Originaltitel: Eén hagedis teveel__Herstellungsland: Niederlande__Erscheinungsjahr: 1960__Regie: Paul Verhoeven__Darsteller: Marijke Jones, Erik Bree, Hermine Menalda, Hans Schneider, P.A. Harteveld |
„Eén hagedis teveel“ – zu Deutsch etwa „Eine Echse zu viel“ – ist Paul Verhoevens erstes Filmprojekt aus Studienzeiten. Und schon damals war er für (kleine) Kontroversen gut: Als das Werk 1960 den ersten Preis beim Festival Cinestud erhielt, gab es Proteste, da Verhoeven eigentlich kein Filmstudent war, sondern seinen Abschluss in Mathematik und Physik machte.
Der Titel des etwas mehr als halbstündigen Werks spielt einerseits auf die Salamander an, die ein Student (Erik Bree) hält. Andrerseits geht es primär weniger um Reptilien, sondern um Partnerschaften, in die eine weitere Person hineinkommt, eine zu viel ist. Da ist zum einen Janine (Marijke Jones), die Ehefrau eines Künstlers (Hans Schneider). Ihr Mann kann nicht mehr mit ihr kommunizieren, sie nicht mehr wirklich sehen. Sich muss sich mit Make-Up und Perücken für ihn verkleiden, während er Büsten nach ihrem Vorbild erstellt, oft aber auch wieder zerstört. Frustriert beginnt sie eine Beziehung zu dem Studenten. Als sie ihren Lover eines Tages besucht, findet sie eine andere Frau, Kitty (Hermine Menalda), bei ihm.
An dieser Stelle unterläuft Verhoeven einerseits die Erwartungen des Publikums und gibt andrerseits schon Ausblicke auf sein späteres Schaffen. Denn es gibt keinen großen Streit, keine großen Gefühlsausbrüche, stattdessen verbringt man den Nachmittag gemeinsam, wobei die Frauen sich so gut verstehen, dass der Student eher peinlich berührt ist und sich in seine Lernerei stürzt. Wie in vielen seiner Filme, darunter „Elle“, „Showgirls“, aber auch „Hollow Man“, sind Frauen das stärkere Geschlecht, wie in vielen seiner Filme werden bürgerliche Konventionen und Beziehungskonstellationen zugunsten freierer Liebe und Sexualität aufgebrochen. Dieses Wahrzeichen tragen nicht nur seine Gesellschaftssatiren und provokanten Thriller, auch in einem Actionfilm wie „Total Recall“ erweist sich die Ehe als Lügengebäude, während der Held sein Glück mit einer Prostituierten findet. Freilich ist Verhoeven hier noch deutlich harmloser unterwegs, verzichtet auf große Tabubrüche oder explizite Szenen.
httpv://www.youtube.com/watch?v=AO1-wo-w8YA
Auch kennzeichnend sind die (gequälten) Künstlerseelen, die seine Werke bevölkern, vom Bildhauer in „Türkische Früchte“ über die Nackttänzerinnen in „Showgirls“ bis hin zu den Schriftstellerfiguren in Filmen wie „Der 4. Mann“, „Basic Instinct“ und „Elle“. Ein Gemälde, das im Hintergrund zu sehen ist, hat der stets kunstinteressierte Verhoeven selbst gemalt. Doch nicht nur die bildende, sondern auch die filmische Kunst inspirierte Verhoeven bei „Eén hagedis teveel“. Zu den expliziten, von Verhoeven selbst genannten Vorbildern gehören Alain Resnais und Alfred Hitchcock. Gerade der Einfluss von letzterem zeigt sich deutlich in der Inszenierung, vom noirigen Grundton über die Art des Musikeinsatzes bis hin zum Thema der veränder- bzw. formbaren Frau im Banne männlicher Obsessionen, das Hitchcock kurz zuvor in „Vertigo“ behandelt und erforscht hatte.
Im Gegensatz zu Hitchcocks Klassiker des psychologischen Thrillers bleibt „Eén hagedis teveel“, vielleicht auch durch seine Laufzeit bedingt, allerdings etwas an der Oberfläche. In dem Hauptfigurenquartett kommt gerade die Zeichnung Kittys und des Studenten zu kurz, während man zwar von der Macke des Künstlers erfährt, dieser aber nie so wirklich auf den Grund geht. Dieses Ungleichgewicht zugunsten Janines lässt den Film auf erzählerischer Ebene unrund wirken, sodass eher die inszenatorische Seite nachwirkt. Diese bietet neben der thrillerartigen Machart auch ein paar memorable Sequenzen, etwa einen Tagtraum des Studenten oder die leicht surreal anmutenden Szenen, in denen man zusieht, wie der Künstler seiner Arbeit nachgeht.
Während „Eén hagedis teveel“ auf der Figurenseite etwas schwächelt, da ein Charakter aus dem Hauptfigurenquartett merkliches Übergewicht gegenüber den anderen hat, so ist die an Hitchcock gemahnende Inszenierung schon ein echter Hingucker. Noch dazu kann man hier bereits Ansätze dessen erkennen, was das spätere Werk des Provokateurs und Freigeistes Paul Verhoeven auszeichnen sollte, wenn auch noch merklich dezenter als in seinen Langfilmen.
In Deutschland war „Eén hagedis teveel“ bisher noch nicht zu sehen. Man kann Verhoevens Erstling jedoch im Internet finden. Zudem ist als Teil einer Compilation mit seinen Frühwerken in den Niederlanden auf DVD bei BFD Home Entertainment erschienen, die dort ab 12 Jahren freigegeben ist.
© Nils Bothmann (McClane)
Was hältst du von dem Film?
Zur Filmdiskussion bei Liquid-Love
Copyright aller Filmbilder/Label: BFD Home Entertainment__Freigabe: ab 12__Geschnitten: Nein__Blu Ray/DVD: Nein/Ja |