Originaltitel: Huo Yuanjia__Herstellungsland: China / Hongkong / USA__Erscheinungsjahr: 2006__Regie: Ronny Yu__Darsteller: Jet Li, Collin Chou, Jon T. Benn, Anthony De Longis, Masato Harada, Nathan Jones, Mike Leeder, Jean Claude Leuyer, Shido Nakamura und im Dir’s Cut : Michelle Yeoh u.a. |
2013 hatte Jet Li verkündet, dass er bereits seit 2010 an einer Schilddrüsenüberfunktion leide. Diese musste medikamentös behandelt werden und machte es ihm irgendwann vollkommen unmöglich, sich sportlich zu betätigen. Dementsprechend nahm sich der Schauspieler auch aus dem Filmgeschäft zurück, musste er hier als verdienter Actionstar doch überwiegend auf seine Physis zurückgreifen.
2017 drehte er seinen letzten Film und feierte erst 2020 ein kleines Leinwand-Comeback in der Realverfilmung von „Mulan“. In der Hoffnung, dass Jet Li uns bald wieder häufiger auf der großen Leinwand entgegen strahlen wird, blicken wir zurück in eine Zeit, also für ihn noch alles okay war und er laut eigener Aussage seinen persönlichsten Film ablieferte: „Fearless“.
Martial Arts Biographie mit Jet Li
Huo Yuanjia wird eines Tages Zeuge, wie sein ungeheuer kampfstarker Vater in einem Turnier einen speziellen Schlag nicht ausführt und darum den Kampf verliert. Als wäre dies nicht Demütigung genug, wird auch noch Huo vom Sohn des Gegners seines Vaters kräftig verprügelt. Huo schwört sich daraufhin, nie wieder einen Kampf zu verlieren. Er trainiert verbissen und stellt sich bald jedem möglichen Gegner zum Zweikampf.
Auf dem Höhepunkt seines Aufstieges wird er allgemein als bester Kämpfer seiner Provinz Tianjin anerkannt. Doch sein Erfolg im Kampf schlägt sich in einem unsteten, sehr alkoholverliebten Privatleben nieder. Auch seine Arroganz und Selbstverliebtheit wächst proportional zu seinen Saufschulden. In dieser Situation stellt ein anderer großer Meister sein Können in Frage.
Es kommt zu einem verbissenen Zweikampf, den der Meister nicht überlebt. Sein Schüler rächt sich darob in einer Kurzschlusshandlung, indem er Huo Yuanjias Mutter und seine Tochter tötet. Huo klinkt sich daraufhin aus seinem bisherigen Leben aus und landet bei ein paar Reisbauern, wo er ganz nebenbei wichtige Werte vermittelt bekommt. Werte, die er zwar schon von seinen Eltern aufgezählt bekommen hat, die er aber erst jetzt wirklich begreift.
Jahre später kehrt er gereift in seine Heimat zurück. Diese wird gerade von westlichen Mächten überrollt, die die Chinesen unterdrücken, wo sie nur können. Endlich sieht Huo Yuanjia die Zeit gekommen, seine Kampfkünste in den Dienst eines höheren Wohles zu stelle.
Schaut in „Fearless“ mit Jet Li hinein
httpv://www.youtube.com/watch?v=yBRULy7JGbY
Der Film „Fearless“ beackert – historisch nicht immer sehr genau – das Leben des tatsächlich gelebt habenden Huo Yuanjia. Dieser wurde um 1868 geboren und gilt als Meister der Kampfsportart Mízo-ngyì. Wirklich populär ist er für die Errichtung der Jin Wu Federation geworden. Ein Zusammenschluss von chinesischen Kampfkunstschulen, die nach seinen Werten und Moralvorstellungen unterrichten. Als Held wird Huo Yuanjia heute vor allem deshalb gefeiert, weil er sich in spektakulären Schaukämpfen den besten Kämpfern der imperialistischen Mächte stellte und stets als Sieger hervorging. 1910 verstarb er – angeblich – aufgrund einer Vergiftung.
„Fearless“ präsentiert sich dreigeteilt
Dieser Person nähert sich Regisseur Ronny Yu („Born Hero“) in einem deutlich in drei Teile gegliederten Kampfkunstfilm. Im ersten Drittel erfahren wir alles über Huos Kindheit, sein ungestümes Wesen und seinen Aufstieg zu einem großen, aber arroganten und in Saus und Braus lebenden Kämpfer. In diesem Abschnitt lancieren Choreograph Yuen Woo-ping („Red Wolf“) und Jet Li („The Expendables“) ein Feuerwerk an spektakulären, enorm abwechslungsreichen Kampfszenen, bei denen keine einzige einer anderen ähnelt.
Haben wir einmal reine Hand-to-Hand-Kombats, werden im nächsten die verschiedensten Wushu-Waffen gebraucht. Ging es gerade noch bodenständig zu, wird im nächsten Kampf mittels gezielten Wire-Work-Einsatzes elegant durch die Lüfte geschwebt oder findet ein Kampf in schwindelerregenden Höhen auf einer Holzbühne statt. Die Fights sind dabei allesamt vom Feinsten und transportieren eine gesunde Härte.
Eingefangen werden sie aus teils spektakulären Perspektiven, wobei die Vogelperspektiven einfach den edelsten Eindruck machen. Dieser Abschnitt spitzt sich mehr und mehr auf einen dramatischen und sehr wuchtig vorgetragenen Höhepunkt zu und leitet das nächste Filmdrittel ein.
Die Läuterung Huos. Bei Reisbauern lernt er, dass das höchste Gut nicht darin besteht, andere Leben zu beenden, sondern sie zu achten. Er beginnt zu begreifen, was sein Vater und seine Mutter ihm vermitteln wollten, wenn sie ihn darauf verwiesen, dass Martial Arts nur zur Selbstverteidigung dienen, und er beginnt, zu erkennen, was seine Eltern meinten, wenn sie sagten, der größte Gegner eines Kämpfers sei er selbst.
Frei nach dem Lao-Tse-Sprichwort: Andere zu beherrschen erfordert Kraft, sich selbst zu beherrschen erfordert Stärke. Mit grandios stillen Momenten (traumhaft schön die Szenen der Bauern, die die frische Brise genießen), wunderschönen Landschaftspanoramen und einem schauspielerisch unglaublich starken Jet Li gerät ausgerechnet der ruhigste und vollkommen actionfreie Abschnitt zum Besten des gesamten Filmes.
Aufgrund der vorherigen, hochdramatischen Ereignisse in Abschnitt eins transportiert der zweite Abschnitt obendrein – auch und vor allem dank des wundervollen Scores von Shigeru Umebayashi – eine melancholische, sehr berührende Grundnote, die den Wandel Huos absolut nachvollziehbar und glaubwürdig macht, auch wenn genau dieser Abschnitt ruhig noch ein wenig länger hätte sein können.
In Abschnitt drei lässt dann Yuen Woo-ping den Kampfkunst-Jet-Li wieder von der Leine. Li bleibt allerdings auch in diesem Abschnitt darstellerisch hochgradig beweglich und überrascht mit einem mehr als subtilen Minenspiel und einem umfangreichen, ebenfalls eher understatementartig angehauchten Gestenrepertoire.
„Fearless“ ist eine Reflexion über Kampfkünste
Gerade die Abschnitte zwei und drei präsentieren einen darstellerisch ungemein gereiften Li. Und bevor es zu Unklarheiten kommt: Natürlich funktionieren die beiden letzten Abschnitte darstellerisch nur deshalb so gut, weil Li in Abschnitt eins auch den ungestümen Charakter sehr eindrücklich wiedergibt, doch die ruhigen und überlegten Momente überraschen eben deutlich mehr. Doch zurück zur Action. Diese bleibt auch im dritten Abschnitt auf reine Turnierkämpfe beschränkt und bietet reine Mann-gegen-Mann-Kämpfe. Diese sind wiederholt so abwechslungsreich wie möglich gestaltet worden.
Wie aus der Darstellung der Abschnitte und der Inhaltsangabe hervorgeht, ist die eigentliche Geschichte hinter „Fearless“ nun wahrlich nicht die Ausführlichste oder Komplexeste. Doch darauf kommt es in „Fearless“ auch gar nicht an. Der Film wird zusammengehalten und getragen von dem, was Kampfkünste ausmacht. Er ist eine Art Reflexion – sowohl über den Geist der Kampfsportarten als auch über einen Mann, der erst sich selbst besiegen muss, um wirklich sein Leben meistern zu können.
Die verschiedenen Fassungen des Filmes von Ronny Yu
Diese Ansätze sind es, die den Film hochinteressant machen und wohl vor allem Kampfkunstfans ziemlich begeistern dürften. Und das ein Jet Li nach ebenjenen vermittelten Grundsätzen lebt, machen Bemerkungen wie „Das ist mein persönlichster und wichtigster Martial Arts Film!“ überdeutlich. Umso trauriger ist der Umgang mit dem Streifen. Der wurde bereits im Heimatland fürs Kino um diverse Szenen erleichtert. Auch die internationale Exportfassung lässt viele Charaktermomente missen. 40 Minuten fehlen im Vergleich zum sogenannten Director’s Cut. Doch dieser schaffte es bislang nicht in unsere Breiten. Leider bringt auch eine neue Auswertung auf Blu-ray von dem Label justbridge hier keinerlei Abhilfe.
Dieses Vorgehen zeugt nicht wirklich von viel Respekt gegenüber Li und dem doch hochkarätigen Team hinter „Fearless“, das mit Yuen Woo-ping eine der Ikonen der Martial Arts in Filmen aufbieten und obendrein mit Regisseur Ronny Yu den Inszenator der grandiosen Blut-, Schwert- und Liebesoper „Jiang Hu – Magie des Schwertes“ aka „Bride with White Hair“ auf der Habenseite verbuchen kann.
Die Elite des Martial-Arts-Filmes kommt zusammen: Ronny Yu, Yuen Woo-ping und Jet Li
Glücklicherweise haben diese vor der Auswertung noch nichts von diesem lieblosen Umgang mit ihrem „Baby“ geahnt und präsentieren sich dementsprechend allesamt in absoluter Topform. Ronny Yu lanciert wunderschöne und knallig bunte Bilder der prachtvoll und stimmig ausgestatteten Schauplätze. Er lässt die Kamera kreisen, schweben und nur selten ruhig verharren. Infolgedessen mutiert jeder einzelne Fight zu einem optischen Hochgenuss.
Hier dominieren Totalen des spektakulären Treibens und als kleines Leckerlie obendrauf lanciert er einige der wohl anmutigsten Zeitlupenstudien der versierten Kampfkünste von Jet Li überhaupt. Li selber überzeugt erstmals auch endlich nicht nur kämpferisch, sondern – wie bereits mehrfach angedeutet – auch darstellerisch.
Der Rest des ihn flankierenden Castes leidet zwar unter einer extremen Vernachlässigung jeglicher Art von Charakterzeichnung, macht aber dennoch das Beste aus der Situation und hält sich vor allem mit dem allseits gefürchteten Overacting vollkommen zurück. Eigentlich ist es nur der starke Jet Li, der im hustenden und keuchenden Finale ein wenig zu sehr überzieht. In der Originalfassung von „Fearless“ kommt es in einer umklammernden Rahmenhandlung noch zu einem Wiedersehen mit Michelle Yeoh („Master Z – The Ip Man Legacy“), mit der Li bereits in dem Wuxia Streifen „Tai Chi“ unter der Regie von Yuen Woo-ping spielte.
Über allem thront der große Score von Shigeru Umebayashi. Der verleiht dem Streifen einen ganz eigenen, melancholischen, niemals melodramatischen Grundton und ist mit wunderschön nur unzureichend umschrieben.
„Fearless“ bietet großes Martial-Arts-Kino
Das Ergebnis ist ein weiterer würdiger Beitrag Jet Lis zum Martial-Arts-/Wuxia-Genre, das ihn einst groß gemacht hat. Er bedankt sich bei „seinem“ Genre mit einem wirklich gelungenen Portrait eines chinesischen Nationalhelden und einer umfassenden Reflexion zu verschiedenen, den Kampfsportarten allgemein inhärenten Wertvorstellungen. Dabei werden munter alle bekannten Klischees des Wuxia-Genres aufgefahren und abgehakt. Dass dies nicht zu einer lieblosen Aneinanderreihung von Altbekanntem oder gar zu einer trockenen beziehungsweise langweiligen Schulmeisterei mit erhobenen Zeigefinger verkommt, garantieren enorme Schauwerte, grandiose Fight-Sequenzen, gelungene Schauspielleistungen und ein weithin strahlender Score. Großes Kino.
Die erste deutsche DVD stammte von Constantin und enthielt die internationale, eher actionorientierte Exportfassung. Diese war mit einer erstaunlichen (aufgrund einiger sehr intensiver Fights) Freigabe ab 12 ungeschnitten. Die Originalfassung erhält man unter anderem aus Hongkong von dem Label Edko Films Ltd. Justbridge verschaffte dem Film nun ein würdiges HD-Gewand, griff aber leider ebenfalls nur auf die internationale Exportfassung zurück. Auch in der Extrasektion findet sich keine Spur von dem Director’s Cut. Dafür punktet die Veröffentlichung mit ihrer wirklich sehenswerten, wertigen, enorm stabilen Mediabook-Aufmachung (es ist nur eine Blu-ray enthalten). Diese wartet mit Interviews zum Film, einem Making Of und einem interessanten Booklet zum Film auf.
In diesem Sinne:
freeman
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