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Agent Carter

Originaltitel: Agent Carter__Herstellungsland: USA__Erscheinungsjahr: 2015-2016__Creators: Christopher Markus, Stephen McFeely __Regie: Joe Russo, Scott Winant, Craig Zisk u.a.__Darsteller: Hayley Atwell, James D’Arcy, Enver Gjokaj, Chad Michael Murray, Wynn Everett, Reggie Austin, Bridget Regan, Lesley Boone, Shea Whigham, Lyndsy Fonseca, Currie Graham, Kurtwood Smith, Dominic Cooper, Ken Marino, Ralph Brown, Ray Wise, Chris Browning, Neal McDonough, Chris Coppola, Stan Lee, Toby Jones, Chris Mulkey u.a.
Agent Carter

In der Marvel-Serie “Agent Carter” legt Hayley Atwell als Titelheldin ohne Superkräfte Schurken das Handwerk

In der Chronologie des Marvel Cinematic Universe klaffte zwischen dem Ende von „Captain America“, der während des Zweiten Weltkriegs spielte, und der in der Gegenwart angesiedelten Avengers-Initialzündung „Iron Man“ eine große Lücke, die „Agent Carter“ wunderbar hätte füllen können, doch die Serie über die resolute Agentin und die Ursprünge von S.H.I.E.L.D. brachte es nur auf zwei kurze Staffeln.

Dabei ist die Prämisse der Serie durchaus gewitzt, denn nach Ende des Zweiten Weltkriegs muss Titelheldin Peggy Carter (Hayley Atwell) nicht nur den Verlust von Steve Rogers alias Captain America verwinden, sondern auch mit einem typischen Frauenproblem der Nachkriegszeit klarkommen: Während des Krieges durfte sie arbeiten und typische Männertätigkeiten wahrnehmen, nach Ende der Kampfhandlungen würde die Männerwelt sie lieber in ihrer alten Rolle wiedersehen. Also wird die Agentin bei der S.H.I.E.L.D.-Vorläuferorganisation Strategic Scientific Reserve (SSR) meist mit Tätigkeiten wie Sekretariat, Essenholen und Kaffeekochen betreut, was ihr verständlicherweise stinkt. Wichtigste Nebenfiguren im Team: Der knorrige Chief Roger Dooley (Shea Whigham), der verständnisvolle, versehrte Daniel Sousa (Enver Gjokaj) und der arrogante, aber pfiffige Schönling Jack Thompson (Chad Michael Murray).

Peggy will sich auf eigene Faust beweisen, als ihrem alten Freund, dem Großindustriellen und Womanizer Howard Stark (Dominic Cooper), wertvolle Prototypen gestohlen werden und das SSR ihn jedoch des Landesverrats bezichtigt. Während Stark außer Landes flieht, ermittelt Peggy gemeinsam mit seinem patenten Butler Edwin Jarvis (James D’Arcy)…

httpv://www.youtube.com/watch?v=vVOM5zv8sMM

Aus dem Steampunk-Weltkrieg von „Captain America“ geht es in „Agent Carter“ in eine Stimmung zwischen klassischem Spionagestreifen und Film Noir über, welche das Vierzigerjahre-Setting der Serie voll auskostet. Man sieht freilich die Budgetunterschiede zwischen Film und Serie schon in Sachen Ausstattung und Locations, doch mit seinem Look und der Zeit, in der die Serie angesiedelt ist, bietet „Agent Carter“ eine willkommene Abwechslung zu anderen Superheldenstoffen. Zudem wird mit Freude jene Ära wiederbelebt, in der Helden in Radio-Serials auftraten, man im klassischen Diner Burger, Milchshakes und Kuchen zu sich nahm und in den Hollywood-Studios fest unter Vertrag stehende Stars und Sternchen vermarktet wurden. Sogar auf die Musicals jener Ära spielt „Agent Carter“ in einer Traumszene an, womit die Serie schnell Sympathien beim Zuschauer zu sammeln weiß.

Ebenfalls recht clever ist das Thema der weiblichen Selbstbehauptung eingebunden. So nutzt Peggy vor allem in der ersten Season den Nachteil, dass sie von ihren männlichen Kollegen andauernd unterschätzt wird, zu ihrem Vorteil aus. Viele wichtige Charaktere sind ebenfalls weiblich, etwa Peggys Freundin Angie Martinelli (Lyndsy Fonseca) oder diverse Schurkinnen. So geht es in Staffel eins um eine Gruppe russischer Attentäterinnen, in Staffel zwei ist die Hauptgegnerin eine Erfinderin, die von dunkler Materie korrumpiert wurde. Gleichzeitig werden die Männer nicht außen vor gelassen: Auch dort gibt es die Bremser, die Frauen im Allgemeinen und Peggy im Speziellen unterschätzen, die Unterstützer und ebenfalls Schurken, darunter etwa ein Geheimbund aus Politikern, Geheimdienstlern und Industriellen in der zweiten Staffel. Dazu kommen auch ein paar komplexere Figuren, wie der Mafiaboss Joseph Manfredi (Ken Marino): Einerseits ein Brutalo und Mörder, andrerseits aber auch ein liebeskranker Mann, dem es aufrichtig um das Wohlergehen seiner Angebeteten geht.

Ansonsten bietet „Agent Carter“ einen launigen Mix aus Old-School-Spionagestoff, einigen Actionszenen und einer gehörigen Portion Screwball-Comedy, wenn Peggy sich mit ihren männlichen Mitspielern die Dialoge und Sprüche um die Ohren wirft. Das ist durchaus launig, aber eben auch sichtlich eine Nummer kleiner als in den Filmen des MCU: Die Actionszenen sind meist kurz und es geht nur gegen wenige Gegner, wobei einige Momente herausragen, etwa ein Scharmützel während eines Ausflugs in den Ostblock oder der finale Fight in der ersten Staffel, wenn Peggy und ihr russisches Schläferpendant einander die Kauleisten verbiegen. Andere Krawallszenen sind dagegen eher enttäuschend; vor allem das Finale der zweiten Staffel entpuppt sich als antiklimaktisch. Das ist etwas schade, denn das Setting von „Agent Carter“ böte eigentlich genug Raum für jene bodenständigen, dynamischen Fights, welche „Captain America: The Winter Soldier“ zur Freude der Actionfans bot.

„Agent Carter“ verlässt sich nicht nur auf ein Fall-der-Woche-Schema, sondern jede Season nimmt einen speziellen Komplex in Angriff. In der ersten Staffel geht es in New York um den Diebstahl von Starks Erfindungen und die russische Schläferzelle, Staffel zwei verschlägt Peggy nach Los Angeles, wo sie einen kuriosen Mordfall untersucht, der sie wiederum auf die Spur sinistrer Experimente und krimineller Seilschaften bringt. Damit vermeidet die Serie zwar einen Procedural-Charakter, doch manchmal wirkt es trotzdem so, als ob die Geschichten nicht genug Stoff für acht (Season 1) oder zehn Folgen (Season 2) hergeben, weshalb sich manche Hänger einschleichen. Auch das Jonglieren mit verschiedenen möglichen Love Interests für die patente Hauptfigur wird manchmal übertrieben. Zwar untergräbt der Aspekt Peggys Frauenpower nicht und passt zur Screwballausrichtung des Ganzen, hätte aber auch dosierter eingesetzt werden können.

Schön dagegen ist, dass Peggy als Figur wesentlich mehr Profil erhält als ihre Filmauftritte ihr geben können. Man erfährt mehr über ihre Vergangenheit und ihre Motivation, erlebt die Höhen und Tiefen ihrer Karriere – schon in der ersten Folge muss Peggy einen Tiefschlag verkraften, da sie sich die Schuld am Tod ihrer Mitbewohnerin gibt, die einem auf Peggy angesetzten Killer zum Opfer fiel. So bleibt dann ein Wehrmutstropfen, dass die Serie vom Sender ABC ohne viel Federlesen (und ohne große Rücksprache mit Marvel) nach zwei Staffeln eingestellt wurde und keine neue Heimat fand. Denn nicht alle Plotstränge sind am Ende aufgelöst, dazu kommt ein großer Cliffhanger, der Season 3 vorbereitet, die Peggy vermutlich in ihre britische Heimat, nach London geschickt hätte.

Die Einstellung ist auch insofern schade, als dass Hayley Atwell („The Crime“) in der Titelrolle richtig glänzen kann und die Agentin mit dem flinken Mundwerk und ebenso flinken Fäusten so launig verkörpert, dass man ihr gut und gerne noch weitere Staffeln zusehen würde. Ein weiteres Highlight ist James D’Arcy („Jupiter Ascending“) als patenter Butler, in dessen Figur sich Understatement und Abenteuerlust vereinen. Chad Michael Murray („Survive the Night“) geht in seiner Rolle als eitler Karrierist auf, während Enver Gjokaj („The Avengers“) immer etwas blass ist. Dominic Cooper („Stratton“) klaut bei seinen Howard-Stark-Gastauftritten regelmäßig die Folgen, während unter den wiederkehrenden Nebendarstellern Shea Whigham („Kong: Skull Island“) als bärbeißiger Chef, Bridget Regan („John Wick“) als gewitzte Antagonistin, Ken Marino („Veronica Mars“) als Mafioso, Lyndsy Fonseca („Kick-Ass“) als quirlige beste Freundin und Kurtwood Smith („RoboCop“) als jovialer Verschwörer den meisten Eindruck hinterlassen. Bekannte Gesichter in Gastrollen sind Ray Wise („The Bronx Bull“) und Ralph Brown („Gemini Man“).

So ist „Agent Carter“ eine ganz vergnügliche Serie, die vor allem von ihrer Hauptfigur, dem Setting in den 1940ern und der Stimmung, die damals populäre Genres wie den Film Noir und die Screwballkomödie aufgreift, lebt. Freilich ist das Ganze eine merkliche Nummer kleiner als die Marvel-Filme, in denen man Peggy Carter zuerst sah, die Action nicht immer übermäßig spektakulär und das Ganze nicht frei von Längen, aber nette Unterhaltung bietet „Agent Carter“ dennoch.

abc studios/Marvel/Disney hat „Agent Carter“ in Deutschland auf Blu-Ray und DVD veröffentlicht. Die Serie ist ungekürzt ab 12 Jahren freigegeben, als Bonus gibt es Blooper vom Set.

© Nils Bothmann (McClane)

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Copyright aller Filmbilder/Label: abc studios/Marvel/Disney__FSK Freigabe: ab 12__Geschnitten: Nein__Blu Ray/DVD: Ja/Ja

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