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Overdrive

Mit „Overdrive“ wollten Regisseur Antonio Negret und Produzent Pierre Morel auch ein Stück vom „The Fast and the Furious“-Kuchen abhaben. In „Overdrive“ geht es ebenfalls um junge Autodiebe, die wilde Dinger drehen müssen, um nicht von einem Gangsterboss gelyncht zu werden, hier nur vor der Kulisse Frankreichs und mit der nächsten Generation Jungstars.

Originaltitel: Overdrive__Herstellungsland: Frankreich/USA/Belgien__Erscheinungsjahr: 2017__Regie: Antonio Negret__Darsteller: Scott Eastwood, Freddie Thorp, Ana de Armas, Gaia Weiss, Clemens Schick, Simon Abkarian, Moussa Maaskri, Fabian Wolfrom, Philippe Ohrel, Abraham Belaga u.a.
Overdrive

Antonio Negret versucht sich an einem schnellen und furiosen Konkurrenzprodukt zu erfolgreichen Bolidensaga: “Overdrive”

Wenn eine Filmreihe wie „The Fast and the Furious“ es auf zig Sequels und irgendwann sogar Spin-Offs bringt, dann ist klar, dass früher oder später Nachahmer auftauchen. Wobei es Fall der Bolidenreihe trotz anhaltendem Erfolg eher wenige Exemplare sind, darunter „Hart am Limit“ oder „Overdrive“.

Die „Overdrive“-Produzenten mögen sich gedacht haben, dass selbst bei so jugendaffiner Franchiseware wie der „Fast and Furious“-Reihe einstige Jungstars wie Vin Diesel und seine Crew über 15 Jahre nach dem Erstling schon als alte Säcke erscheinen mögen und die Youngster frisches Blut in einem Konkurrenzprodukt zu schätzen wissen. Ergo geht es hier um ein Trio relativ junger Autodiebe, bestehend aus Andrew Foster (Scott Eastwood), seinem Bruder Garrett (Freddie Thorp) und Andrews Freundin Stephanie (Ana de Armas). Die drei klauen Oldtimer, wie man schon in der Auftaktszene sehen kann. Das entsprechende Set Piece inklusive Kraxelei auf und an einem LKW erinnert stark an ähnlich gelagerte Szenen aus dem ersten und dem vierten Teil der „Fast & Furious“-Reihe.

Dummerweise haben sie den Falschen beklaut, denn der Gangsterboss Jacomo Morier (Simon Abkarian) kann dem Diebstahl seines frisch ersteigerten Oldtimers gar nicht gut verwinden. Also werden die Autodiebe eingesackt und der verantwortliche Mittelsmann vor ihren Augen abgeknallt, damit auch alle raffen wie derbe evil Morier doch ist. Wenig freundlicher ist der halbseidene Geschäftsmann Max Klemp (Clemens Schick), der Moriers Rivale ist und ebenfalls eine ganze Garage voller Luxuskarossen älteren Baujahrs bei sich rumstehen hat. Zwei verfeindete Gangsterclans, das ist das alte „Red Harvest“/„Yojimbo“/„Für eine Handvoll Dollar“-Motiv vom Diener zweier Herren, das unsere feschen Autoknackerbuben doch sicher benutzen werden.

Für Morier sollen die Brüder nun Klemp um besagte Oldtimer erleichtern. Schnell beweisen sie ihr Können und verdienen sich das Vertrauen des brutalen Tycoons, den man auch besser nicht bestiehlt. So müssen sie einen Plan schmieden, mit dem sie heil aus der Sache herauskommen…

httpv://www.youtube.com/watch?v=CbkGybRb3EI

Overdrive

Andrew (Scott Eastwood) und Garrett Foster (Freddie Thorp) stehen auf edle Autos

Während die „Fast & Furious“-Reihe immer absurdere Autostunts und Verwendung von (Spezial-)Vehikeln auffuhr, wollte „Overdrive“ dem vielleicht einen geerdeteren Ansatz entgegensetzen. Allerdings sind die drei großen Set Pieces des Films dann auch etwas beliebig, vor allem der erwähnte Auftakt. Schon besser ist die Bewährungsprobe in der Filmmitte, bei welcher die Crew ohne Vorbereitung mit ihren Karren ein Flugzeug vom Start abhalten muss und dabei von der Polizei verfolgt wird, während das große Finale dann eine Autojagd mit mehreren Vehikeln und einem knalligen Blechschadenabschluss liefert. Das bietet alles grundsolide Action, ist in einigen Stuntszenen sogar richtiggehende spektakulär, auch wenn bei manchem Schauwert ganz offensichtlich Kollege Computer unter die Arme greifen musste. Doch die leider etwas sparsam eingesetzte Action geht durchaus in Ordnung.

Vom Rest des Films kann man das leider weniger sagen. Das fängt schon bei der Story an, bei der es die obligatorischen Twists und Doppelspiele gibt, bei der man aber von Anfang an sagen kann, wer am Ende die lachenden Gewinner sind. Zumal keine Storywende wirklich sauber vorbereitet wird, sondern eher lustlos dahingeworfen. Noch schwerer wiegt, dass es sich bei allen Figuren um austauschbare Pappkameraden handelt, die dem Zuschauer am Hintern vorbeigehen. Dass das Autoknackertrio draufgehen könnte? Egal. Dass die Beziehung zwischen Andrew und Stephanie kriselt, weil er sie von den gefährlichen Jobs fernhalten möchte? Egal. Dass Garrett etwas eifersüchtig ist, weil er sich wie das fünfte Rad am Wagen fühlt? Egal. Noch dazu kriegt „Overdrive“ seine Heist-Film-Elemente kaum auf die Kette: In die Planung der Coups wird der Zuschauer kaum involviert, die zur Unterstützung herbeigeholten Spezialisten sind fast durchweg egal und ohne Persönlichkeit, sieht man mal von der Diebin Devin (Gaia Weiss) ab, die schnell als Love Interest für Garrett installiert wird.

Overdrive

Stephanie (Ana de Armas) ist nicht nur in Crime Andrews Partnerin

Wobei der in erster Linie Augen für die Autos hat und von einem alten Ferrari mehr schwärmt als von jeder Frau – und vielleicht auch die Identifikationsfigur für Regisseur Antonio Negret ist, der nach dem gelungenen B-Actioner „Transit“ vor allem Episoden von TV-Serien inszenierte. Denn Negret lichtet die Luxuskarossen mit derart fetischisierendem Blick ab, dass jeder „Fast & Furious“-Film wie ein Waisenknabe im Vergleich wirkt, wenn die Kamera hier langsam und in Großaufnahme an den Chromoberflächen der Vehikel entlangfährt. In ähnlichem Designerlook wird auch die französische Küstenlandschaft abgefilmt, während „Overdrive“ die typischen Frankreich- bzw. Europaklischees zelebriert. Die Jugend feiert in angesagten Clubs, die Geschäftsleute stehen alle auf Edelkarossen sowie die schönen Künste, alle sind furchtbar kultiviert und trinken andauernd edlen Wein. Das erinnert an die Art von Kino, mit denen Luc Bessons EuropaCorp den internationalen Markt in den 2000ern beglückte – „Overdrive“-Produzent und „Taken“-Regisseur Pierre Morel stammt ja auch aus dem Besson-Dunstkreis.

Kollege Besson hatte aber oft ein besseres Auge in Sachen Casting. Scott Eastwood („Pacific Rim: Uprising“) mag seinem berühmten Vater ähnlich sehen, dessen Charisma muss er sich aber noch erarbeiten und so wirkt er auch hier wie ein Posterboy mit wenigen Kanten. Freddie Thorp („The Advocate“) ist okay, Ana de Armas („The Informer“) muss meist eine Schnute ziehen und den Helden anhimmeln, so wie sich auch Gaia Weiss („The Legend of Hercules“) vor allem als Love Interest definiert. Einzig und allein bei den Schurken brennen sich Simon Abkarian („Zero Dark Thirty“) und Clemens Schick („Point Break“) als anzugtragende Gewalttäter und verfeindete Gangsterbosse ein – letzterer durfte ja schon ein Jahr vor „Overdrive“ in „Collide“ Erfahrung mit international produzierter Autoaction auf europäischem Boden sammeln.

Das „Overdrive“-Autorenduo Michael Brandt und Derek Haas schrieb mit „2 Fast 2 Furious“ das erste Sequel der erfolgreichen Bolidensaga und war von daher eigentlich gut beschlagen für den Job bei Negrets Film. Doch „Overdrive“ fehlt der Wahnwitz in Sachen Ideen und Stuntwork, es bleibt hübsch anzusehende Heist-Kost mit wenigen, aber durchaus brauchbaren Actionszenen, die jedoch unter den egalen Figuren und der egalen Story leidet. Der zeitgleich entstandene „Fast & Furious 8“ mag sich zwar auch in die Nesseln gesetzt haben – das aber immerhin mit mehr Karacho als dieser bieder-brave Dienst-nach-Vorschrift-Film.

In Deutschland hat Universum Film „Overdrive“ auf Blu-Ray und DVD veröffentlicht, ungekürzt ab 12 Jahren freigegeben. Als Bonusmaterial gibt es Interviews, Featurettes und Trailer.

© Nils Bothmann (McClane)

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