskin) nur im Raumanzügen zur Discovery hinüberfliegen müssen, um diese zu betreten, Chandra damit hadert, ob er den gerebooteten HAL-9000 in die Details eines waghalsigen Manövers einweihen kann, oder Maxim auf eine Erkundungsmission startet. Es gibt wenige Tote, keine große Action, sondern nur die Gefahren bei der Erkundung des Weltalls, bei der Konfrontation mit dem Unbekannten und im Umgang mit künstlicher Intelligenz.
Tatsächlich ist der erneute Einbau von HAL-9000 eine schlaue Sache. Denn es geht darum, ob ein Computer böse sein kann oder seine Programmierung versagt und wie man ein erneut tödliches Handeln der künstlichen Intelligenz verhindern kann. Noch dazu spiegelt der Subplot um HAL-9000 und seinen Erbauer Chandra Floyds Dilemma: Auch Chandra muss sich fragen, ob er versagte und Schuld am Scheitern der Discovery-Mission trägt. Dass auch Dave Bowman (Keir Dulla) – oder zumindest eine Art Inkarnation von ihm – wiederkehrt, mag einen weiteren Wiedererkennungseffekt geben, wirkt dann allerdings eher bemüht als wirklich stimmig. Als wolle man Kubricks Mystik und Mythologie noch einmal aufgreifen, habe aber manchmal nicht gewusst, was man damit anfangen soll. So ist etwa die Erdenreise der Bowman-Inkarnation ein eher vernachlässigbarer und schlurig eingebauter Plotstrang.
In anderer Hinsicht sind Erde und Weltall dagegen hervorragend verknüpft, denn „2010“ sticht als friedensbewegter Vertreter seiner Ära im Mainstreamkino hervor. Konflikte zwischen den Supermächten auf der Erde, die militärisch zu eskalieren drohen, gefährden die Mission im All, wohingegen selbst Floyd und die spröde russische Kommandantin Tanya Kirbuk (Helen Mirren) sich annähern und Gemeinsamkeiten entdecken. So ist dann auch das Ende als Plädoyer für Friede und Verständigung zu werten, klopft dem Publikum die Message allerdings auch teilweise mit dem Holzhammer um die Ohren und wirkt mit ihrer etwas einfachen Problemlösung etwas naiv, gerade angesichts eines sonst so überlegten und nüchternen Films.
Das alles verpackt „2010“ in eine entschleunigte, manchmal vielleicht etwas zu langsam erzählte Geschichte, der es weniger um Plottwists und Enthüllungen geht, sondern eher um die Atmosphäre der Weltall-Mission. Darum, wie man auf konkrete Situationen reagiert, wenn man nur auf eine kleine Crew gestellt ist, die man teilweise nicht kennt und der man nicht immer vertraut. Warner ließ sich das die damals stolze Summe von rund 28 Millionen Dollar kosten (zum Vergleich: Der zwei Jahre später veröffentlichte „Aliens – Die Rückkehr“ war 18 Million Dollar teuer); ein Aufwand, den man sieht, gerade in Sachen Ausstattung und Effekte. Es fehlt zwar der visuelle Einfallsreichtum Kubricks, dafür ist „2010“ kompetent in Szene gesetzt, produziert immer noch Wow-Bilder mit seinen All-Impressionen und kann mit Sets, Raumschiffen und Requisiten punkten, die sich an der Kubrick-Vorlage orientieren, sie aber etwas umdenken.
Größer war auch die Starpower, denn mit Roy Scheider („The Seven-Ups“) und Helen Mirren („Fast & Furious: Hobbs & Shaw“) hatte man zwei recht große Namen in zwei der wichtigsten Rollen zu bieten, die ihr Geld dann aber auch wert waren und die unterschiedlichen Teamleader gut zum Leben erwecken. Weitere Akzente setzen vor allem John Lithgow („Buckaroo Banzai“), Bob Balaban („I Am the Pretty Thing That Lives in the House“) und Elya Baskin („Transformers 3“) in weiteren Astronautenrollen; aber auch wenn die Schauspieler mehr zu tun haben als in Kubricks Erstling, so ist „2010“ immer noch ein Film, in dem es eher um Stimmungen, um Gefahrensituationen und um politische Subtexte geht, weniger um konkrete Figuren oder deren schauspielerische Verkörperung.
Egal wie man zum Vorgänger stehen mag, „2010“ funktioniert als stimmiges, phasenweise äußerst spannendes Sci-Fi-Abenteuer, das Ansätze des Kubrick-Films aufnimmt und weiterspinnt, diesen aber nicht entmystifiziert. Hyams‘ Sequel ist sicher der konventionellere Film, nicht ganz ohne Längen, aber schon eine runde Sache – und in seinem pazifistischen Appell durchaus etwas anderes im Mainstreamkino seiner Zeit.
Warner hat „2010“ hierzulande auf DVD und Blu-Ray veröffentlicht, ungekürzt ab 12 Jahren freigegeben. Die DVD bietet kein Bonusmaterial, die Blu-Ray ein Making of und den Trailer zum Film.
© Nils Bothmann (McClane)
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