Auf den Spuren von „Training Day“ und „End of Watch“ kommt Joel Souzas Cop-Thriller „Im Netz der Gewalt“ daher. In dem im Original „Crown Vic“ genannten Film geht Thomas Jane als altgedienter Cop mit dem Rookie Luke Kleintank auf Streife in Los Angeles und beide erleben einen Nachtdienst, den sie so schnell nicht mehr vergessen werden.
Originaltitel: Crown Vic__Herstellungsland: USA__Erscheinungsjahr: 2019__Regie: Joel Souza__Darsteller: Thomas Jane, Luke Kleintank, David Krumholtz, Bridget Moynahan, Josh Hopkins, Scottie Thompson, Devon Werkheiser, Emma Ishta, Alex Morf, Faron Salisbury, James Andrew O’Connor, Gregg Bello u.a. |
„Crown Vic“ ist nicht nur der Titel des Copthrillers von Regisseur und Drehbuchautor Joel Souza („Break Night“), sondern das traditionelle Fabrikat von Streifenwagen in den USA – und somit auch etwas treffender als der eher unspezifische deutsche Titel „Im Netz der Gewalt“.
Es ist Nachtschicht beim L.A.P.D. und der alternde Officer Ray Mandel (Thomas Jane) soll einen Rookie anlernen. Dabei handelt es sich um Nick Holland (Luke Kleintank), der nach der Ausbildung und Arbeit an anderer Stelle seinen ersten Streifendienst antritt. Während Nick gerade erst anfängt, ist Ray der mehrfach versetzte alte Hase, den das Department aufgrund seines fortgeschrittenen Alters so langsam loswerden will. Aber genau der Richtige, um den Frischling einzuweisen – schon in den ersten Minuten ihres Zusammentreffens muss er dem Greenhorn natürlich erklären, was dieser vergessen hat oder anders hätte machen sollen.
Zusammen starten sie in einen memorablen Nachtdienst. Denn nicht nur sind die üblichen Unfälle und Ruhestörungen zu beklagen, Ray hat auch noch eine persönliche Sache zu regeln und zwei Copkiller sind nach einem Banküberfall auf den nächtlichen Straßen von Los Angeles unterwegs…
httpv://www.youtube.com/watch?v=ns9hiF0JF6w
„Im Netz der Gewalt“ wirkt wie eine Mischung von zwei Filmen, die David Ayer als Drehbuchautor und/oder Regisseur verantwortete: „Training Day“ und „End of Watch“. Aus ersterem stammen die Konstellation von Frischling und altem Hasen beim Training sowie die enge zeitliche Beschränkung, aus letzterem die Slice-of-Life-Dramaturgie, der zufolge man dem (immer noch entsprechend dramatisierten) Alltag der Cops beiwohnt, ohne dass es einen klassischen Plot gibt. Jedoch beißen sich Ansätze etwas: „Training Day“ folgte einer klaren, sich zuspitzenden Geschichte, deren Spannungsbogen bei „Im Netz der Gewalt“ fehlt, während die Erzählung von „End of Watch“ über Tage und Wochen ging – die Nacht in „Im Netz der Gewalt“ ist etwas zu vollgepackt mit Ereignissen, um noch realistisch zu wirken.
Allerdings arbeiten selbst verhältnismäßig realistische Polizeifilme noch mit einer gewissen Dramaturgie – auch in „End of Watch“ explodierte die Rivalität zwischen Cops und Gangs am Ende, in „Im Netz der Gewalt“ dagegen kann sich das Publikum sicher sein, dass die Protagonisten den Copkillern begegnen werden. Die treten immerhin gleich in der ersten Szene auf, einem Banküberfall-Shoot-Out, das nicht von ungefähr jenes berühmt-berüchtigte Duell zwischen schwer bewaffneten Räubern und Cops in North Hollywood im Jahr 1997 erinnert (2003 als „44 Minutes“ verfilmt). Wobei es sich bei „Im Netz der Gewalt“ nicht um einen Actionreißer handelt: Es gibt den einen oder anderen Schusswechsel, aber jeder davon ist eher kurz. Die Tatsache, dass die meisten Polizisten ihre Pistole selten ziehen und noch seltener abfeuern müssen, wird hier nicht nur im Dialog angesprochen, sondern der Film versucht dieses Bild auch zu vermitteln, obwohl seine Helden natürlich irgendwann zum Waffeneinsatz gezwungen sind.
Obwohl „Im Netz der Gewalt“ etwas zu vollgepackt mit Handlung und Ereignissen ist, so hält er sich doch in anderer Hinsicht streng an seine beobachtende Haltung. Der Film umfasst wirklich nur die Schicht, spricht das Davor im Dialog an, blendet das Danach aber komplett aus. So weiß der Zuschauer am Ende nicht, wie viel Wahrheit in mancher Geschichte über Ray steckt, ob Nick nach den Ereignissen der Nacht noch Streifenpolizist bleiben wird oder was es mit der Leiche auf sich hat, die sie in einem ausgebrannten Fahrzeug finden. So geht es eher darum, dass hier Perspektiven aufeinandertreffen: Nick ist der junge Idealist, Ray der Zyniker, der zu viel gesehen und zu viel erlebt hat. Und doch färben sie aufeinander ab: Nick erinnert Ray an sich selbst, als er noch ein Rookie war. Während Nick also merken muss, dass manche seiner Vorstellungen in der realen Welt nicht funktionieren, so erlangt Ray etwas von jenem Enthusiasmus und Gerechtigkeitsbewusstsein zurück, mit dem er seinen Dienst früher versah.
Das, was die Cops erleben, ist dann Routine, die man aus Polizeifilmen und -serien wie Ayers Schaffen, „The Shield“ oder „Colors“ kennt. Betrunkene Fahrerinnen wollen einer Verhaftung entrinnen, Notrufe entpuppen sich als Hirngespinste psychischer Kranker, Rowdys bewerfen den Wagen mit Steinen usw. Es tritt das übliche Personal auf, vom dreckigen, mit Aufputschmitteln vollgepumpten Cop-Kollegen Jack VanZandt (Josh Hopkins) hin zur drogensüchtigen Tracy Peters (Bridget Moynahan), der Frau von Rays getötetem Partner. „Im Netz der Gewalt“ zeigt die Arbeit der Polizei auf und deren Schattenseiten, darunter Machtmissbrauch und Rassismus, er spricht moralische Dilemmata an, etwa wenn eine illegale, tödlich verlaufende Polizeiaktion ein kleines Mädchen aus den Händen einer Drogengang rettet, auch wenn keiner dieser Ansätze wirklich vertieft wird. All das erzählt „Im Netz der Gewalt“ durchaus involvierend, mit gritty Bildern, die in das rote und blaue Licht von Polizeileuchten und dunklen Gassen getaucht sind. Aber Souza fügt dem Rezept nichts Neues hinzu, erreicht nicht die Intensität, die sein Vorbild David Ayer in seinen besten Arbeiten herauskitzeln konnte – „Im Netz der Gewalt“ ist solide Routine.
Als solche profitiert der Film immerhin von Thomas Jane in der Hauptrolle. Der war nach „Deep Blue Sea“ und „The Punisher“ eigentlich eine Actionhoffnung fürs Kino, bog dann aber Richtung Videomarkt ab – mit leicht durchwachsener Bilanz. Seine Performance als grummeliger Popelbremsen-Cop, der mit Vorliebe die Illusionen seines jungen Partners zerstört, aber trotz aller Desillusionierung seinen moralischen Kompass behalten will, gehört auf jeden Fall zu seinen stärkeren Leistungen der letzten Jahre und trägt den Film. Luke Kleintank („Midway – Für die Freiheit“) ist recht gut als Rookie-Partner, kommt aber nicht gegen Jane an. Unter den Nebendarstellern setzen Josh Hopkins („Der Sturm“) als selbstherrliches Arschloch mit Allmachtsphantasien und David Krumholtz („Hail, Caesar!“) als sein Anheizerpartner Akzente, während Bridget Moynahan („John Wick“) das Drogenopfer mit Mut zur Hässlichkeit gibt.
Insofern sollte man bei „Im Netz der Gewalt“ keine Neuerfindung des Polizeifilms erwarten, aber Bekanntes wird hier größtenteils gut umgesetzt. Wer an „Training Day“, „End of Watch“ und „The Shield“ Spaß hatte, der kommt auch hier auf seine Kosten – auch wenn sich die Kombination von Realismus und einer Nacht voller Ereignisse manchmal etwas beißt.
Capelight veröffentlicht „Im Netz der Gewalt“ hierzulande am 11. September, von der FSK gab es eine Freigabe ab 16 Jahren. Das Bonusmaterial umfasst Trailer und einen Blick hinter die Kulissen.
© Nils Bothmann (McClane)
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