Originaltitel: The Organization__Herstellungsland: USA__Erscheinungsjahr: 1971__Regie: Don Medford__Darsteller: Sidney Poitier, Barbara McNair, Gerald S. O’Loughlin, Sheree North, Fred Beir, Allen Garfield, Bernie Hamilton, Graham Jarvis, Raul Julia, Ron O’Neal, James A. Watson Jr., Charles H. Gray u.a. |
Ein drittes und letztes Mal streift sich Sidney Poitier das karierte Jackett des Detective Virgil Tibbs über, um noch einmal ein Stück Unrecht aus der Welt abzutragen. Längst hat er die Kleinstädte aus den amerikanischen Südstaaten hinter sich gelassen, in denen er bei seinem oscarprämierten ersten Auftritt von „In der Hitze der Nacht“ ein persönliches Ausrufezeichen gegen den Rassismus setzte. Schon in der direkten Fortsetzung, dem Großstadtkrimi „Zehn Stunden Zeit für Virgil Tibbs“, wurden jedoch dank des neuen Einsatzgebietes San Francisco wesentlich größere Brötchen gebacken. Einen weiteren Tapetenwechsel sollte es ein Jahr später nicht mehr geben: In „Die Organisation“ bilden immer noch Originalschauplätze der kalifornischen Metropole die Kulisse, von ihren abschüssigen Straßen bis zum Ausblick auf die Golden Gate Bridge über der hellblau glitzernden Bucht.
Tibbs’ Ermittlungsfeld wird dabei allerdings von Fall zu Fall anonymer, seine Gegner unsichtbarer. Der Filmtitel steht für ein gesichts- und körperloses Netz der Kriminalität, in diesem Fall einen Drogenring, der hinter der unscheinbaren Fassade einer Möbelfabrik operiert. In einer erstaunlich spannenden, in sich abgeschlossenen Prologsequenz spiegelt sich die Anonymität bereits auf mehreren Ebenen wider: Fast dialogfrei führt der sonst vor allem im TV-Bereich erfahrene Regisseur Don Medford durch die ersten Minuten. Das obszön hohe Einfahrtstor der Fabrik wird in der Nacht einfallsreich mit einem Sprungstab überwunden, der Wachmann in seiner Kabine lautlos ausgeschaltet. Die Eindringlinge haben Folie um ihre Gesichter gewickelt und lassen sich dadurch nicht mehr identifizieren. Einen Mitarbeiter lassen sie in seinem Büro in einer der höheren Etagen aus dem Fenster hängen, ohne aufzuklären, warum ihm dies widerfährt. Die Bilanz bei Sonnenaufgang: Ein Toter, eine Explosion, gestohlenes Heroin im Wert von mehreren Millionen Dollar. Und jede Menge offene Fragen für das San Francisco Police Department.
Ein durchaus spektakulärer und vielversprechender Auftakt, der auch ein wenig davon zehrt, dass man noch nicht so recht einschätzen kann, welche Kriege es eigentlich sind, die hier ausgefochten werden. Allzu lange aber macht der Film um die Motivation der Einbrecher kein Geheimnis, denn in einem alten Büro irgendwo in den düsteren Vierteln der Stadt wird Tibbs von ihnen selbst über ihre Absichten aufgeklärt: Um ehemals drogenabhängige Aktivisten handelt es sich, die es sich zum Ziel gesetzt haben, dem Kartell das Handwerk zu legen.
Leider gelingt es dem Drehbuch von James Webb nicht immer, die folgende Zusammenarbeit zwischen den heißblütigen Amateuren und dem strichmündigen Profi schlüssig wirken zu lassen. Um den Idealismus der Gruppe auf Poitiers Figur überspringen zu lassen, reicht dessen Vorgeschichte nicht aus. Im Gegenteil, was wir von Tibbs aus seinen anderen Filmen kennen, lässt eher andere Schlüsse über ihn zu, neigt er doch eigentlich dazu, strategisch und rational zu handeln. Deswegen hatte es stets eine schallende Wirkung, wenn ihm mal die Hand ausrutschte. Verpasst er nun jedoch einem der Aktivisten nach einem frechen Kommentar eine Ohrfeige, wirkt das wie ein Zugeständnis an die wenig ausgeprägten Markenzeichen der Reihe, die ansonsten nicht mehr besonders wirkungsvoll in Szene gesetzt werden.
Schaut in den Trailer
httpv://www.youtube.com/watch?v=MvfFmrvjkMc
Tibbs’ Motivation wird auch deswegen immer rätselhafter, weil sich das Drehbuch kaum noch für sein Privat- oder Innenleben interessiert. Die im Vorgänger entstandenen Bemühungen, ihn in seinem familiären Umfeld zu beobachten und seine Rolle als Ehemann und Vater zur Psychologisierung heranzuziehen, werden fast vollständig eingestellt. Es gibt noch ein, zwei Momente, die ihn an der Seite seiner Frau (Barbara McNair) zeigen, besonders viel von Wert kann man daraus allerdings nicht ziehen. Auch im Job kann man ihm kaum vom Gesicht ablesen, was ihn umtreibt, und so beschränkt sich Poitier darauf, grimmig in die Kamera zu schauen und wortkarg seiner Bestimmung zu folgen, die offenbar darin liegt, vom ordnungsgemäßen Weg des Gesetzes abzudriften und als Vigilant Gerechtigkeit zu schaffen. Vielleicht kommt er damit dem Kollektiv der jungen Aufständischen um Raul Julia (“Street Fighter”) und Ron O’Neal (“Superfly”) entgegen, die offensichtlich nach dem Vorbild junger Bürgerrechtler konzipiert wurden, den Zuschauer lässt er jedoch ein wenig im Regen stehen.
So konstruiert der Ablauf der Ereignisse dadurch auch wirken mag, er ist dennoch reich an Suspense und kleinen Spannungsspitzen, wenn auch wieder eher auf dem Niveau eines hochwertigen TV-Krimis als eines waschechten Kinofilms. Die Stadt wird als Setting sinnvoll in die Handlung integriert, ob nun auf einer Schifffahrt über den Kanal mit der Skyline im Hintergrund die nächsten Schritte geplant werden oder die noch im Bau befindliche Montgomery Station als Dekor für eine Verfolgungsjagd dient. Intime Einschüchterungsversuche in schmutzigen Gassen wechseln sich ab mit Kofferübergaben an belebten Plätzen und Scharfschützen-Zielübungen über mehrere Hundert Meter, was die Körperlosigkeit der Organisation klug betont. Da müssen die Drogendealer und ihre Eintreiber nicht einmal viel Präsenz unter Beweis stellen, es reicht schon, dass sie Poitier und seine Mitstreiter mit einer unsichtbaren Wand konfrontieren.
Dies immerhin gelingt auch dank der figurativen Regie, die ein besonderes Augenmerk auf die unsichtbaren Fäden zwischen den Figuren legt. Medford inszeniert klar aus dem Blickwinkel des New-Hollywood-Kinos und lässt den Gesamteindruck eines gewöhnlichen Krimis dadurch ambivalent erscheinen. Gerade das recht drastische Ende zementiert diesen Eindruck. Es könnte sogar nahelegen, dass die Hauptfigur dieser Franchise all die Zeit nur Scheinerfolge errungen hat, die offen lassen, was sich tatsächlich im Gesamtbild bewegt hat.
„Die Organisation“ könnte daher sogar ein überdurchschnittlich guter Thriller sein, wäre er etwas glaubwürdiger konstruiert und machte nicht so sehr den Anschein, in einen kleinen Rahmen zu gehören. Sydney Poitier spielt inzwischen so unauffällig, dass es längst nicht mehr unmöglich ist, den Film von der Hauptfigur zu trennen. Andererseits freut man sich irgendwie, dass einem sozial gebrandmarkten Charakter wie Virgil Tibbs nach der bedeutungsschweren ersten Station seiner Filmkarriere ein so vergleichsweise leichter Ausklang gewährt wird, unbehelligt von vermeintlich irrelevanten Erörterungen über Hautfarben.
Informationen zur Veröffentlichung von “Die Organisation”
Black Cinema Collection #2
Und da haben wir auch schon Halbzeitpause. Nur ein halbes Jahr, nachdem „Slaughter“ in der „Black Cinema Collection #1“ mit einem Schuber für neun weitere Teile erschien, ist die Box bereits zur Hälfte gefüllt. Der Fahrplan sieht vor, dass es ähnlich flott weitergeht, so dass die Kunden die letzte Lücke bereits im Oktober diesen Jahres füllen könnten, denn im monatlichen Rhythmus sollen nun die restlichen Titel erscheinen.
Immerhin die Tibbs-Reihe innerhalb der Kollektion ist inzwischen bereits abgeschlossen, denn nach „Zehn Stunden Zeit für Virgil Tibbs“ sorgt „Die Organisation“ für den Schlussstrich. Von einem Re-Release des ersten Teils „In der Hitze der Nacht“ über Wicked Vision darf zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht ausgegangen werden, da es sich aus MGM-Sicht um einen besonderen Prestige-Titel handelt, der allerdings in Deutschland noch nicht mit besonderer Behandlung versehen wurde. Aktuell bleibt nur die Blu-ray aus dem Hause MGM / 20th Century Fox von 2014 als Option, der man allerdings gravierende Makel insbesondere in der technischen Umsetzung nachsagt.
„Die Organisation“ ist bei uns bisher nur einmal in den 00er Jahren über MGM auf DVD erschienen, sowohl einzeln wie auch in einer Trilogie-Box. Im Ausland erschien über Kino Lorber bereits 2015 eine Blu-ray, die abgesehen vom Trailer nicht viel an Zusatzausstattung zu bieten hatte. Da fahren wir mit der deutschen HD-Premiere besser, denn von der Aufmachung bis zum Inhalt entspricht sie natürlich dem in der Reihe etablierten Standard.
Die Verpackung
Wie üblich handelt es sich um ein Set aus Blu-ray und identischer DVD in einem transparenten Scanavo-Case, das den Layout-Regeln der Edition folgt. Das bedeutet, auf der Front bekommt man eingerahmt in einen weißen Rahmen und überdacht von einem dezenten schwarzen Banner mit dem Schriftzug „Black Cinema Collection #5“ das klassische Kinoplakat geboten, dessen Motiv dem originalen Aushang entspricht. Die Widerständler stehen gestaffelt als dunkle Silhouetten in Untersicht abgelichtet am oberen Rand und sorgen für einen schwarzen Hintergrund, vor dem Sidney Poitier in 007-Pose mit der Waffe zielt und ein kreisrunder Abschnitt die Verfolgungsjagd in der Montgomery Station illustriert. Hauptdarstellername und Filmtitel sind in gleicher Größe und Schriftart in Weiß und Rot darüber gelegt. Das FSK-Logo gibt es lediglich als Aufkleber auf der Folie. Das Backcover wird lediglich von einem einzelnen Screenshot geziert, auf dem Poitier im Trenchcoat in einem Büro neben einer Leiche sitzt. Inhaltsangabe, Credits und Ausstattungshinweise sind darunter abgedruckt.
Das Booklet
Das Booklet ist mit gerade mal 16 Seiten das bisher dünnste in der Reihe, nachdem „Ghettobusters“ mit 32 Seiten kurz zuvor noch den Spitzenwert erklommen hatte. Thorsten Hanisch rollt die Geschichte von Virgil Tibbs in seinem Text noch einmal vom Anfang auf (und verrät dabei auch das Ende des zweiten Teils – diesen also lieber vorher anschauen) und kommt so leider erst recht spät auf „Die Organisation“ zu sprechen, so dass dessen Einordnung ein wenig sprunghaft wirkt. Die durchaus vorhandenen Qualitäten der vergessenen Fortsetzungen werden aber in wenigen Sätzen gut auf den Punkt gebracht und nebenbei wird sogar einigen Nebenaspekten Rechnung getragen, die sonst in der Einordnung eher selten verhandelt werden – dem Soundtrack von Gil Mellé beispielsweise. Wie üblich ist das Booklet im stilbewussten Schwarzweiß gehalten und verfügt über einige stimmungsvolle Szenenfotos. Das originale US-Kinoplakat auf Seite 14 bleibt das einzige bunte Element.
Bild und Ton
Das musikalisch untermalte, mit ausgewählten Szenen unterlegte Hauptmenü führt neben dem Filmstart zu einer 12-teiligen Kapitelauswahl, den Einstellungen und dem Bonusmaterial. Englischer und deutscher Ton liegen jeweils in Mono vor, auf der Blu-ray und DTS-HD Master Audio und auf der DVD in Dolby Digital. Das Bildformat misst 1,85:1 und verfügt aufgrund der vielen realen Drehorte direkt auf der Straße über einen grieseligen, authentischen Look bei natürlicher Lichtsetzung. Der Anteil der Szenen bei Nacht ist gegenüber dem Vorgänger deutlich gestiegen. Der Kontrast macht hier immer mal Probleme, zudem gehen Details im Filmkorn unter und die wenigen Lichtquellen etwa beim initialen Einbruch verbergen einiges im Dunkeln. Die Tageslicht-Passagen können manchmal etwas weich wirken, sind aber mit sehr natürlichen Farben versehen und lassen die Stadt sehr facettenreich wirken.
Die Extras
Bei den Extras führt Dr. Andreas Rauscher seine Genese zum Thema Blaxploitation fort und hat über alle Editionen verteilt nun immerhin schon fast zwei Stunden über das Thema referiert – was ihm leicht zu fallen scheint, wohl auch, weil er der Überzeugung ist, dass die Filmwissenschaft sich elegant an dem Thema vorbei gewunden hat und es immer noch große Lücken in den Büchern gibt. Seine zentrale These liegt diesmal darin, dass die aus dem Leben gegriffenen Schauplätze und die dennoch vorhandene Affinität zu Genre-Elementen die Kritik irritiert habe; ein Merkmal, das von Rauscher eindeutig als Qualitätsmerkmal eingestuft wird, beinahe wie eine raffinierte Guerilla-Taktik. Womit er dem geneigten Zuschauer aus dem Herzen sprechen dürfte.
Der Audiokommentar
Dr. Gerd Naumann und Christopher Klaese sind erneut für den Audiokommentar verantwortlich. Auf konkrete Szenen wird in der laufenden Unterhaltung relativ selten eingegangen, allerdings bleibt der Hauptfilm stets im Zentrum der Betrachtungen, die immer wieder zu den üblichen Verdächtigen führen. Selbstverständlich kommt man nicht umhin, „Die Organisation“ im Kontext seiner beiden Vorgänger zu beleuchten, also wird auch diesen viel Aufmerksam zuteil neben den Klassikern der Blaxploitation.
Versteht sich von selbst, dass der Trailer (einmal das Original, einmal in Deutsch) das Paket abrundet. Außerdem gibt es noch eine 4-minütige Bildergalerie mit Poster-Varianten und Aushangfotos zu durchforsten. Unter dem Strich eine solide Veröffentlichung mit exklusiv produziertem Extra-Material. Große Überraschungen bleiben aus, wenn man die Reihe bereits von Beginn an verfolgt. Und wer „Zehn Stunden Zeit für Virgil Tibbs“ bereits im Regal stehen hat, wird sich „Die Organisation“ wohl ohnehin kaum verkneifen.
Bildergalerie
Die Black Cinema Collection bei den Actionfreunden:
01: Slaughter [1972]
02: Zehn Stunden Zeit für Virgil Tibbs [1970]
03: Strasse zum Jenseits [1972]
04: Ghetto Busters [1988]
05: Die Organisation [1971]
06: Foxy Brown [1974]
07: Car Wash [1976]
08: Coffy [1973]
09: Visum für die Hölle [1972]
10: Black Caesar – Der Pate von Harlem [1973]
11: Cotton Comes to Harlem [1970]
12: Riot – Ausbruch der Verdammten [1969]
13: Hit! [1973]
14: Vampira [1974]
15: Sugar Hill [1974]
16: Hell Up In Harlem [1973]
17: Friday Foster [1975]
18: In the Heat of the Night [1967]
19: Cooley High [1975]
20: Hammer [1972]
Sascha Ganser (Vince)
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