Originaltitel: A Quiet Place Part II__Herstellungsland: USA__Erscheinungsjahr: 2020__Regie: John Krasinski__Produktion: Michael Bay u.a.___ Darsteller: John Krasinski, Emily Blunt, Millicent Simmonds, Cillian Murphy, Noah Jupe, Djimon Hounsou, Lauren-Ashley Cristiano, Zachary Golinger, Blake DeLong, Sheri Fairchild u.a. |
ENDLICH wieder Kino! Und dann sucht sich der freeman einen Film mit erwartbar leiser Tonspur aus? Was ein Freak! Aber „A Quiet Place“ hatte mir seinerzeit sehr gut gefallen. Der Streifen entpuppte sich nicht nur als gewaltiger Überraschungserfolg, er stellte auch das Publikum weltweit vor eine echte Herausforderung: Fresse halten im Kino. Und entgegen dem landläufigen, abgenutzten Dauergenöle der Kinogegner, dass im Kino immer Krach sei und irgendwas störe, funktionierte „A Quiet Place“ prächtig. In meinem Kinosaal konnte man sogar die knurrenden Mägen anderer Zuschauer hören, so leise war es.
Und hey, was einmal klappt, sollte sich doch reproduzieren lassen. And here we go: „A Quiet Place 2“ stürmt die Kinos. Allerdings um ein Vielfaches später als geplant… Corona.
„A Quiet Place 2“ ist Prequel und Sequel in einem
Regisseur John Krasinski („13 Hours“) legt diesmal als alleiniger Drehbuchautor die Geschichte seiner Fortsetzung sowohl als Prequel als auch als Sequel an. Im Prequel-Teil berichtet er, wie Tag 1 der Alien-Invasion verlief. Er nutzt diesen Abschnitt, um einen für den Sequel-Teil elementar wichtigen Charakter kurz einzuführen und die Aliens derb wüten zu lassen. Ansonsten ist der Prequel-Part definitiv die größte Schwachstelle am Film, die einige Fragen aufreißt.
So sieht man zwar, das irgendetwas in die Erdatmosphäre eindringt und die Aliens mit sich bringt. Was es jedoch ist, vermag man nicht zu sagen. Ein Raumschiff kann es aufgrund der dann doch recht archaischen Viecher einfach nicht sein. Und ein Meteorit wirft die Frage auf, wie die Viecher eine Reise durchs All auf oder in ihm überlebt haben sollen. Zumal die sofort nach der Landung angreifenden Aliens vollends ausgewachsen wirken. Auch wird nie klar, woran die Hauptfiguren nach wenigen Momenten Attacke erkennen, dass die Aliens ausschließlich von Geräuschen getriggert werden.
Zum Glück verweilt Krasinski nicht zu lange bei seinem Opener. Stattdessen springt er direkt an das Ende von „A Quiet Place“ und schließt hier in der Erzählung nahtlos an. Präsentiert Familie Abbott, die die geschlagenen Wunden leckt. Und innerlich spürt, dass sie ihr schützendes, weitgehend in Trümmern liegendes Heim aufgeben muss. Als Töchterlein Regan ein Signalfeuer am Horizont entdeckt, beschließt die Familie dort ihr Glück zu suchen.
Leisesten Fußes brechen sie auf und kommen alsbald auf einem gewaltigen Fabrikgelände an. Hier haust Emmett seit dem Tod seiner Familie vollkommen alleine. Entgegen dem einladenden Signalfeuer hat der aber keinerlei Bock auf andere Menschen und befiehlt Familie Abbott seinen sicheren Hafen schnellstmöglich zu verlassen. Da kann er jedoch nicht ahnen, dass Regan beim Erlauschen eines Musikstückes in ihrem alten Radio einen tollkühnen Plan zur Rettung der Menschheit fasst und alleine auf eine Queste aufbricht. Als Evelyn Abbott das Verschwinden ihrer Tochter bemerkt, schickt sie Emmett zur Rettung hinterher.
Schaut in den Horrorfilm von Produzent Michael Bay hinein
httpv://www.youtube.com/watch?v=r0vGpsB2EP8
Jetzt verschiebt John Krasinski den erzählerischen Fokus seines Filmes komplett. Regan Abbott und Emmett werden überdeutlich zu den storyantreibenden Figuren, während Evelyn und die Reste ihrer Familie mehr und mehr in den Hintergrund rücken. Krasinski nutzt Regan und Emmett, um die verfallene Welt seiner Helden zu zeigen. Auch das altbekannte Motiv vom Menschen als des Menschen Wolf darf da natürlich nicht fehlen. Immer wenn sein Film zu langsam zu werden droht, zaubert Krasinski recht beliebig wirkend die Aliens aus dem Hut.
Kurzum: „The Quiet Place“ leidet doch deutlich am Fortsetzungssyndrom, alles größer, schneller und aufwändiger wirken lassen zu müssen. Das ist wenig subtil und geht zulasten der Atmosphäre und vor allem der Spannung, ist aber in diesem Fall auch ziemlich unterhaltsam. Einfach weil Regan Darstellerin Millicent Simmonds und der stark aufspielende Cillian Murphy („Anna“) als Emmett eine fantastische Chemie haben und ein wirklich knuffiges Heldengespann abgeben.
Zudem etabliert Krasinski schon früh Elemente, bei denen man sofort weiß, dass sie im weiteren Verlauf zu echten Spannungsbringern mutieren werden. Man spürt beim Gucken direkt eine diebische Freude, wenn man diese Elemente erkennt und sich fragt, wann sie wohl gezündet werden. Highlight bildet dabei ganz klar ein besonders schalldichtes Versteck mit fiesem Dreh.
Spannend ist’s
Und ein weiterer Kniff sorgt für großartige Momente im Film: Dadurch dass „A Quiet Place 2“ seine Fokussierung auf einen festen Schauplatz aufgibt und seine Hauptfiguren getrennte Wege gehen lässt, gelingt es ihm zweimal sehr eindrücklich, an mehreren Schauplätzen gleichzeitig die Spannung hochzuschaukeln und sie dann genüsslich in gekonnt inszenierten Spannungsspitzen kulminieren zu lassen. Nach der Zündung dieser Spannungsspitzen schnauft man im Kinosessel erstmal gewaltig durch. Man ist fast geneigt zu sagen, dass die Fortsetzung das, was sie an Atmosphäre und Spannung durch das Verlassen des festen Handlungsortes von Teil 1 verliert, in diesen Szenen mühelos und vor allem extrem effizient montiert wieder reinholt.
In optischer Hinsicht tun die zahlreichen Schauplatzwechsel und neuen Locations dem Film sehr gut. Die Kamera von Polly Morgan fängt diese in gediegenen, teils sehr langen Sequenzen ein und orientiert sich stark am Look des Vorgängers. Die Aliens bekommt man in der Fortsetzung deutlich häufiger als im Vorgänger zu sehen. Sie sehen perfekt getrickst aus und dürfen erneut extrem agil über die Leinwand huschen. Schade ist, dass „A Quiet Place 2“ keine Wege findet, den Aliens andere, unbekannte Seiten abzuringen.
Ein wenig zu dominant fällt der Score von Marco Beltrami aus. Womit wir auch schon beim Thema Ruhe wären: In „A Quiet Place 2“ ist viel mehr los als noch im Vorgänger. Dementsprechend zwingt der Film dem Zuschauer nicht mehr so konsequent das Momentum der Ruhe auf. Es gibt nach wie vor Szenen kompletter Stille und die Charaktere unterhalten sich fast durchgehend im Flüsterton. Im Vergleich zum Vorgänger ist die Tonspur allerdings deutlich rummeliger geraten. Einige durchaus effektive Jump Scares inklusive.
„A Quiet Place 2“ ist nicht mehr gar so quiet
Es ist erstaunlich, wie stark John Krasinski in Teil zwei seine Ehefrau Emily Blunt („Edge of Tomorrow“) als Mutter der Familie Abbott zurücknimmt, um seine Handlung überdeutlich auf Töchterlein Regan und deren neue Vaterfigur Emmett abzustellen. Damit geht auch eine enorme Dynamisierung der Story einher, die bekannte Schauplätze verlässt und neue Figuren einführt. Das gibt „A Quiet Place 2“ handlungstechnisch durchaus etwas Frisches und lässt ihn nicht wie eine bloße Kopie des Vorgängers wirken. Wenngleich damit auch einige zu vertraut wirkende Klischees und Erzählmuster einhergehen.
Apropos Klischee: Dem Fortsetzungsklischee vom „Schneller-höher-weiter“ fällt „A Quiet Place 2“ definitiv zum Opfer. Der Zuschauer wird nicht mehr so extrem zum Stillsein verurteilt, die Monster schlagen recht häufig zu, manche Szenen sind des reinen Entertainments wegen eingebaut (die sinnlose Waggonszene sei genannt) und allgemein ist der Film rundweg deutlich dynamischer geraten – auch und vor allem, was seine Tonspur angeht. Im Großen und Ganzen funktioniert der Streifen allerdings verdammt gut und unterhält prächtig. Und hätte er sich den zu viele Fragen aufwerfenden „Prequel-Prolog“ gespart, hätte ich ihn gar auf einer Ebene mit dem Vorgänger gesehen.
Der Film läuft seit dem 24. Juni 2021 in den deutschen Kinos, kommt von Paramount und ist mit einer FSK 16 versehen.
In diesem Sinne:
freeman
Was meint ihr zu dem Film?
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Copyright aller Filmbilder/Label: Paramount Pictures__Freigabe: FSK 16__Geschnitten: Nein__Blu-ray/DVD: Nein/Nein, seit 24.6.2021 im Kino |