In „Free Guy“ spielt Ryan Reynolds den Videospielcharakter Guy, der eines Tages seine Routine verlässt, sich wie ein Gamer verhält und auflevelt, um seine Angebetete bei einem Quest zu unterstützen, obwohl dies nicht seiner Programmierung entspricht. Bunte Actionkomödie mit reichlich Popkulturreferenzen, in der unter anderem Chris Evans, Huck Jackman, Tina Fey und Dwayne ‘The Rock’ Johnson (Voice-)Cameoauftritte haben.
Originaltitel: Free Guy__Herstellungsland: USA__Erscheinungsjahr: 2021__Regie: Shawn Levy__Darsteller: Ryan Reynolds, Jodie Comer, Joe Keery, Taika Waititi, Lil Rel Howery, Utkarsh Ambudkar, Camille Kostek, Alex Trebek, Britne Oldford, Mike Devine, Channing Tatum, Chris Evans u.a.__Sprecher: Hugh Jackman, Dwayne Johnson, John Krasinski, Tina Fey u.a. |
Zak Penn ist ein videospielaffiner Regisseur und Drehbuchautor. 2014 drehte er die Doku „Atari: Game Over“, 2018 schrieb er gemeinsam mit Ernest Cline „Ready Player One“. „Free Guy“, den er gemeinsam mit Matt Lieberman („The Christmas Chronicles“) verfasste, fühlt sich fast wie ein geistiges Sequel zu dem Spielberg-Hit an.
Wieder geht es um das Innenleben eines Videospiels, jedoch nicht aus der Sicht eines Spielers, sondern aus der Perspektive eines Non Playable Character (NPC). Dass Guy (Ryan Reynolds) ein Goldfischglas in seinem Apartment hat, ist eine clevere Metapher: Auch der Goldfisch ist eingesperrt und in den immer gleichen Routinen gefangen, ohne etwas davon zu bemerken. Guy arbeitet als Angestellter in einer Bank in „Free City“, die dermaßen regelmäßig von den Spielern des Games überfallen wird, dass sich alle Anwesend routiniert auf den Boden legen und ausnehmen lassen. Dass Open-World-Spiele im Allgemeinen und „Grand Theft Auto“ im Besonderen hier Pate standen, merkt man selbst als Nicht-Gamer sehr schnell.
Im Real Life zockt Entwicklerin Millie Rusk (Jodie Comer) „Free City“ mit ihrem Avatar Molotovgirl (ebenfalls Jodie Comer) das Game bis zum Erbrechen, aber nicht zum Spaß. Sie will beweisen, das Antwan (Taika Waititi), der Chef der „Free City“-Entwicklerfirma Soonami, den Code eines Spiels gestohlen hat, das Millie gemeinsam mit ihrem Partner Walter ‘Keys’ McKeys (Joe Keery) entwickelte. Der schuftet zwecks Rückzahlung seiner Studiengebühren inzwischen für Antwan und hat den Rechtsstreit aufgegeben. Molotovgirl und die anderen Gamer-Avatare sind in „Free City“ an ihren Sonnenbrillen zu erkennen.
Eines Tages fällt die ständig den Mariah-Carey-Song „Fantasy“ summende Molotovgirl Guy auf, der von der perfekten Partnerin träumt und sofort verliebt ist. Um ihr folgen zu können, nimmt Guy einem Spieler die Sonnenbrille ab. Als NPC, der seine Programmierung ignoriert, wird er im Real Life zum Star, während er auflevelt, doch als er seine Angebetete bei ihrem Quest unterstützen will, beginnt er gefährlich zu leben…
httpv://www.youtube.com/watch?v=EUyQXCrAqVY
„Free Guy“ ist von prominenten Vorgängern inspiriert und zitiert diese teilweise sehr deutlich. Die Kunstfigur, die ihre Welt anzweifelt, hat was von „Die Truman Show“ und wie Truman steht auch Guy in einer Szene am Meer, am Rande seiner bekannten Welt. Das Erweckungserlebnis via Sonnenbrille ist ein Zitat aus „Sie leben“. Und der In-Game-Quest in einer Videospielwelt voller Popkulturreferenzen hat starke Parallelen zum erwähnten „Ready Player One“. Natürlich ist „Free Guy“-Regisseur Shawn Levy, vor allem bekannt für die „Nachts im Museum“-Reihe, kein Steven Spielberg, weshalb „Free Guy“ auch weniger wie ein episches Blockbuster-Abenteuer und eher als Komödie funktioniert. Das merkt man auch an den Actionszenen, die manchmal stark choreographierte Fights bieten (etwa die Nahkampfeinlage in dem Stash House), manchmal bombastisches CGI-Feuerwerk, manchmal aber auch eher Slapstickeinlagen, bei denen halt spektakulär etwas zu Bruch geht. Vor allem folgen die Spektakelszenen keiner stringenten Actiondramaturgie, sondern sind kleine Episoden in einem Spaßtrip, der schicke Einzelideen über das kohärente Ganze stellt.
Das ist dann auch die größte Schwäche von „Free Guy“, der erzählerisch nur bedingt etwas auf der Pfanne hat. Millies Quest tritt da stellenweise arg in den Hintergrund, gerade wenn es im Mittelteil um (Blue-Shirt-)Guy als Popkulturphänomen geht. Erst als Antwan den Braten riecht und die Abschaltung von „Free City“ zugunsten eines Nachfolgespiels droht, nimmt der Plot wieder Fahrt auf. So sind dann die kleinen Nebengeschichten, die „Free Guy“ erzählt, fast interessanter als der Mainplot, da sie herziger sind: Guys Freundschaft zu seinem Nomen-est-Omen-Kumpel Buddy (Lil Rel Howery). Guys offensichtliche Verliebtheit in Molotovgirl. Keys‘ heimliche Verliebtheit in Millie. Denn all das erzählt „Free Guy“ mit überraschend viel Feingefühl für eine solche Gag- und Zitatorgie.
Denn eine solche ist Levys Film ohne Frage. Schon allein die Wahl der Waffen, die unter anderem den Blaster von Mega Man, den Schild von Captain America, die Faust von Hulk, die Portal-Gun aus „Portal“ und ein Lichtschwert beinhaltet, spricht da für sich. Auch sonst sind reichlich Easter Eggs und Popkulturzitate versteckt (etwa ein Poster für Ryan Reynolds‘ Paraderolle als Deadpool), bekannte Videospiel-YouTuber spielen sich selbst, während Chris Evans („Avengers: Endgame“) für einen „Captain America“-Gag vorbeischaut. Als Sprecher sind unter anderem Ryan-Reynolds-Buddy Hugh Jackman („Logan: The Wolverine“) als Informant, Tina Fey („Date Night“) als staubsaugende Mutter, John Krasinski („13 Hours“) als ständig im Schatten sitzender Gamer und Dwayne ‘The Rock‘ Johnson („Jungle Cruise“) zu hören. Viele Gags beschäftigen sich mit Videospielen, Game-Mechaniken und Spielerverhalten, was in „Free Guy“ dadurch besonders lustig ist, dass man hier keinen CGI-Figuren, sondern echten Schauspielern beim „Teabagging“ und ähnlichen Scherzen zusieht. Oder wenn Channing Tatum („White House Down“) den Avatar eines postpubertären Gamers gibt und sich dementsprechend wie ein hormongesteuerter 22-Jähriger auf der Suche nach Online-Anerkennung verhält.
Natürlich ist „Free Guy“ keine kleine Indie-Komödie, sondern ein 100-Millionen-Dollar-Projekt, das auch bei seinen Gags eher klotzt als kleckert, mit großer Freude ausgefallene Kostüme, Vehikel und Accessoires der Spielercharaktere präsentiert. Dementsprechend fallen dann auch einige Set-Pieces aus, etwa wenn Guy von einem Cop mit Pornoschnäuzer und dessen Kollegen im Rosa-Häschen-Kostüm inklusive Sixpack-Bauch durch einen im Bau befindlichen Wolkenkratzer gejagt wird und nur via Booster-Jump-Turnschuhen entkommt. Oder Guy beim ersten Durchbrechen seiner NPC-Routine direkt von einem Panzer bedroht wird, der vor einem Kaffeeladen auffährt. Oder wenn es zum Duell Guy vs. Dude kommt. Doch gleichzeitig liegt in solchen Momenten eine Verrücktheit und Anything-Goes-Attitüde, die „Free Guy“ einen besonderen Reiz gibt, fast wie eine jugendfreie, zahmere Version der „Deadpool“-Filme, deren Muster und Humorverständnis sich in fast jedem Ryan-Reynolds-Film neueren Datums finden.
So ist auch „Free Guy“ speziell auf seinen Star zugeschnitten bzw. für ihn konzipiert. Erneut kann Ryan Reynolds („6 Underground“) seine Action-Comedy-Starpersona ausspielen, hier als Ausbund an Naivität, wenn der herzensgute, aber auch irgendwie ahnungslose Guy die Welt hinter seiner Welt mit staunenden Augen entdeckt, seine neue gefundene Macht für das rein Gute nutzt, nicht wie die Spieler einfach seine asoziale Seite in dem Online-Multiplayer-Game auslebt. Das ist ein dezenter Metakommentar zu derartigen Spielen und ihren Verlockungen für die User, handlungstechnisch heißt das allerdings auch, dass das NPC-Element in den Hintergrund tritt und Guy sich bald kaum von Spieler-Helden aus Filmen wie „Tron“ und „Ready Player One“ unterscheidet. Mit der bezaubernden Jodie Comer („Killing Eve“) hat Reynolds eine hervorragende Spielpartnerin, ähnlich gut ist Joe Keery aus der von Shawn Levy mitproduzierten Serie „Stranger Things“. Eine noch stärkere Vorstellung gibt es von Taika Waititi („The Suicide Squad“) als gleichermaßen lächerlicher wie diabolischer Antagonist. Kleinere Akzente setzt noch Lil Rel Howery („Get Out“) als netter Kumpel, der Rest der Darsteller macht weniger Eindrucke als die genannten Voice- und Cameo-Auftritte von Showbiz-Größen.
So machen vor allem die lockere Art, die zahlreichen In-Jokes und Popkulturreferenzen, das schicke Design der Spielwelt und viele ungewöhnliche Ideen „Free Guy“ zu einem derart kurzweiligen Vergnügen, dass man gerne übersieht, dass die schwachbrüstige Story öfters in den Hintergrund tritt und der Film teilweise nur sehr teures Nerdjerking ist. Da hatten die artverwandten „Deadpool“-Filme oder „Ready Player One“ doch etwas mehr zu bieten.
Knappe:
Nach nur zweimonatigem Kinorun ist „Free Guy“ bereits auf DVD, Blu-Ray und als Stream erhältlich, ungekürzt ab 12 Jahren freigegeben. Die DVD hat keine Extras, die Blu-Ray zusätzliche Szenen, Outtakes und Featurettes.
© Nils Bothmann (McClane)
Was hältst du von dem Film?
Zur Filmdiskussion bei Liquid-Love
Copyright aller Filmbilder/Label: Walt Disney__FSK Freigabe: ab 12__Geschnitten: Nein__Blu Ray/DVD: Ja/Ja |