Originaltitel: The Tomorrow War__Herstellungsland: USA__Erscheinungsjahr: 2021__Regie: Chris McKay__Darsteller: Chris Pratt, Yvonne Strahovski, J.K. Simmons, Edwin Hodge, Sam Richardson, Betty Gilpin, Jasmine Mathews, Mary Lynn Rajskub, Ryan Kiera Armstrong u.a. |
Ursprünglich war „The Tomorrow War“ eigentlich für eine Kinoauswertung vorgesehen. Doch Paramount scheint aktuell wenig Vertrauen ins Kino (oder den Sexappeal seiner Filme) zu haben. Davon zeugen diverse zuletzt getätigte Verkäufe von Filmen an Streaming-Dienste („Auslöschung“ oder „The Trial of the Chicago 7“ seien genannt). Nun hat es mit „The Tomorrow War“ sogar einen richtigen Big-Budget-Knaller erwischt. Am 2. Juli 2021 feierte der actionreiche Science Fictioner Premiere bei Amazon Prime.
Kriegsveteran Dan verdingt sich inzwischen als Biologielehrer. Wirklich zufrieden ist er damit nicht, doch Chancen zur Veränderung bieten sich selten und sind nie von Erfolg gekrönt. Seine Frau und seine Tochter bekommen diese Unzufriedenheit immer wieder mal in Form kleinerer Stimmungsschwankungen zu spüren. An einem Abend, Dan hat mal wieder eine Absage auf eine seiner Bewerbungen erhalten, genießt Dan das Finale der Fußball-Weltmeisterschaft 2022. Kleiner Spoiler: Deutschland schafft es anscheinend nicht ins Finale. Hätten wir den Jogi mal behalten.
Gerade startet die brasilianische Mannschaft einen Konter, als plötzlich eine seltsame Lichterscheinung das Spielfeld erhellt. Aus selbiger tauchen Soldaten auf, die sich mitten auf dem Spielfeld aufbauen und in kurzen und prägnanten Worten erklären, dass sie aus der Zukunft kämen, die gerade von Aliens überrannt werde. Die total ausgedünnte Menschheit der Zukunft benötige Hilfe. Dringend.
Nach einiger Zeit gelingt es mit Hilfe der Zukunftsgäste erstmals, Menschen für sieben Tage aus der Vergangenheit in die Zukunft zu schicken. Doch die Verluste sind dramatisch. Kaum einer der eilig rekrutierten Kämpfer kehrt unversehrt oder gar lebend von den Schlachtfeldern in der Zukunft zurück. Irgendwann wird auch Dan eingezogen. In die Zukunft verfrachtet, entpuppt er sich aufgrund seiner Kriegserfahrungen als idealer Kämpfer für die Menschheit. Gemeinsam mit einer Vorgesetzten aus der Zukunft versucht er, einen Weg zu finden, die Aliens zu besiegen.
Schaut in den Science-Fiction-Actioner mit Chris Pratt hinein
httpv://www.youtube.com/watch?v=PDH6lU9ygpI
Prinzipiell ist die Geschichte von „The Tomorrow War“ eigentlich gar nicht mal so verkehrt. Die Kreuzung einer Alien-Invasion mit dem immer wieder gerne genommenen Zeitreiseaspekt hat was. Das irgendwann steigende Alien-Geschnetzel nimmt man als Actionfan immer gerne mit. Spitze Kommentare zum Klimawandel werden durchaus intelligent eingewoben. Auch kleinere Story-Aspekte, wie die Zusammensetzung all jener Menschen, die zum Kämpfen in die Zukunft geschickt werden, oder die Art und Weise, wie die Wissenschaft zum Heilsbringer erhoben wird, sind äußerst reizvoll.
Interessant sind auch die moralischen Implikationen, die aufgeworfen werden, wenn die Menschen der Vergangenheit gegen einen Krieg in der Zukunft demonstrieren – was zum einen nachvollziehbar ist, zum anderen aber auch verdammt egoistisch rüberkommt. Kurzum: Der Film kitzelt ab und an auch mal die Synapsen.
Aber insgesamt wird „The Tomorrow War“ schon erstaunlich unrund erzählt. Zunächst einmal lernen wir Dan und seine Familie kennen. Kurz darauf wird Dans Familie aus dem Film gekegelt und ein ganzer Haufen neuer Figuren eingeführt. Hat man die rudimentär verortet, sind auch sie plötzlich nicht mehr wichtig für den Film. Wieder werden neue Figuren eingeführt und der Film verengt seinen Fokus deutlich auf eine dramatische, alles in allem gar nicht mal so schlecht geskriptete zwischenmenschliche Beziehungskonstellation. Parallel schreitet er mit riesigen Schritten in Richtung Alien-Endlösung und kippt hernach dann doch noch einmal alle bislang eingeführten Figuren in die Handlung.
So passiert zwar ständig etwas, wirklich richtig fühlt sich das aber nicht an. Zumal Hauptfigur Dan mit einigen Figuren eine starke Chemie aufbaut, bevor sie einfach so sang- und klanglos aus dem Film verschwinden. Die leicht zu lange Laufzeit von 140 Minuten bekommt man als Zuschauer aufgrund dieses Aufbaus definitiv zu spüren, denn hier und und da hängt der Science-Fiction-Actioner aufgrund des immer wieder erfolgenden Neuansetzens ziemlich durch. Manche Szenen wie die verquaste Beziehungskiste zwischen Dan und seinem Vater lassen einem zudem in ihrer Vorhersehbarkeit gewaltig mit den Augen rollen.
Die Logik wird schnell von Aliens entführt
In Sachen Logik ist „The Tomorrow War“ ein reichlich eigentümliches Vehikel. Viel Logik darf man sich von einem Film um Zeitreisen und Aliens sowieso nicht erwarten, doch zumindest filminhärent wirkt die aufgebaute Logik lange Zeit durchaus schlüssig. Doch gegen Ende gehen Drehbuch und Regie die Gäule durch. Da weint Dan einer verpassten Chance nach, die rein logisch gesehen zu einer Art Parallelrealität führen würde, die für die kläglichen Reste der Menschheit alles andere als anheimelnd wäre. Während er eigentlich die Möglichkeit hat, die Zukunft der gesamten Menschheit zum Besseren zu drehen – und damit auch all jener Charaktere, die in der Parallelweltlösung die Arschkarte gezogen hätten.
In diesem Abschnitt ist es wirklich schwer, dem Film und den Anwandlungen seiner Hauptfigur zu folgen. Im Grunde zerlegt es hier die gesamte Logik des Filmes. Weshalb Regisseur Chris McKay („The Lego Batman Movie“) auch direkt in den Showdown übergeht und mit viel Krawumm über die zunehmend holpriger werdende Dramaturgie hinwegpoltert.
Was erstaunlich gut gelingt. Allgemein stimmen an „The Tomorrow War“ die Schauwerte. Gleich die erste große Actionszene in Miami rockt mal richtig groß los. Die Ankunft der zeitreisenden Vergangenheitsmenschlein ist ein regelrechter Schock. Dazu gesellt sich ein in Trümmern liegendes Miami. Und wir bekommen zum ersten Mal die White Spikes genannten Aliens zu sehen.
Und Himmel, die Viecher fetzen! Die Digitalzauberer von Weta haben hier wirklich garstig designte Aliens zu irre dynamischem, wahnwitzig schnellem Leben erweckt. Wenn die White Spikes auf ihre Opfer zurasen und Begrifflichkeiten wie oben, unten, links und rechts vollkommen egal werden, ist „The Tomorrow War“ richtig intensiv und vor allem effektiv.
Die Action in „The Tomorrow War“ haut gut rein
Sämtliche Alien-Action ist immer enorm temporeich. Zudem wird ordentlich am Bodycount gedreht und spätestens wenn das Dauerfeuer der menschlichen Waffen ertönt, fühlt man sich häufiger an die „Starship Troopers“ und deren Kampf gegen die Bugs erinnert. Während die Menschlein in „The Tomorrow War“ eher „sauber“ zerteilt und zerhackt werden, wird es bei den White-Spikes-Finishern teils richtiggehend splattrig. Die FSK 16 ist somit wohlverdient.
Ist Miami in Flammen aufgegangen, fährt der Film immer wieder neue, teils spektakuläre Sets auf. Es geht in die Dominikanische Republik, wo man sich unterirdisch einem Alien stellt und in der mithin coolsten Szene des Filmes White Spikes mit einem Helikopter-Rotor zermatscht. Darauf folgt das wohl genialste Setpiece: Eine Art schwimmende Festung mitten im Ozean. Wo eine episch große Actionszene mit explodierenden Kreuzfahrtschiffen, zerberstenden Bohrinseln und tausenden Aliens steigen darf, was in einem wirklich gänsehauterregenden Schlussbild endet.
Hernach geht es für das Finish ins ewige Eis. Wie zuvor stimmen auch hier die Bilder, die eigentlich immer nach der großen Leinwand zu schreien scheinen. Auf dem heimischen TV kommt vor allem das irre Gewusel der Aliens nicht immer so groß rüber, wie es das auf einer Kinoleinwand vermutlich täte. Im Showdown wird der Kampf Mensch gegen Alien ein wenig auf ein intimeres Duell zurückgeschraubt, das immer noch erstaunlich spektakuläre Momente zu generieren vermag und in einen Fight zwischen zwei Menschlein und einem Alien kulminiert, der sich gewaschen hat.
Unter den breiten Bildern und den darin steigenden Special Effects, die neben Aliens gigantische Explosionen, Zeitreisen, Fluggefährt-Action und vieles mehr glaubwürdig bebildern, rumpelt ein deftiger Score von Lorne Balfe, der auch ein hübsches, leider zu simples Main-Theme transportiert.
Ein reines Starvehikel für Chris Pratt
In schauspielerischer Hinsicht ist „The Tomorrow War“ vollends auf seinen Star Chris Pratt („Guardians of the Galaxy“) ausgerichtet. Der wuchtet sich mit viel Charme durch seine physisch anspruchsvolle Rolle und darf auch ein paar schelmische Sprüche vom Stapel lassen. Als wichtigste Nebendarstellerin darf Yvonne Strahovski („Predator: Upgrade“) als gleichsam toughe wie menschlich nahbare Anführerin glänzen und hat ein paar starke Momente mit Chris Pratt abbekommen.
J.K. Simmons („21 Bridges“) hingegen hat als Vater von Dan wohl selten mit weniger Arbeit einen Hauptdarsteller-Credit bekommen. Betty Gilpin („The Hunt“) leidet unter der egalen Anlage ihrer Ehefrauenfigur. Sam Richardson („Spy: Susan Cooper Undercover“) hingegen hätte gerne mehr Screentime bekommen dürfen. Wenn er und Chris Pratt wie ein altes Ehepaar die Sätze des jeweils anderen vollenden, kommen mehrere Schmunzelmomente heraus. Der Rest des Castes, etwa „24“-Urgestein Mary Lynn Rajskub, liefert solide ab.
„The Tomorrow War“ bietet unterhaltsamen Krach
Was am Ende bleibt, ist ein typischer Big-Budget-Actionkracher, der zumindest mit kleineren, ambitionierteren Ideen daherkommt, diese aber im gewohnten Blockbuster-Duktus immer mehr unter einem Berg an Action und spektakulären Bildern begräbt. Das ist unterhaltsam und selten langweilig, allerdings auch seltsam unrund erzählt und vor allem gegen Ende wenig gnädig gegenüber der filmeigenen Logik.
Perfekt geht also anders. Den „Panikverkauf“ von Paramount kann man aber dennoch nicht so wirklich verstehen. Da haben schon viel stumpfere Blockbuster an den Kassen ordentlich abgeliefert. Und eines ist klar: Gelingt es, das ganze Unterfangen „The Tomorrow War“ als belanglosen No Brainer zu begreifen und sich sein Hirn von dem wilden, perfekt getricksten Alien-Geschnetzel, den fetten Sets, den großen Bildern und einem mehr als sympathischen Star sedieren zu lassen, kann man mit dem Streifen trotz diverser Mängel definitiv seinen Spaß haben.
„The Tomorrow War“ kann bei Amazons Prime Video beäugt werden – ungeschnitten, mit einer Freigabe ab 16.
In diesem Sinne:
freeman
Was meint ihr zu dem Film?
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