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Red Notice

Originaltitel: Red Notice__Herstellungsland: USA__Erscheinungsjahr: 2021__Regie: Rawson Marshall Thurber__Darsteller: Dwayne Johnson, Ryan Reynolds, Gal Gadot, Chris Diamantopoulos, Ritu Arya, Ivan Mbakop, Vincenzo Amato, Rafael Petardi, Daniel Bernhardt, Ed Sheeran u.a.
Red Notice

In der Actionkomödie “Red Notice” intrigieren Dwayne ‘The Rock’ Johnson, Ryan Reynolds und Gal Gadot mit- und gegeneinander

„Red Notice“ zeigt mal wieder, dass Netflix beim Zusammenklöppeln seiner großen Filme oft auf bewährte Rezepte setzt: Für Regisseur Rawson Marshall Thurber ist es nach „Central Intelligence“ und „Skyscraper“ bereits der der dritte Film in Folge mit Dwayne ’The Rock‘ Johnson, Johnson und sein Co-Star Ryan Reynolds hatten wechselseitige Cameos den jeweiligen Starvehikeln „Fast & Furious: Hobbs & Shaw“ und „Free Guy“, während Gal Gadot in „Das Jerico Projekt“ bzw. den „Fast & Furious“-Folgen 5, 6 und 7 an ihrer jeweiligen Seite zu sehen war.

So setzt dann auch „Red Notice“ auf die bewährte Action-Comedy-Mischung der früheren Thurber/Johnson-Kooperationen, die alle Stars in bewährten Rollen castet. Da gibt es John Hartley (Dwayne Johnson), die clevere, aber auch schlitzohrige Dampframme, hier in der Geschmacksrichtung FBI-Profiler. Dazu kommt die gerissene Quasselstrippe Nolan Booth (Ryan Reynolds), seines Zeichens gefragter Kunstdieb, der hinter drei Juweleneiern her ist, die dereinst Cleopatra gehörten. Später taucht auch noch seine größte Konkurrentin The Bishop (Gal Gadot) auf, gleichermaßen schlau, sexy und schlagkräftig, die mit den Männern in jeder Hinsicht mithalten kann.

Die drei Eier werden schnell zu puren MacGuffins (was an einer Stelle im Film sogar explizit erwähnt wird), von denen kurz erklärt wird, dass ein schwerreicher ägyptischer Geschäftsmann sie als Hochzeitsgeschenk für seine Tochter haben will. Eines davon ist verschollen, eines befindet sich im Besitz des Waffenhändlers Sotto Voce (Chris Diamantopoulos) und eines ist in einem Kunstmuseum. Dort kreuzen sich die Wege von Hartley und Booth erstmals, als der Dieb das gute Stück stiehlt, der Profiler ihm aufgrund eines Bishop-Tipps aber auf den Fersen bleibt und ihn mitsamt der heißen Ware stellen kann. Dummerweise hat die gerissene Diebin noch einen Schritt weitergedacht, klaut nicht nur das sichergestellte Ei aus Hartleys Obhut, sondern lässt den Gesetzeshüter noch als Täter dastehen.

Also fahren sowohl Booth als auch Hartley in einen sibirischen Knast ein, während sich die Meisterdiebin auf die Jagd nach den verbliebenen Klunkern macht. Da rauft das ungleiche Duo sich zusammen und bricht aus, um The Bishop in die Suppe zu spucken. Und sie haben ein As im Ärmel: Booth hat einen Hinweis auf das Versteck des verschollenen Eis…

Schaut euch den Trailer zu „Red Notice“ an

Mit einem Budget zwischen 150 und 200 Millionen Dollar verfügt „Red Notice“ nicht nur über Blockbusterdimensionen, er ist zudem der bisher teuerste Netflix-Film und verdrängt damit den bisherigen (ebenfalls mit Reynolds besetzten) Spitzenreiter „6 Underground“. Im Gegensatz zu dem Michael-Bay-Film sieht man das Budget jedoch weniger auf der Leinwand, denn Thurbers Werk zaubert seine Action wesentlich öfter aus dem Rechenknecht, bietet weniger handgemachte Stunts und ist allerdings auch klarer an ein möglichst breites Publikum gerichtet. So bekam der Film, der auch in manchen Kinos läuft, eine 12er-Freigabe der FSK und ein PG-13 in den USA, leistet sich lediglich mal ein „Fuck“ oder ein gelegentliches „Asshole“ an bösen Worten und präsentiert Action, bei der zwar viel zu Bruch, aber so gut wie niemand drauf geht. Selbst wenn Booth mit den Geschützen eines Kampfhubschraubers auf Gefängniswachen feuert, dann ist deren Umgebung zwar Schrott, aber kein einziger von ihnen wird von den Projektilen zersiebt.

Das nimmt der Action an Härte und Gravitas, gerade in einem sonst eher realistischen Setting ohne Fantasy- oder Sci-Fi-Elemente. Die Spektakelszenen bieten ein buntes Potpourri aus CGI-gepimpten Stunts, Explosionen, Verfolgungsjagden, Shoot-Outs und Fights, die aber kaum einer Steigerungslogik folgen: Jedes Set Piece ist ähnlich spektakulär, das letzte könnte auch zu Beginn kommen und umgekehrt. Einige Sequenzen sind echt clever, etwa wenn Booth über ein Gerüst vor Museumswärtern flieht und sich der Verfolger erwehrt, indem er immer wieder Bolzen herauszieht und Teile zum Einstürzen bringt. Manches zeichnet sich durch starke Choreographie aus, etwa ein Fight in einer Waffenkammer zwischen den drei Leads. Und anderes ist einfach leider bloß CGI-Klumpatsch, wie manche Fassadenkraxelei oder eine Konfrontation mit wilden Stieren (die „Gladiator“-Anspielung in dieser Szene aus dem Trailer kommt im fertigen Film übrigens nicht vor).

Tatsächlich packt „Red Notice“ trotz seiner Laufzeit von knapp zwei Stunden die große Actionkeule nicht so raus, hat immer wieder krawallfreie Passagen, in denen die Buddys wider Willen miteinander frotzeln oder Pläne schmieden. Ersteres funktioniert recht launig: Alle drei Leads haben Chemie miteinander, auch wenn alles nach erwartbaren Star-Image-Mustern abläuft: Griesgram Hartley will sich nicht zu sehr auf seinen neuen Kumpel einlassen und vor allem seine Mission verfolgen, Booth sagt immer wieder unerwartete oder Grenzen überschreitende Dinge, während ihre Kontrahentin nie die Coolness verliert. Es gibt einige nette Slapstickmomente, etwa wenn Booth kläglich daran scheitert eine Vitrine ähnlich cool zu zerschmettern wie Hartley, es gibt einige Popkulturanspielungen wie einen Cameo von Ed Sheeran oder eine Tango-Szene, die stark an „True Lies“ gemahnt. Manchmal erzeugt der Film auch Lacher durch geschicktes Unterlaufen von Erwartungen – etwa in jener Szene, in der „Sabotage“ von den Beastie Boys gespielt wird.

Das Heist-Movie-Element steht dagegen auf komplett verlorenem Posten. Selbst ein Coup auf dem Anwesen Sotto Voces nutzt die akribische Planung und das Schaffen des Unmöglichen, welches das Genre auszeichnet, für eine vielleicht zehn Minuten lange Passage, ansonsten ist es Essig damit. Lediglich die Überraschungstwists aus dem Heist-Genre werden hier gerne genutzt, wenn sich andauernd herausstellt, dass Figuren nicht das sind, was sie zu sein vorgeben, weil sie ein doppeltes oder dreifaches Spiel spielen.

Dummerweise fehlt diesen Überraschungen der Unterbau, um wirklich zu wirken. Außer dem Hauptdarstellertrio kommen eigentlich alle Figuren zu kurz, selbst Sotto Voce und die Inspektorin Urvashi Das (Ritu Arya) in den größten Nebenrollen haben wenig zu vermelden. So gibt es keine echte Spannung, keine große Charakterzeichnung und keine wirkliche Dramaturgie: Das Finale fühlt sich beispielsweise nicht wie ein Abschluss an, sondern könnte auch erst die Halbzeitmarke sein, aber vielleicht war das ja auch der Plan der Netflix-Verantwortlichen: Wie bei fast jedem ihrer großen Unterhaltungsfilme, von „Spenser Confidential“ über „6 Underground“ bis „The Old Guard“, ist die Tür am Ende weit offen für ein oder mehrere Sequels. Damit unterscheidet man sich freilich wenig vom Blockbusterkino der großen Studios, auch wenn Netflix es nur eine Spur offensichtlicher zu machen scheint.

So sind die Hauptdarsteller dann auch auf Nummer sicher gecastet, drei der derzeit größten Stars in ihren bewährten Paraderollen – aber immerhin, sie funktionieren auch gut darin. Egal ob Dwayne Johnson („Jungle Cruise“) als augenzwinkernder Muskelheld, Ryan Reynolds („Deadpool“) als frech-vorlauter Actionkomödiant oder Gal Gadot („Wonder Woman 1984“) als zulangende Heldin; mehr als das Standardprogramm wird von keinem der drei verlangt, aber das haben sie verinnerlicht, spielen sich die Bälle launig zu und zeigen, warum das Publikum sie gerade in diesen Rollen liebt. Der Rest vom Fest bleibt da Randnotiz, auch Chris Diamantopoulos („The Art of the Steal“) wirkt trotz Schurkenfigur mit Würgefetisch nie wie ein bedrohlicher Bösewicht. In einer seiner gewohnten Nebenrollen als gefährlicher Schläger (siehe jüngst etwa „John Wick“, „Atomic Blonde“ oder „Nobody“) tritt B-Actionstar Daniel Bernhardt kurz auf und zeigt ein paar gute Moves, ehe er dauerhaft aus dem Film verschwindet. Auch Bernhardt hat durch einen „Hobbs & Shaw“-Part bereits Dwayne-Johnson-Erfahrung.

Insofern bietet „Red Notice“ Stangenware, ein Mehr vom Gleichen mit Blick auf „Central Intelligence“ und „Skyscraper“, nur dass dieses 08/15-Action-Abenteuer-Comedy-Vehikel primär auf Netflix und nur vereinzelt im Kino zu sehen ist. Das ist eine bunte Sause mit mal mehr, mal weniger guten Set Pieces, drei gut aufgelegten Leads auf Autopilot und vollkommen egaler Story. Dass im Gegensatz zu anderen Filmen dieser Preisklasse (siehe Marvel, DC oder „Star Wars“) eine große Epik oder der Kampf um das große Ganze noch nicht einmal simuliert wird, kann man entweder lässig finden oder man kann die Frage stellen, ob „Red Notice“ dafür wirklich noch einmal deutlich teurer als seine Thurber/Johnson-Vorgänger sein musste.

„Red Notice“ ist primär auf Netflix zu sehen. Der Streamdienst zeigt den Film jedoch auch in ausgewählten Kinos und ließ ihn dafür von der FSK prüfen, die ihn ab 12 Jahren freigab.

© Nils Bothmann (McClane)

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