Als Mark Doyle, einer der kreativen Köpfe hinter DC Comics, Joe Hill, einem Sohn des berühmten Horror-Schriftstellers Stephen King, den Vorschlag eines eigenen Horror-Labels unterbreitete, sagte dieser nicht nein. Mit Hills Story „Ein Korb voller Köpfe“ feierte Hill House Comics seinen Einstand und Titel wie „Das Puppenhaus“ oder „Besessen“ von anderen talentierten Autoren schärften das Profil. Mit „Schiff der lebenden Toten“ steuerte Joe Hill einen weiteren Titel aus eigener Feder bei.
Ein Tsunami legt das „Schiff der lebenden Toten“ frei
In diesem trifft zu Beginn ein gewaltiger Tsunami auf Alaska. Kurz darauf fängt die US-Küstenwache ein Notsignal der „Derleth“ auf. Ein Schiff einer Ölbohrgesellschaft, das, und jetzt wird es unheimlich, vor knapp 40 Jahren mit Mann und Maus verschwunden ist. Die Ölbohrfirma setzt nun alles daran, herauszufinden, was damals mit dem Schiff und seiner Mannschaft passiert ist.
Engagiert werden Kapitän Gage Carpenter und seine Brüder, die eine kleine Bergungsfirma betreiben, und die Wissenschaftlerin Moriah. Die brechen dann auch sofort in Richtung Derleth auf und finden alsbald das Schiff. Eine Felsformation rund um einen gewaltigen Krater hat es in russischen Gewässern förmlich aufgespießt. Auf dem Krater angelandet, entdeckt das Team die Leiche eines Mannes. Die ist von eigenartigen Würmern bedeckt, ihre Augen sind verschwunden und für einen kurzen Moment scheint es, als würde die Leiche kommunizieren.
Das ist erst der Anfang immer unheimlicher werdender Ereignisse, in deren Verlauf kaum ein Leben geschont wird und wild mutierende Monstrositäten eine immer größere Rolle spielen.
Joe Hill lässt „Alien“ auf Lovecraft treffen
Nachdem Joe Hill mit „Ein Korb voller Köpfe“ dem Slasher-Genre huldigte, hommagiert er mit „Schiff der lebenden Toten“ Filme wie „Alien“, „Das Ding aus einer anderen Welt“ und „Die Körperfresser kommen“. In Richtung Finale mengt er zudem eine gehörige Portion H.P. Lovecraft bei. Aufgrund dieser Gemengelage wirken viele Motive von „Schiff der lebenden Toten“ sehr vertraut, vorhersehbar macht das die Geschichte aber nie.
Dazu erzählt Joe Hill zu frisch und frech und gibt den bekannten Motiven immer auch einen eigenen, meist gehörig der Spannung in die Karten spielenden Dreh. Schön ist auch, dass Hill seine Story nicht allzu offen enden lässt. Zwar bleiben einzelne Elemente durchweg im Dunklen, letzten Endes erzählt Joe Hill aber immer so, dass man nicht unbefriedigt aus der Story geschmissen wird.
Schwächen hat die Geschichte bei ihren Figuren. Während die Seebären um Carpenter (schöner Verweis auf eine wichtige Inspirationsquelle der ganzen Story) wunderbar kauzig und humorig gezeichnet sind und prächtig miteinander interagieren, ist die Rolle der Wissenschaftlerin Moriah nie so richtig klar. Auch weil Hill ihre Figur gar nicht benötigt. Immerhin nutzt er ihren wissenschaftlichen Background nicht einmal ansatzweise, um die Vorgänge in der Geschichte zu erklären. Zumindest sorgt sie aber für eine nette Dynamik unter den ansonsten durchweg männlichen Charakteren.
Ein Clou gelingt Joe Hill mit den verschollenen Mannschaftsmitgliedern der Derleth, die zunächst ein bloßes Horrorklischee zu sein scheinen – dafür aber genial funktionieren und mit ihrem beunruhigend ruhigen Verhalten ungemein Spannung pumpen –, vor allem aber gegen Ende Teil eines ungemein starken, erzählerischen Twistes werden.
Eine weitere große Stärke von „Schiff der lebenden Toten“ ist das Artwork des kanadischen Zeichners Stuart Immonen, der ungemein lebendige Figuren entwirft, ein Auge für Details hat und am Ende dem lovecraft’schen Anteil ein wild wucherndes Antlitz verleiht. Die extrem düstere Farbgebung von Dave Stewart, die sofort an einen 80’s Horrorfilm der Marke Carpenter denken lässt, rundet den fantastischen Look des Comicbandes ab.
„Schiff der lebenden Toten“ weiß zu gruseln
Was am Ende bleibt, ist eine weitere gelungene Liebeserklärung von Joe Hill an den Horrorfilm der 80er Jahre. Seine Story ist spannend, atmosphärisch dicht und darf irgendwann von Seite zu Seite mehr eskalieren. Bis das passiert, dauert es zwar ein wenig zu lange, langweilig wird der Weg zum übergroßen Finale aber nie. Dazu zündet Joe Hill einfach immer wieder genug Ablenkungen und faszinierende Entwicklungen, wie eine Mathehöhle oder eine Schiffsladung voller Dildos.
Das immer stimmige Artwork und die kalte, farbentzogene Optik ziehen nur noch mehr in die finstere Welt des Comics hinein. Dazu gesellt sich eine mit knapp 60 Minuten durchaus erquickend lange Lesezeit, während der man eine Menge geboten bekommt.
Alle Informationen zur Veröffentlichung
Erschienen ist „Plunge“, wie „Schiff der lebenden Toten“ im Original heißt, in den USA in Form von sechs Einzelheften, die Panini Comics nun für den deutschen Markt in einem Sammelband zusammengefasst hat. Dieser liefert neben der gesamten Story Artworkstudien, alternative Cover, Interviews mit den Machern und einige Ausführungen von Joe Hill höchstselbst zu seiner Story.
Schiff der lebenden Toten
Originaltitel: Plunge
Von Joe Hill (Autor), Stuart Immonen (Zeichnungen), Dave Stewart (Farben)
Taschenbuch: 172 Seiten
Verlag: Panini Verlags GmbH
Auflage 1 (1. Juni 2021)
ISBN-13: 978-3741622595
Leseprobe
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