Originaltitel: The Marksman__Herstellungsland: USA__Erscheinungsjahr: 2021__Regie: Robert Lorenz__Darsteller: Liam Neeson, Katheryn Winnick, Teresa Ruiz, Juan Pablo Raba, Dylan Kenin, Luce Rains, Alex Knight, Ming Wang, Kellen Boyle, Lelia Symington u.a. |
Robert Lorenz, Regisseur von „The Marksman – Der Scharfschütze“, hat als Regisseur der Second Unit und als Produzent bei zahlreichen Clint-Eastwood-Werken mitgewirkt. Bei seinem Regie-Debüt „Back in the Game“ leitete er Hauptdarsteller Eastwood sogar an. Da verwundert es wenig, dass seine beiden Helden aus „The Marksman“ irgendwann den Eastwood-Klassiker „Hängt ihn höher“ im TV betrachten und allgemein immer ein Hauch Eastwood durch den Film weht.
Dieser erzählt von Jim. Ein Ex-Marine, der mehrere Einsätze in Vietnam absolvierte, bevor er mit seiner Frau auf einer riesigen Ranch zu seinem wahren Glück fand. Doch seine Frau wird ihm vom Krebs genommen. Die Behandlungen im Vorfeld fressen Jims finanzielle Reserven komplett auf. Ihm steht eine Zwangsversteigerung seines Landes bevor. Doch Jim will nicht so leicht aufgeben. Er versucht, einen lukrativen Job an Land zu ziehen – dabei ist er jedoch wenig erfolgreich.
Als er deprimiert seine Ranch abfährt, welche unmittelbar an der Grenze zu Mexiko liegt, fährt er beinahe zwei Flüchtlinge über den Haufen. Jim ist deren Anblick gewohnt. Meist meldet er sie pflichtbewusst der Grenzpolizei und lässt diese ihre Arbeit machen. Doch diesmal kommt alles anders. Gerade als er die Grenzwächter kontaktiert, hält ein schwarzer SUV auf der mexikanischen Seite der Grenze. Die ihm entsteigenden, offensichtlich einem Kartell zugehörigen Lumpen fordern ihn auf, die beiden Flüchtlinge, eine Frau mit einem kleinen Jungen, auszuhändigen.
Doch Jim weigert sich. Plötzlich brechen Schüsse. In dem Tumult kann Jim einen der Kartell-Henchmen umnieten und mit den beiden Flüchtlingen davonrasen. Da ahnt er jedoch noch nicht, dass die Frau bei dem Schusswechsel tödlich getroffen wurde. Sterbend bittet sie ihn, ihren Sohn Miguel zu beschützen und zu Verwandten in Chicago zu schaffen. Jim, der wahrlich andere Probleme hat, denkt zunächst gar nicht daran, dem Wunsch der Frau nachzukommen. Doch da findet er in seinem Auto eine Tasche der Frau. Diese ist voll mit Dollars. Jim sieht eine Chance, will sich das Geld aber redlich verdienen und beschließt, dass dies gegeben sei, wenn er Miguel unbeschadet nach Chicago bringt.
Er schnappt sich den Jungen und rast los. Ihm immer auf den Fersen: Die Kartellschergen. Die wollen das Geld und Jim in die Hände kriegen. Tötete er bei dem Geballer an der Grenze doch den Bruder des Anführers.
Schaut in das Road Movie mit Liam Neeson hinein
httpv://www.youtube.com/watch?v=H7lZUhndYJY
Man darf sich von dem martialischen Titel des neuesten Liam-Neeson-Streifens nicht täuschen lassen. „The Marksman“ ist nämlich mitnichten ein Actionfilm um einen Scharfschützen oder dergleichen. Vielmehr handelt es sich bei dem zweiten Film von Regisseur Lorenz um ein waschechtes Road Movie mit allen bekannten Versatzstücken: Endlose Weiten, beständig auftauchende Hindernisse, turbulente Zwischenstopps sowie zusammenwachsende und sich stetig vorwärts bewegende Helden.
Lorenz erzählt seinen Film in aller Ruhe. Er lässt sich Zeit für seine Figuren. Und er verlässt sich voll und ganz auf die Gravitas seines Hauptdarstellers Liam Neeson („Honest Thief“). Der hält den Film mühelos zusammen, erinnert immer mal wieder an einen knurrigen Clint Eastwood und baut mit seinem jungen Co-Star Jacob Perez eine starke Chemie auf. Das zieht in den Film hinein und unterhält sehr gut, aber insgesamt lässt es „The Marksman“ deutlich an Spannung missen.
Zwar rücken die Schergen des Kartells unseren Helden immer verdammt nah auf die Pelle, richtig zwingend werden sie in ihrem Auftreten aber selten. Wirkliche Bedrohlichkeit geht von ihnen leider auch nicht aus und obschon sich Juan Pablo Raba („Peppermint“) müht, als Anführer eine gefährlich Aura aufzubauen, kommt dies nur selten beim Zuschauer an. Etwas nervig ist zudem, dass Jim mit teils seltsam dumm wirkenden Fehlern immer wieder dafür sorgt, dass die Fieswichte nicht seine und die Spur von Miguel verlieren.
Seltsam konturlos bleibt zudem ein weiterer möglicher Spannungsbringer. Denn freilich jagen auch die Grenzpolizisten hinter Jim und Miguel her. Da sie aber von Jims Tochter angeführt werden, scheint man sich auf eine Art Nichtangriffspakt geeinigt zu haben. Das erwähnte Spannungsdefizit macht das Road Movie hier und da zwar etwas behäbig, langweilig wird der Film aber nie.
Wo der Film ebenfalls Potential liegen lässt, sind manche Szenen, in denen gefühlt durchaus etwas Sozialkritik mitschwingen könnte/sollte. So erstaunt es, dass „The Marksman“ die Flüchtlingsthematik zwischen Mexiko und den USA zwar als Auslöser der Handlung nutzt, dazu aber nie wirklich Stellung bezieht. Alles was bleibt, sind undifferenzierte Aussagen von Jim, bei denen man keinerlei Ahnung hat, ob er nun ein Trumpist oder ein Gegner der Einwanderungspolitik desselben wäre.
Eine seltsam unpassend wirkende Szene, in der Jim Miguel das Schießen und das Handling von Waffen beibringt, ihm währenddessen doch tatsächlich bescheinigt, ein Naturtalent zu sein, nur um kurz darauf etwas hakelig das Töten von Menschen als falsch darzustellen, ist richtiggehend ärgerlich. Vor allem, weil man auch hier nicht erkennt, wie die Gesinnung des Hauptcharakters aussieht: Pro oder Contra US-Waffengesetze? Hier hätte dem Drehbuch etwas mehr Feinschliff gut getan.
Darstellerisch ist „The Marksman“ überdeutlich auf Liam Neeson fokussiert. Dem Mimen hat man einen stark wettergegerbten Look verpasst, der ihn so „alt und gebrechlich“ wie nie zuvor wirken lässt. Alleine sein grauer Bart macht ihn gefühlt zehn Jahre älter. Neeson hat dabei über weite Strecken eine typische Neeson-Rolle inne, zieht dementsprechend seinen Stiefel gewohnt souverän durch und dreht vor allem im Zusammenspiel mit dem jungen Jacob Perez ordentlich auf.
Der junge Schauspieler hat eine echt tolle Ausstrahlung, einen beständig tieftraurigen Blick und einen guten Draht zu Neeson. Allerdings hat das Drehbuch zum Film nicht viel über ihn zu erzählen. Weshalb die Kombination aus Jim und Miguel auch nicht so stark beim Zuschauer verfängt, wie sie das eigentlich könnte. Als Jims Tochter ist zudem „Vikings-Heldin“ Katheryn Winnick („Polar“) zu sehen, die aber nie im Film ankommt.
Durchweg gelungen ist die technische Umsetzung. Lorenz inszeniert sauber und mit Gespür für Atmosphäre. Sein Kameramann Mark Patten setzt auf gediegene Bilder vorbeirasender, wunderschöner Landschaften, diverse Drohnenshots sowie starke Farbigkeit und Sean Callery liefert dazu einen mehrfach an Thomas Newman erinnernden, gut passenden Score.
In Sachen Action darf man sich von dem Road Movie nicht zu viel erwarten. Die erste Ballerei im Grenzland zwischen Mexiko und den USA ist recht turbulent, aber auch schnell vorbei. Außerdem fehlt es an Schauwerten. Hernach wird es immer mal wieder punktuell minimal actionreicher, etwa wenn kleine Verfolgungsjagden zwischen den Helden und ihren Verfolgern gezündet werden. Oder wenn die Fieswichter bei ihrer Informationsbeschaffung die Waffen sprechen lassen. Aber erst der Showdown hat dann wieder etwas mehr Action zu bieten. Hier darf Neesons Figur die im Filmtitel verankerten Fähigkeiten als Scharfschütze auspacken und auch mal in den Infight gehen. Blutig, brutal oder explosiv wird es aber nie. Was freilich in keinster Weise schlimm ist, denn sonderlich ausufernde Actionszenen hätten gar nicht zu dem Film und seiner Art des Erzählens gepasst.
„The Marksman“ bietet sauber Road-Movie-Unterhaltung
Was am Ende bleibt, ist ein insgesamt unterhaltsamer Road Trip, der mit ruhigen Szenen, schönen Bildern, sympathischen Hauptfiguren und starken Darstellern punktet. Leider hakt Regisseur Robert Lorenz die Klischees des Genres ein wenig zu pflichtversessen ab, was „The Marksman“ in allen Belangen sehr vorhersehbar macht. Dazu gesellt sich dank eher schwach aufgestellter und wenig zahlreicher Bösewichter eine nicht zu leugnende Abstinenz von Spannung, die der ruhig erzählten, auf die Entwicklung ihrer Hauptfigur fokussierten Handlung den einen oder anderen spürbaren Tempohänger einbringt.
Die deutsche DVD / Blu-ray zum Film erscheint am 20. August 2021 von dem Label LEONINE. Ungeschnitten mit einer Freigabe ab 16. In der Extrasektion findet sich nur ein wirklich langweiliges Making of und ein recht kurzes Interview mit Liam Neeson.
In diesem Sinne:
freeman
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