Mark Millar gab im Jahr 2012 mit seinem Comic „Secret Service“ den Startschuss für die „Kingsman“. Vorausgegangen waren dem Werk viele Gespräche mit Matthew Vaughn über Agentenfilmaction am Set der Mark-Millar-Comicverfilmung „Kick-Ass“. Als Quasi-Geburtshelfer äußerte Vaughn bald großes Interesse, auch die „Kingsman“ auf die Leinwand zu hieven.
2014 lief der erste „Kingsman“-Film als „Kingsman: The Secret Service“ vom Stapel. Der Erfolg machte eine Fortsetzung unabdingbar. Diese enterte 2017 die Leinwände, musste allerdings ohne eine Vorlage von Mark Millar auskommen. Und vermutlich war es genau das, was „Kingsman: The Golden Circle“ fehlte. Der mäanderte nämlich teils ziemlich vor sich hin.
Ein Jahr später wurde dann ein zweiter „Kingsman“-Comic angeleiert. Überraschenderweise orientierte sich „Kingsman: Jagd auf Red Diamond“ nicht an dem zweiten Kinofilm, sondern ging gänzlich eigene Wege. Das Ziel von Mark Millar, der bei diesem Comic seine Kollegen Rob Williams (Autor) und Simon Fraser (Zeichner) ranließ, war klar: Das „Kingsman“-Universum immer weiter ausbauen.
Ein Wunsch, dem zuletzt auch Hollywood nachkam: Ein dritter Film wurde längst abgedreht, hängt aber in der vermaledeiten „Corona-Schleife“ – und orientiert sich ebenfalls nicht an „Kingsman: Jagd auf Red Diamond“.
Eggsy jagt den Red Diamond
Scharfe Frauen, heiße Schlitten und gefährliche Geheimaufträge. Eggsy ist längst in der Welt der Geheimagenten angekommen. Doch er ist nicht in der Lage, das Rohe und Ungeschliffene seiner Herkunft abzustreifen. Infolgedessen gerät er immer wieder mit seinen Vorgesetzten aneinander, die sein rabiates und ungehorsames Verhalten nur bedingt zu dulden bereit sind.
Als er nach einem erfolgreichen Einsatz dem altehrwürdigen, aber ungemein groben Prinz Philip eine verpasst, wird er beurlaubt. Eggsy nutzt die Gelegenheit und besucht seine Familie. Als er irgendwann wieder mal zufällig in der Zentrale der Kingsman landet, hat sein Urlaub allerdings auch schon ein Ende.
Er soll dringend einen Hacker namens „Alias“ festsetzen. Als Eggsy Alias stellen kann, muss er bemerken, dass der vermeintlich gefährliche Hacker eigentlich die Welt retten wollte. Doch da ist es längst zu spät. Der Superschurke Red Diamond fährt ohne Alias’ Gegenwehr die gesamte Welt herunter, indem er alle Rechner und Server mit einem Virus zerstört. Ein gewaltiger Blackout ist die Folge und nur Eggsy kann nun noch das Schlimmste verhindern.
The Show must go on
„Kingsman: Jagd auf Red Diamond“ erzählt eine Agentenstory im James-Bond-Umfeld, nur eben „Kingsman“-typisch um viel rotzigen Humor und fiese Überraschungen erweitert. Wie die Story angeschoben wird, macht richtig Laune und birgt ein paar nette Entwicklungen. Etwa, dass Eggsy dank Alias eher zufällig auf den großen Fieswicht aufmerksam wird, während der Leser ebenjenen bereits ausführlich beim Wirken erleben durfte. Und dessen wirklich geile, James-Bond-Flair pur versprühende Geheimbasis in einem clever umgesetzten Perspektivwechsel in ihrer vollen Größe abfeiern durfte.
Auch nach Kenntnis des großen Masterplanes behält „Kingsman: Jagd auf Red Diamond“ sein hohes Tempo bei und führt mit Kwaito eine echte Powerlady ein, die Eggsy zur Seite steht und ihrerseits für weitere nette Verwicklungen sorgt. Kurzum: Man ist immer in der spannenden, sich dank diverser bekannter Bond-Klassiker sehr vertraut anfühlenden Story des Comics drin und freut sich auf den großen Showdown. Der – Franchise-typisch – natürlich blutig und witzig gerät. Und ganz nebenbei den vermutlich abgefahrensten ersten Auftritt eines Superbösewichtes überhaupt lanciert. Das muss man wahrlich gesehen haben.
Doch derartigen Ideen zum Trotz und obschon sich Williams und Fraser um viele popkulturelle Anspielungen und Witzchen bemühen, an den Vorgänger von Mark Millar reichen sie leider nie heran. Was insofern problematisch ist, dass Millar bei seinem Vorgänger schon gebremst wirkte. Man spürte, dass er das Agentenfilmgenre und seine Geschichten liebt – und er selbiges schadlos davonkommen lassen wollte (Lest auch unseren Vergleich zwischen Comic und Film!). Trotzdem wirkte der von ihm verwendete Humor frecher als jener in „Jagd auf Red Diamond“. Und sein Humor fügte sich auch homogener ins Gesamtkonzept ein.
In „Kingsman: Jagd auf Red Diamond“ wirken manche Witzchen dagegen echt bemüht. Vor allem Eggsys Doppeldeutigkeiten kommen schon extrem platt rüber. Schade ist auch, dass die ganze Story vor allem zum Ende hin eher glatt gerät und keinerlei Überraschungen mehr aufzubieten versteht. Seltsam ist auch, dass die Auswirkungen von Red Diamonds Masterplan nie für die Story genutzt werden. Ein Versuch wird zwar in Form einer Substory um Eggsys Familie gestartet, doch der bläht die Story nur auf, anstatt ihr zu helfen.
In Sachen Optik kann man sich derweil nie beklagen. Simon Frasers Artwork orientiert sich gezwungenermaßen (immerhin will man eine Welt aus einem Guss entwerfen) deutlich am Vorgänger, seine eigene Handschrift bleibt aber immer zu erkennen. Vor allem bei den Charakteren arbeitet er sehr detailverliebt, während die Hintergründe eher reduziert gestaltet sind und teils nur über die Kolorierung mit Leben gefüllt werden. Die Wirkung ist insgesamt frisch und modern und erweckt Eggsys-Welt überzeugend zum Leben.
„Kingsman – Jagd auf Red Diamond“ bietet freche Agentenaction
Die Comic-Fortsetzung zu Mark Millars erfolgreichem Aufschlag unterhält als Variation der altbekannten James-Bond-Streifen mit einer Melange aus größenwahnsinnigen Superverbrechern, gewaltigen Bösewicht-Basen, sexy Frauen, flotter Action und netter Gadgets prächtig. Ja, so gelungen wie Millars Erstling fühlt sich die Comic-Fortsetzung nicht an, aber sie entwickelt vor allem Eggsy gelungen, fast gefühlig weiter und schärft das Profil des „Kingsman“-Universums als kleinen, rotzigen Bruder der James-Bond-Franchise.
Alle Informationen zur Veröffentlichung von „Kingsman: Jagd auf Red Diamond“
Kingsman: Jagd auf Red Diamond
von Rob Williams (Autor) und Simon Fraser (Autor)
Taschenbuch: 152 Seiten
Verlag: Panini Verlags GmbH; 1. Edition (22. Oktober 2019)
ISBN-13 : 978-3741614439
In diesem Sinne:
freeman