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Sliver

Im Fahrwasser von „Basic Instinct“ erschien Phillip Noyce’ Erotikthriller „Sliver“, ebenfalls von Joe Eszterhas geschrieben, ebenfalls mit Sharon Stone in der Hauptrolle. Die spielt eine attraktive Lektorin, die in ein Hochhaus zieht, in dem Morde geschehen. Zu den Verdächtigen gehören Mieter, die von William Baldwin und Tom Berenger dargestellt werden.

Originaltitel: Sliver__Herstellungsland: USA__Erscheinungsjahr: 1993__Regie: Phillip Noyce__Darsteller: Sharon Stone, William Baldwin, Tom Berenger, Polly Walker, Colleen Camp, Amanda Foreman, Martin Landau, CCH Pounder, Nina Foch, Keene Curtis, Nicholas Pryor, Jim Beaver u.a.
Sliver

In “Sliver” von Phillip Noyce spielen Sharon Stone, William Baldwin und Tom Berenger ein erotisches Verwirrspiel

Als „Basic Instinct“ ein großer Kassenerfolg wurde, zog er eine ganze Reihe von Erotikthrillern nach sich, welche von dem Boom profitieren wollten. Was lag also näher als mit der Hauptdarstellerin und dem Drehbuchautor der Initialzündung einen weiteren Beitrag beizusteuern? Das Ergebnis hört auf den Namen „Sliver“.

Grundlage dafür war der gleichnamige 1991er Roman von Ira Levin, aus dessen Feder auch die Vorlage für „Rosemary’s Baby“ ist. Hüben wie drüben geht es sich um finstere Vorgänge in einem Apartmenthochhaus in New York, doch wo in dem Polanski-Klassiker Teufelsjünger hinter spießbürgerlicher Fassade ihr Unwesen trieben, geht es in „Sliver“ um Mord, sexuelle Obsessionen und Überwachungstechnik. So zeigt schon die Auftaktszene immer wieder Bilder aus dem Blick von Überwachungskameras, ehe ein Mörder die Mieterin Naomi Singer (Allison Mackie) vom Balkon ihres Apartments im Sliver-Hochhaus stürzt.

In die frei gewordene Wohnung zieht die attraktive, geschiedene Lektorin Carly Norris (Sharon Stone) ein, die schon bald zwei Mitmieter kennenlernt, die Interesse an ihr zeigen: Zeke Hawkins (William Baldwin), ein jüngerer, durchtrainierter und leicht introvertierter Typ, und der forsche, großmäulige Autor Jack Landsford (Tom Berenger), mit dem Carly auch über ihren Verlegerchef Alex Parsons (Martin Landau) Kontakt hat. „Sliver“ baut damit schnell eine Art Dreieckskonstellation auf, denn beide Männer begehren Carly, scheinen den anderen aber jeweils nicht riechen können.

Zudem hört Carly von mehreren Leuten, dass sie große Ähnlichkeit mit der verstorbenen Naomi hat, deren Tod offiziell als Selbstmord gewertet wird. Als der an Videotechnik interessierte Unidozent Gus Hale (Keene Curtis) tot in seiner Dusche aufgefunden wird, kommt Carly das Treiben im Haus zunehmend seltsam vor…

httpv://www.youtube.com/watch?v=hO179ZEKKVo

Im Kino war „Sliver“ ein Erfolg, die Kritik schoss sich aber auf den Film ein und bei den Razzies war er für mehrere Awards nominiert, auch wenn er keinen bekam. Tatsächlich ist „Sliver“ Rip-Off-Kino, das kaum verhehlen kann, dass man schnell die „Basic Instinct“-Welle reitet. Zudem hatte der Film Produktionsprobleme: Ein ursprünglich gedrehtes (freilich auch ziemlich absurdes) Ende kam nicht zustande, da das Filmmaterial bei einem Flugzeugabsturz zerstört wurde, die spätere gedrehte Auflösung wurde auch geändert, da sie dem Testpublikum nicht gefiel – was leider auch zeigt wie beliebig die Identität des Killers im Endeffekt ist. Drehbuchautor Joe Ezsterhas („Jade“) hatte im Nachhinein auch wenig Gutes über den Film zu sagen. Aber schon in der Anlage liegt ein großes Problem: Viele Mordverdächtige gibt es nicht, von den Nebenfiguren gehen auch noch zwei drauf, was das Personal weiter verkleinert. Noch dazu sind die möglichen Motive, die für die beiden Verdächtigen aus dem Hut gezaubert werden, reichlich banal: Der eine hat Potenzprobleme, der andere einen Mutterkomplex, von dem sowieso erst kurz vor Schluss erfährt.

So wird der Krimimainplot enttäuschend stiefmütterlich behandelt. Immer wieder verliert sich „Sliver“ in Nebensträngen, präsentiert eben nur zwei Verdächtige und lässt vieles offen. Wie genau die Beziehungen mancher Mieter nun sind oder waren, ist im fertigen Film nur noch zu erahnen, andere Handlungsstränge werden kurz aufgenommen und danach nie wieder fortgeführt. Etwa wenn Carly herausfindet, dass es noch vor Naomis Balkonsturz schon zwei mysteriöse Todesfälle gab, was im weiteren Filmverlauf aber keine Rolle mehr spielt. Manches davon mag aus Verkürzungen des Romans resultieren, manches aus den Produktionsquerelen und Drehbuchänderungen. Doch das wiegt nicht so schwer die Tatsache, dass „Sliver“ oft der Subtext wichtiger erscheint als der Mainplot – und ersterer manchmal überdeutlich ausbuchstabiert wird.

Dabei ist jener Subtext durchaus interessant, denn das große Thema des Films abseits seiner Mordgeschichte ist der Voyeurismus. Schon früh erfährt der Zuschauer, dass der ganze Wolkenkratzer, dessen Besitzer niemand kennt, mit Kameras ausgestattet ist, die ein (lange Zeit nicht gezeigter) Mensch in einer Schaltzentrale akribisch beobachtet. Parallel dazu entdeckt auch Carly die Freuden des heimlichen Zuschauens, als man ihr ein Teleskop schenkt – so wie fast jede Figur ein Spanner ist. Das Pärchen etwa, das von Carly und ihren Partygästen beim Sex beobachtet wird, schaut später selbst durch ein Teleskop auf die umliegenden Wohnunhen. Blick, Macht und die Macht des Blickes sind zentrale Themen, auch in der Figurenkonstellation. Carly will nach der negativen Eheerfahrung nicht mehr kontrolliert werden und spielt daher Machtspiele mit dem wagemutigen Zeke, mit dem sie eine Affäre anfängt. Gleichzeitig versucht sich Jack in ihr Leben zu drängen. Kurz wird sogar angedeutet, dass auch Carly dem Voyeurismus verfallen könnte, aber auch das wird nicht lange ausgeführt. Vielleicht rührt Carlys Sinneswandel im Film auch daher, dass das Testpublikum die negative Seite der Heldin gar nicht mochte. Was man dem Film anrechnen kann, ist die Tatsache, dass er sich zwar bei Vorbildern wie Alfred Hitchcocks „Das Fenster zum Hof“ bedient, aber doch etwas Eigenes daraus macht. Und dass dieses Eigene schon jene Überwachungsdiskurse ein wenig vorwegnimmt, die erst mit „Fletchers Visionen“ und „Der Staatsfeind Nr. 1“, vor allem aber nach 9/11 und dem Patriot Act im Hollywoodkino groß aufgenommen wurden.

Mit Phillip Noyce („Blinde Wut“) saß dann auch ein versierter Hollywoodhandwerker auf dem Regiestuhl, der „Sliver“ gelackt und edel aussehen lässt. Die Designer-Sexszenen sind zwar weit weniger kontrovers als jene aus „Basic Instinct“, sind aber durchaus erotisch umgesetzt. Manche Provokation wie einige forciert schlüpfrige Dialoge oder die Mutprobe im Restaurant wirken etwas gewollt, andere sind durchaus gewitzt gesetzt, wie etwa die Rolle von Carlys Nachbarin Vida Warren (Polly Walker) – ein Model, das seine Finanzen als Callgirl aufmöbelt. Auch kleine Referenzen wie ein Buchcover, welches an das Poster von Noyce‘ „Todesstille“ erinnert, sind nette In-Jokes, zumal der Thrillerspezialist einige gelungene Spannungspassagen hinbekommt, die meist mit Stromausfällen zu tun haben – schade nur, dass es so wenige davon gibt.

Sharon Stone („Action Jackson“) macht sich gut als toughe Heldin, die nicht nur gut aussieht (eine der leichtesten Übungen für Stone), sondern sie spielt auf das Zerrissensein dieser Karrierefrau, die im Job tough, in Beziehungen aber etwas unsicher ist, ziemlich gut. William Baldwin („Backdraft 2“) ist da merklich blasser, während Tom Berenger (der schon in „Hexensabbat“ Erfahrung mit seltsamen Apartmenthäusern sammelte) als poltriger Ex-Journalist und Autor richtig klasse ist, aber leider nicht so viel Screentime wie die beiden anderen Hauptdarsteller bekommt. Martin Landau („Hollywood Cops“) ist kaum im Film, sodass von den Nebendarstellern am ehesten Polly Walker („D-Tox – Im Auge der Angst“) als oft zugekokste Nachbarin und CCH Pounder („Orphan“) als markige Polizistin Eindruck hinterlassen.

„Sliver“ mag kein Thrillerhighlight sein, denn dem egalen, oft vernachlässigten Krimiplot merkt man die Produktionsquerelen überdeutlich an. Doch immerhin ist die gelackte Oberfläche des Ganzen ansprechend umgesetzt und der Subtext um Überwachung, Voyeurismus und Machtgebaren ist interessant und seiner Zeit teilweise sogar etwas voraus. „Sliver“ ist schon irgendwie gescheitert, aber besser als sein Ruf.

Starke:

In Deutschland war „Sliver“ schon immer ungekürzt ab 16 Jahren in jener Fassung freigegeben, die der US-Unrated entspricht. Die deutsche DVD von Paramount bietet kein Bonusmaterial.

© Nils Bothmann (McClane)

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