Originaltitel: Dead Reckoning__ Herstellungsland: USA_ Erscheinungsjahr: 2020__ Regie: Andrzej Bartkowiak__ Darsteller: K.J. Apa, India Eisley, Scott Adkins, James Remar, Ellie Cornell, Devon Diep, Leah Procito, Sydney Park, Frances Fisher, John Shea, Pat Walsh, … |
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Nein, bei “Dead Reckoning” handelt es sich nicht um eine weitere Game-Verfilmung von Regisseur Andrzej Bartkowiak, der uns zuvor bereits “Doom” sowie “Street Fighter: The Legend of Chun-Li” beschert hat, sondern um einen selbst-ernannten “Millennial Romantic Thriller”, der nach seinen 2016 abgeschlossenen Dreharbeiten (damals noch den Titel “Altar Rock” tragend) erst einmal rund vier Jahre lang in irgendeinem “Studio-Giftschrank” verschwand, bevor ihn “Shout! Factory” schließlich Ende 2020 in den Staaten veröffentlichte. Ja, während der Post-Production-Phase gab es finanzielle Probleme und die Verantwortlichen hatten merklich Mühe, sich auf eine konkrete Vermarktungs-Strategie zu einigen – man betrachte dazu einfach mal die sich vom “Ton” her heftig unterscheidenden früheren Poster-Motive – und dennoch erkeimt natürlich unweigerlich die Frage: Hat das nicht vielleicht doch eher etwas mit der Qualität des Werks zutun? Denn hey: B-Movies aller Güteklassen erscheinen ja ständig – und im Gegensatz zu vielen anderen kann dieses hier sogar mit einem angesagten Jung-Mimen in der Haupt- sowie einem gestandenen Action-Recken in einer prominenten Nebenrolle aufwarten…
Eröffnet wird in Gestalt eines kurzen Prologs, im Rahmen dessen der hochrangige FBI-Agent James Gardner (John Shea) im Fernsehen bekannt gibt, dass Tador Bashati (Pat Walsh), der primäre Verdächtige eines Anschlags auf die New Yorker U-Bahn, just zuvor bei einem Einsatz getötet wurde: In Notwehr erschossen seitens des Bundesbeamten Cantrell (James Remar) – was das Publikum parallel zu jener Presse-Konferenz (quasi als “Flashback”) auch aufgezeigt erhält. Innerlich “vor Wut brodelnd”, verfolgt Bashati´s (von Scott Adkins mit einer echt furchtbaren Perücke auf dem Kopf verkörperter) Sohn Marco die Nachrichten-Sendung derweil in einer etliche Meilen entfernt gelegenen Bar: Sein Verlangen nach Rache wird geweckt, welche er daraufhin energisch in die Tat umzusetzen anstrebt – seltsamerweise aber mit Gardner, nicht Cantrell im Visier! “Kill the Messenger” sozusagen: Schräg. Nunja, jedenfalls sabotiert er dessen private Cessna – mit dem Resultat, dass die Maschine beim Landeanflug auf die Insel Nantucket zerschellt, wo James mit seiner Familie zuhause ist: Er und seine Frau Celeste (Frances Fisher) sterben in dem Wrack – ebenso wie ihr Hündchen…
Sechs Wochen später: Mitgenommen vom Verlust ihrer Eltern, lebt das Töchterchen der Gardners, die rebellisch-hübsche Tillie (India Eisley), inzwischen bei ihrer Tante Jennifer (Ellie Cornell). Neuerdings viel Alkohol trinkend, ist sie obendrein unglücklich darüber, bald von dem Ort ihres Aufwachsens wegziehen zu müssen, um aufs College zu gehen. Eines Abends lernt sie den netten jungen Taxifahrer Niko (K.J. Apa) kennen, der ursprünglich aus Albanien kommt und fleißig für sein Geld jobbt – anders als die meisten Kids, die auf Nantucket daheim sind. Eine zarte, ihr offenkundig guttuende Liebe erblüht. Dann jedoch taucht Marco mit einer Jacht an der Küste auf – und es stellt sich heraus, dass jener Niko´s Bruder ist! Sein Plan: Eine Bombe inmitten einer Menschenmenge am 4. Juli zünden – allerdings ist Niko nicht dazu bereit, ihn bei der Ausführung des fiesen Vorhabens zu unterstützen. Er ist hin- und hergerissen: Der Schutz Unschuldiger vs. Familien-Verbundenheit. Mit den “Independence Day”-Feierlichkeiten nahend, wächst die Anspannung zunehmend. Was wird Niko tun? Vielleicht kann aber auch Cantrell Marco aufhalten, dessen Spur er verbissen bis auf die Insel nachgegangen war…
“Dead Reckoning” wäre gern eine reizvolle Kombination aus einem “Romeo&Juliet”-artigen Teenager-Drama und einem zeitgemäßen Terrorismus-Thriller – scheitert jedoch in so ziemlich jeder Hinsicht. Dem Ergebnis merkt man an, dass die Drehbuch-Autoren A. Wayne Carter und Kristin Alexandre relative Newcomer auf diesem Gebiet waren – und das Statement, sie hätten sich beim Verfassen von dem Sprengstoff-Anschlag auf den Boston-Marathon inspirieren lassen, welchen die Brüder Dschochar und Tamerlan Zarnajew 2013 verübten, grenzt zudem schon fast an Geschmacklosigkeit. Und die Shakespeare-Komponente? Die Liebenden Tillie und Niko haben beide ihre Eltern verloren: Sie durch seinen Bruder – er seinen Vater durch Cantrell, der wiederum Tillie´s Taufpate ist. Sie stammt aus reichem Hause – er aus dem ärmlichen Südost-Europa. Marco ist ein Amerika und die dort ansässigen “Ungläubigen” hassender Muslime, der Tillie an einer Stelle bspw. als “Infidel” bezeichnet – ihr Dad stand im Dienste der US-Regierung. Niko lernt das Land und die Leute allerdings immer stärker zu schätzen – bringt sich (samt seiner Tugenden) ergiebig in sein Umfeld ein und ist einfach keine radikale, für solche Ansichten zu töten bereite Person…
Niko hilft Tillie u.a. bei der Bewältigung ihrer Trauer – und tatsächlich ist ihre Romanze einigermaßen nett beizuwohnen; einer Reihe Klischees und banaler Konversationen zum Trotz. K.J. Apa (TV´s “Riverdale”) ist so sympathisch und India Eisley (“Kite“) so attraktiv wie eh und je – doch insbesondere in “emotionaleren Augenblicken” fehlt es ihnen hier jeweils an einer markanteren “Screen-Presence”. Generell sind die Performances nicht allzu hochwertiger Natur. Ähnliche Parts hat James Remar (“All Superheroes must die“) in der Vergangenheit des Öfteren klar besser gemeistert, John Shea (“Southie”) und Frances Fisher (“Titanic”) verfügen bloß über Mini-Auftritte, Devon Diep (“Ted“) darf kurz mal singen und Ellie Cornell (“House of the Dead”) ist als Tillie´s Tante mit von der Partie – ihres Zeichens eine freundliche, lesbische, in einer Frauenarzt-Klinik tätige ehemalige Abhängige. Und Scott Adkins (“Seized“)? Unvorteilhafterweise ist seine limitierte “mimische Bandbreite” unverkennbar – zumal er bei der Rolle deutlich mehr spielen als kämpfen muss – worüber hinaus einem Marco an sich (vom Akzent bis zum kompletten “bösen Gebaren” hin) nahezu wie eine reine “stereotype Karikatur” vorkommt…
“Dead Reckoning” krankt ebenso an seiner oberflächlich-mauen Vorlage wie an der uninspirierten Umsetzung jener. Die Verwebung der einzelnen Plot-Stränge mutet mitunter “uneben” an – so dass man durchaus meinen könnte, bestimmte Szenen seien erst nachträglich (im Rahmen von Rewrites) in den Story-Verlauf integriert worden. Schlicht gestrickte Figuren, plumpe Dialoge, “zum Aufstöhnen animierende” Momente (etwa als Niko Tillie einen Welpen schenkt) sowie ein grundlegender Mangel an “Subtilität” und “Tiefe” schlagen zusätzlich negativ zubuche. Überdies weisen gewisse zentrale Themen wie Loyalität oder Terrorismus keinerlei “Gewicht” auf, wenn es um angestrebte Empfindungen auf Seiten des Publikums geht. Wie wohl reagiert Tillie, wenn sie mit weiteren “belastenden Faktoren” (wie dass der Bruder ihres Freundes ihre Eltern ermordet hat) konfrontiert wird? Wie wird sich Niko am Ende entscheiden? Gelingt es Marco, Tod und Schrecken zu verbreiten? Und was mag aus dem Vermögen werden, das er bei sich hat? Ein Gefühl von “Dringlichkeit” und Gefahr (sprich: Spannung) sollte entstehen – doch nichts dergleichen geschieht…
Das nicht gerade hohe Budget macht sich vor allem bei einigen schwachen Green-Screen-Shots und CGIs bemerkbar – sowie dass man den Flugzeug-Crash rein aus der Perspektive eines verwackelten Handy-Videos aus dem Innern der Maschine geboten erhält. Die Bebilderung Vern Nobles (“Primal“) ist unkreativ-einfallsarm – wie auch das Editing Cody Millers (“I know where Lizzie is”). Der Score Sean Murrays (“the Debt Collector“) ertönt indes gelegentlich viel zu “dramatisch-kräftig” – während Bartkowiak nichts wirklich im Gedächtnis verbleibendes zu erschaffen vermochte. Action gibt es kaum – wohl allerdings zwei Fights, die von ihrer ganzen “over the Top”-Art her einfach nicht mit dem Rest “harmonieren”: Zuerst darf Adkins gegen Remar antreten – inklusive der Nutzung von Waffen á la Hammer, Axt und Fischer-Haken – und sich dann außerdem noch mit Frau Cornell kloppen – dieses Mal samt “Zweck-Entfremden” einer Flasche, Schere sowie eines Skalpells und Infusions-Ständers. Zumindest ist Nantucket Island, Massachusetts ein schönes Fleckchen Erde – allerdings wurde aufgrund fehlender Genehmigungen letztlich fast alles (bis auf ein paar “heimliche Aufnahmen” mit Apa und Eisley) auf dem Festland gedreht…
Fazit: “Dead Reckoning” ist ein lahmer, belangloser Streifen ohne Suspense oder “Relevanz”, der sich u.a. weder die proklamierte Verbindung zu wahren Begebenheiten noch die am Ende von Tillie per Voiceover vermittelte “Botschaft” in irgendeiner Weise “verdient” hat. Andrzej Bartkowiak war einst ein toller Cinematographer – siehe dazu nur mal “Speed” oder “Falling Down” – aber noch nie ein guter Regisseur; “Genre-Guilty-Pleasures” wie “Romeo must die” oder “Exit Wounds” zum Trotz. Selbst in einem 2020er Interview meinte er zu diesem Werk hier noch, es sei für ihn (als ein in die Vereinigten Staaten gekommener Immigrant) ein “Passion Project” gewesen: Erstaunlich, denn dem fertigen Ergebnis fehlt es (neben vielen anderen Dingen) augenfällig und spürbar an “Leidenschaft” und “Seele”. Im Prinzip wirkt der Film wie ein typisches “Lifetime”-Made-for-TV-Movie – nur halt eins mit mehr nackter Haut und expliziterer Gewalt…
allerdings mit einer gewissen Tendenz hin zur
Während mir bis heute (02/2021) bislang noch keine Veröffentlichungspläne für Deutschland bekannt sind, ist “Dead Reckoning” in den USA jedoch bereits auf DVD und BluRay zu haben…
Stefan Seidl
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zur Filmdiskussion bei Liquid-Love
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