Originaltitel: The Sonata__Herstellungsland: Frankreich, Großbritannien, Lettland, Russland__Erscheinungsjahr: 2018__Regie: Andrew Desmond__Darsteller: Freya Tingley, Simon Abkarian, Rutger Hauer, Catherine Schaub-Abkarian, Matt Barber, Christopher Brand, James Kermack, Myster Jo, Laine Ligere Stengrévica, Aurélija Pronina u.a. |
Richard Marlowe war ein Komponist, der mit einem seiner Werke die klassische Musik in ihren Grundfesten erschütterte. Doch Marlowe nutzte das Momentum nicht aus, um zum gefeierten Genie aufzusteigen. Stattdessen verschwand er spurlos. Viele vermuteten einen Unfall, der ihn das Leben gekostet haben könnte. In Wirklichkeit aber zog sich Marlowe in ein entlegenes Anwesen in Frankreich zurück und schrieb er an seinem Opus Magnum – seinem Lebenswerk.
Marlowe hatte eine Tochter. Diese steigt in der Klassik-Szene gerade zu einer gefeierten Violinistin auf, als sie die Nachricht vom tatsächlichen Tod ihres Vaters ereilt. Der Nachlassverwalter erklärt ihr, dass ihr Vater ihr das Anwesen in Frankreich und die Rechte an all seinen Werken vermacht habe. Rose, die ihren Vater kaum kannte, reist neugierig nach Frankreich.
In dem herrschaftlichen Schloss ihres Vaters findet sie alsbald ein erst vor kurzem fertiggestelltes Werk. Eine Symphonie für eine Violinistin und damit vielleicht eine Art Abschiedsgeschenk für Rose? Doch das Werk wirkt seltsam unperfekt. Schwankt zwischen genialen und groben Abschnitten. Da bemerkt Rose seltsame Symbole inmitten der Noten, deren Zweck sie sich nicht erklären kann. Und als sie die Symphonie auch nur kurz anspielt, beschleicht sie ein beklemmendes Gefühl. Sie zieht ihren Agenten zu Rate, der ihr hilft, die Symbole zu entschlüsseln und hinter das gefährliche Geheimnis des Musikstückes zu kommen.
Schaut in den Horrorfilm mit Rutger Hauer hinein
httpv://www.youtube.com/watch?v=GOU_jp_tSFY
„Sonata – Symphonie des Teufels“ stammt aus dem Jahre 2018 und markiert einen der letzten Filmauftritte von Rutger Hauer. Entsprechend beklemmend geraten die Anfangsminuten des Streifens. In denen schlüpfen wir dank POV-Perspektive in die Haut von Rutger Hauer. Wir stellen die titelgebende Symphonie fertig, leeren ein Glas Wein, schwanken als Richard Marlowe durch dessen Anwesen, greifen uns einen Kanister Benzin, betreten einen Balkon, schütten uns das Benzin über den Körper und zünden uns an. Wir und damit Rutger Hauer sterben einen grausigen Tod.
Nach diesem leicht verstörenden Beginn entwickelt sich der Streifen von Regie-Debütant Andrew Desmond, der auch am Drehbuch mitschrieb, zu einer Art „Geheimnisse“- oder auch (um in Rutger Hauers Werk zu bleiben) „Der Venedig Code“-Wiedergänger. In beiden Filmen – und damit auch in „Sonata“ – geht es darum, einem Kunstwerk seine Geheimnisse zu entreißen. Während bei „Geheimnisse“ mit Kate Beckinsale und „Der Venedig Code“ die Kunstszene im Mittelpunkt stand, ist es diesmal die klassische Musik. Ein alles andere als zigfach genutztes Topoi. Dementsprechend wandelt der Film in Teilen auch nicht auf allzu ausgetretenen Pfaden.
Zudem verteilt er die Story auf die Schultern zweier Protagonisten. Rose befeuert dabei den gruseligeren Part, der im Haunted-House-Horror verortet ist. Immer wieder darf sie durch das prächtige Schloss wandeln und unheimlichen Geräuschen nachgehen. Hier kommt alleine schon wegen des Settings fantastischer Gothic-Vibe auf. Schatten huschen, Gestalten materialisieren sich und verschwinden. Die düstere Atmosphäre des gewaltigen Gemäuers sorgt für zusätzliche Spannung. Und immer wieder entdeckt Rose seltsame Symbole im Schloss ihres Vaters. Derweil geht Roses Agent den Geheimnissen der Symphonie auf die Spur. Entschlüsselt die Codierung der Symphonie und deckt Verbindungen im Gedankengut von Richard Marlowe zu sinisteren Geheimbünden auf. Das ist extrem faszinierend geraten und sorgt ebenfalls für eine durchgehende Spannungskurve.
Wenn die beiden Charaktere dann endlich richtig zusammenarbeiten und es in Sachen Filmgeheimnis ans Eingemachte geht, ist der Film endgültig richtig spannende Horrorthrillerkost und mündet in ein fantastisch inszeniertes, bis auf kleine CGI-Schnitzer audiovisuell großartiges Finale – das aber für den bisherigen Spannungsaufbau zu klein skaliert wirkt. Und den Zuschauer leider unbefriedigt zurücklässt.
Den Schauspielern kann man an diesem finalen Knick im Empfinden des Streifens keine Schuldzuweisungen machen. Vor allem Freya Tingley („Swelter“) macht als Rose einen hervorragenden Job. Denn sie schafft es, ihre zu Beginn seltsam zickig wirkende Rose glaubwürdig zur Heldin des Filmes zu drehen, mit der der Zuschauer durchaus gerne mitfiebert. Der die Parallelhandlung um Roses Agent befeuernde Simon Abkarian („Overdrive“) spielt ebenfalls stark auf. Vor allem, wie subtil er die Wesensveränderungen seiner Figur in Richtung Finale rüberbringt, hat richtig Klasse.
Rutger Hauer („Hitcher – Der Highway Killer“) dagegen kommt als Richard Marlowe leider sehr kurz. Da wäre die beklemmende Szene zu Beginn, in der er nur mal in einem Spiegel zu sehen ist, ein mit seiner Figur geführtes Interview auf einer Tube-Plattform und ein paar kurze Traumszenen, in denen er meist ebenfalls in Flammen steht. Als Fan hätte man ihn schon gerne länger gesehen. Aber zumindest schwebt seine Präsenz permanent über dem Film, kommt doch kaum ein Satz ohne einen Hinweis auf seinen Richard Marlowe aus.
Optisch zuckt man zu Beginn ein wenig zusammen. Die POV-Szene wirkt ekelhaft klar in ihrem Look. Sofort befürchtet man die übliche Digitaloptiksoße. Doch wirklich direkt nach dem Einstieg schlägt der Film eine komplett andere Richtung ein. Ist sichtlich bemüht um eine atmosphärische Lichtsetzung, interessante Perspektiven und eine düstere Optik. Nebelverhangene Wälder und das fantastische Setting des Schlosses (gedreht wurde im Übrigen in Litauen) pumpen unentwegt Gruselatmosphäre in den Film. Der Soundtrack, der sich sujetmäßig sehr klassisch anhört, unterstreicht die Wirkung der Bilder trefflich.
„Sonata – Symphonie des Teufels“ ist ein über weite Strecken faszinierendes Puzzle
Es macht einfach riesigen Spaß, zuzuschauen, wie Rose und ihr Agent dem Geheimnis der Symphonie von Roses Vater auf die Spur zu kommen versuchen. Wenn diese Suche immer weitere Kreise zieht, von Geheimbünden die Rede ist, Kindermorde aufploppen, parallel Dämonenfratzen aufblitzen und Statuen sich kaum merklich zu bewegen scheinen, ist „Sonata – Symphonie des Teufels“ hoch unterhaltsam und nimmt sich obendrein viel Zeit für seine Charaktere. Auch die Verortung der Ereignisse im Umfeld der klassischen Musik gerät sehr faszinierend.
ABER: Viele Schocks im Film sind eher Schockversuche, hier und da wären definitiv wirkungsvollere Jump Scares drin gewesen und dass die finale Enthüllung um die Symphonie nicht einmal ein wenig ironisch gebrochen wird, verschafft dem Film eine unfreiwillig komische Note. Vermutlich wäre „Sonata“ sogar besser beraten gewesen, auf die Haunted-House-Elemente vollends zu verzichten, sich auf die Entschlüsselung der Symphonie zu fokussieren und erst dann in Horrormotive zu münden. Auch hätte man sich nach dem starken Spannungsaufbau einfach ein Finale mit mehr Rambazamba gewünscht.
So perfekt wie Marlowes Symphonie ist „Sonata“ also weiß Gott (oder besser: weiß Teufel) nicht, aber für einen netten Filmsnack zwischendurch taugt der audiovisuell stark in Szene gesetzte, sich auf angenehme Weise altmodisch anfühlende Streifen unbedingt.
Die deutsche DVD / Blu-ray kommt von dem Label Tiberius Film / Sunfilm und ist mit einer Freigabe ab 16 ungeschnitten. Leider verzichtet Sunfilm inzwischen auch auf die liebgewonnen Wendecover.
In diesem Sinne:
freeman
Was meint ihr zu dem Film?
Zur Filmdiskussion bei Liquid-Love
Copyright aller Filmbilder/Label: Sunfilm / Tiberius Film__Freigabe: FSK 16__Geschnitten: Nein__Blu-ray/DVD: Ja/Ja |