Originaltitel: Prooi__Herstellungsland: Niederlande__Erscheinungsjahr: 2016__Regie: Dick Maas__Darsteller: Sophie van Winden, Mark Frost, Julian Looman, Victor Löw, Jessica Zeylmaker, Mamoun Elyounoussi, Bart Klever, Mattijn Hartemink, Roosmarijn van der Hoek, Rienus Krul, Robbert Blokland, Theo Pont u.a. |
Stadt Amsterdam meldet entlaufendes Wappentier. Zeugen wollen beobachtet haben, wie es sich von Schild und Krone löste, um des Nachts über die Wiesen und durch die Parks zu stromern, stets auf der Suche nach einem schönen Steak aus der Niederländer-Lende. Ob es sich bei dem Ausreißer jedoch wirklich um einen der Kollegen „Heldhaftig“ und „Barmhartig“ vom Wappen handelt, bleibt anzuzweifeln, handelt die Wildkatze doch keinesfalls gemäß dieser Attribute. Eher muss es sich wohl um einen der bösen Zwillinge „Genadeloos“ oder „Barbaars“ handeln…
Bei der Suche nach einer niederländischen Identität im Tierhorror-Genre hätte es Dick Maas, seines Zeichens auch zertifizierter Aufzugtechniker mit Kurzschlussgarantie, durchaus zielsicherer treffen können. Schließlich ist der Löwe das wohl meistgenutzte Wappentier überhaupt und bildet keineswegs ein Alleinstellungsmerkmal. Alleine die deutschen Bundesländer könnten gemeinsam schon neun Fortsetzungen stemmen (um vielleicht dann irgendwann mal ein Crossover mit dem Adler- und Pferdehorrorfilm zu wagen). Aber wen sollte man da schon sonst nehmen, den friesischen Windmühlenbiber? Die Gemeine Tulpenschnecke?
So bleibt die Bedrohung in „Prey – Beutejagd“ also eher von behelfsmäßiger Form, anstatt tatsächlich auf eine landestypische Fauna zu verweisen, so wie es sich zum Beispiel der vielfältige australische Tierhorrorfilm leisten kann. Das Beste, was den Experten aus Holland nach den ersten Leichenfunden einfällt, ist eine Löwen-Inventur im städtischen Zoo. Das niederländische Kino kennt eben keinerlei Genre-Tradition und ist dahingehend unvorbelastet, was man sehr schön an der lockeren Herangehensweise erkennen kann, mit der Maas die ersten Drehbuchseiten füllt. Sein „Verfluchtes Amsterdam“ ist nun immerhin um eine Attraktion reicher, zumal man menschenfressende Löwen selbst außerhalb des kleinen Filmlandes eher selten zu sehen bekommt. Es gibt zwar mit dem Peter-Weller-Streifen von 2007 sogar einen Artverwandten, der den gleichen Titel trägt, ein Anzeichen für Übergenerierung vergleichbar zum Haifilm ist das aber noch nicht. Löwen-Horror bleibt eine eher magere Unterkategorie des Genres, das hier beackert wird.
Wer weiß, vielleicht hoffte man, dem Zuschauer würde mangels Erfahrung deswegen auch nicht auffallen, dass echte Tiere Mangelware bleiben. Während die eingesperrten Artgenossen bei dem kurzen Amsterdamer Zoobesuch zu Beginn noch aus Haut und Mähne sind, stammt der Freigänger selbstverständlich entweder aus dem Rechner oder in Naheinstellungen auch mal aus dem Handwerk. Und obwohl es sich laut Drehbuch nicht um ein modifiziertes Exemplar seiner Art handelt, wie etwa die genmanipulierten Makos aus „Deep Blue Sea“, ist er ganz besonders hässlich geraten. Lädiert und ausgemergelt in seiner Erscheinung (was immerhin seinen Hunger erklären dürfte), hüpft er dennoch mit der jugendlichen Anmut einer nativen CGI-Kreatur über Stock und Stein, um ein paar Vleeskroketten aufzuscheuchen. Man könnte die Animationsqualität wohl als zweckdienlich für diese Sparte Film bezeichnen, jedenfalls sticht sie nicht auf Anhieb negativ ins Auge, obgleich man manche Laufbewegung leicht irritiert verfolgt und beim Anblick des Gebisses glauben könnte, man habe es mit einem „Löwpir“ zu tun, der seinen Opfern mit Vorliebe das Blut aussaugt. Vorbildlich immerhin, dass man sich dennoch an einige wissenschaftliche Fakten zu halten versucht (etwa das Ruhen am Tage und das Erwachen bei Abenddämmerung – eine weitere Gemeinsamkeit mit dem Vampir), obwohl das Drehbuch zur Erzeugung von Spannung und Abwechslung immer wieder auf gewisse Freiheiten zurückgreifen muss. Im Gegenzug bekommt der Zuschauer eine ganze Reihe herrlich surrealer Begegnungen zwischen Löwe und Zivilisation serviert, die vor überheblichen Experten ebenso wenig Halt machen wie vor verpeilten Pizzalieferanten und naiven Kindern – es wird eben gefressen, was auf den Tisch kommt, und zwar völlig egal, an welcher beschaulichen Ecke der Landeshauptstadt der Tisch gedeckt ist. Über die Maßen brutal wird zumindest auf dem Bildschirm eher selten, gerne schwenkt die Kamera ab oder versteckt allzu heftige Attacken im Schnitt, aber in Bezug auf die Auswahl der Opfer lässt man keine Gnade walten. Im Gegenteil, vieles spricht für natürliche Auslese: Je kranker, dümmer, älter oder jünger die Beute ist, desto wahrscheinlicher, dass sie zwischen die Krallen gerät.
Schaut in den Trailer von “Prey – Beutejagd”
httpv://www.youtube.com/watch?v=xJGfuJo01K8
Zwischen den Zeilen allerdings, da ist „Prey – Beutejagd“ eine waschechte Komödie. Die Verwandtschaft zu den „Flodders“-Filmen, die ebenfalls von Dick Maas geschrieben und inszeniert wurden, erkennt man daran, wie das niederländische Bürgertum zwischendurch immer mal auf die Schippe genommen wird. Nicht umsonst spielen sich viele der Gags innerhalb der kleinen routinierten Abläufe ab, mit denen der beschauliche Tag in Nordholland erwacht; bei der Straßensäuberung etwa (in die eine primitive, allerdings formvollendet dargebrachte Pointe eingebaut wird), in den Gebüschen von Parks und Golfplätzen (dito) oder in Amtsbüros. Mit Victor Löw (…oh!) als an Selbstüberschätzung leidender Wildjäger wird sogar ein überdeutliches Comicrelief als Episode in der Handlung untergebracht. Ansonsten bleibt die Persiflage auf die Durchschnittsbevölkerung wesentlich subtiler als in der Flodders-Reihe, ist aber immer spürbar, wenn das Löwenauge mal kurz eine bedeutungslose Nebenfigur als Zwischensnack ins Visier nimmt.
Bei der Jagd nach dem Raubtier darf sich der Zuschauer an die Fersen von Hauptdarstellerin Sophie van Winden heften – da gäbe es schlechtere Alternativen. Sie bringt jene Art von Natürlichkeit in ihre Rolle ein, die es für einen solchen Mix aus Horror und Komödie einfach braucht, ist sie sich doch jederzeit darüber im Klaren, in welcher Art von Film sie da gerade mitspielt. Gleiches gilt für ihre männlichen Kollegen Julian Looman und Mark Frost (nein, nicht der Twin-Peaks-Autor) als Freund und Ex-Freund, die sich selbst und ihre Bestimmung im Skript auch nicht allzu ernst nehmen. Weil erfreulicherweise auch die ganz üblen Hollywood-Dreiecksklischees ausgelassen werden, wird es einem recht erträglich gemacht, auch mal eine Zeit lang ohne Raubtier-Thrill an der Seite des Trios zu verweilen – das nimmt den Druck aus den Szenen um den Löwen, der in Minuten aufgerechnet vermutlich nicht einmal besonders lange zu sehen ist. Geschenkt, weil’s auch ohne ihn irgendwie Spaß macht.
„Prey – Beutejagd“ ist mit Sicherheit kein Spitzenvertreter des Tierhorrorfilms und gehört nicht einmal in der konkurrenzarmen Löwen-Subsparte zu den allerbesten Filmen, sondern höchstens zur Kategorie „Honorable Mentions“. Ob er dazu beitragen kann, dem niederländischen Horrorfilm Charakter zu verleihen, sei auch mal dahingestellt; da hat vielleicht sogar das „Windmill Massacre“ von Nick Jongerius aus dem gleichen Produktionsjahr größere Chancen. Durch die charmante Hauptdarstellerin, die abwechslungsreichen Setpieces und den markanten Humor fällt die Beutejagd aber nicht nur für den Löwen sättigend aus.
“Prey – Beutejagd” erschien hierzulande mit FSK18-Freigabe ungeschnitten über Indeed Film. Abgesehen vom Hauptfilm mit niederländischem Originalton und deutscher Synchronisation sowie optionalen deutschen Untertiteln befindet sich auf der Disc ein kleines Making-Of sowie ein Interview mit Regisseur Dick Maas, außerdem der Trailer im Original und auf Deutsch. Diese Edition ist seit April 2020 erhältlich. Bereits im Dezember 2019 erschien der Film in Österreich in fünf verschiedenen Mediabook-Ausführungen. Der Inhalt unterscheidet sich nicht von der Keep-Case-Edition, es ist lediglich eine DVD mit identischem Inhalt dabei sowie ein Booklet mit Text von Thorsten Hanisch.
Bildergalerie
Sascha Ganser (Vince)
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