Originaltitel: No Man of God__Herstellungsland: USA__Erscheinungsjahr: 2021__Regie: Amber Sealey__Darsteller: Elijah Wood, Luke Kirby, Robert Patrick, Aleksa Palladino, Christian Clemenson, W. Earl Brown, Hugo Armstrong, Emily Berry, Will Harris, Gilbert Owuor, Nican Robinson, Mac Brandt u.a. |
Seit einigen Jahren gibt es – vor allem durch die Streamingdienste befeuert – einen kleinen Boom vom True-Crime- und Serienkillerstoffen. Ted Bundy wurde unter anderem in dem Spielfilm „Extremely Wicked, Shockingly Evil and Vile“, der Netflix-Dokuserie „Conversations with a Killer: The Ted Bundy Tapes“ und der Amazon-Dokuserie „Ted Bundy: Falling for a Killer“ porträtiert, weshalb ein Film wie „No Man of God“ diese kleine Welle gerade reiten kann.
Das Crime-Drama von Amber Sealey („No Light and No Land Anywhere“) ist außerdem insofern am Puls der Zeit, als dass Netflix mit der hochgelobten Serie „Mindhunter“ die Entstehung des Profiling thematisierte. So basiert „No Man of God“ auf den Erlebnissen von Bill Hagmaier (Elijah Wood), der in den 1980ern zur Elite der Behavioral Science Unit des FBI gehört. Er und vier Kollegen erzielen spektakuläre Durchbrüche, weshalb ihr Chef Roger Depue (Robert Patrick) ihnen immer neue Fälle anbietet. Von einer Gelegenheit lassen aber alle bis auf Bill die Finger: Ein Profil des einsitzenden Serienkillers Ted Bundy (Luke Kirby) erstellen, der allerdings keine seiner Taten offiziell zugegeben hat.
Da der hochintelligente Bundy seine Hilfe bei Fällen wie jenen des Green River Killer angeboten hat, besucht Hagmaier ihn unter dem Vorwand seine Einsichten zu Serienkillern haben zu wollen. Tatsächlich findet er einen Zugang zu dem Psychopathen und darf mehrere Interviews mit dem Killer führen…
Schaut euch den Trailer zu „Ted Bundy: No Man of God“ an
„No Man of God“ ist klassisches Schauspielerkino: Ein Großteil spielt lediglich in dem Verhörzimmer, in dem Hagmaier und Bundy zusammensitzen, die beiden Hauptdarsteller bestreiten einen Löwenanteil der Screentime. Es ist kein Wunder, dass das Projekt Elijah Wood („Radio Flyer“) reizte, der den Film auch produzierte. Der Star, der durch sein Faible für kleine und abseitige Filme glänzt, spielt diesen Bill Hagmaier mit seiner Mischung aus Professionalität und unangenehmer Faszination für den Serienkiller auch sehr eindringlich und findet mit Luke Kirby („Glass“) einen ebenso starken Partner. Kirby gibt Bundy als gutaussehenden, aber nicht zu gutaussehenden Charismatiker, einen All-American Boy, der von freundlicher Höflichkeit ganz schnell zu eiskalter Wut umschalten kann, hinter dessen Worten stets eine Aura des Berechnens und des Abwiegens liegt.
So gibt es dann auch nur drei Nebendarsteller bzw. -rollen, die noch ein paar Akzente setzen können. Da ist zum einen der stets verlässliche Charakterkopf Robert Patrick („The Protégé“), der als knarziger Vorgesetzter zwar nur wenige Szenen hat, dort aber mit Charisma glänzt. Am größten fällt die Nebenrolle von Aleksa Palladino („Find Me Guilty“) aus, welche Bundys Anwältin Carolyn Lieberman gibt, welche sich über weite Strecken des Films nicht in die Karten gucken lässt: Gehört sie auch zu jenen, die sich von Bundy haben becircen lassen, ist sie eine eiskalte Karrieristin oder glaubt sie einfach nur so sehr an das Rechtssystem, dass auch einem Killer wie Bundy die bestmögliche Verteidigung zustehen muss? Und dann ist da noch Christian Clemenson („Veronica Mars“), der den evangelikalen Autor und Psychologen Dr. James Dobson gibt. Der schaut nur für eine Szene vorbei, die es aber in sich hat: Carolyn glaubt, dass der einflussreiche Mann bei einer Begnadigung Bundys helfen könnte, doch der joviale PR-Profi nutzt diesen Moment nur zu seinem Vorteil aus.
Die Schauspieler im Allgemeinen und die beiden Hauptdarsteller im Speziellen sind also stark, das Drehbuch von C. Robert Cargill („Doctor Strange“) tut sich dagegen schwerer. Denn am Ende des Tages stellt sich die Frage, wo „No Man of God“ hinmöchte oder was der Film aussagen will. Die im Titel implizit anklingende Idee, dass der Profiler eine Art Beichtvater für den Killer wird, ist ganz nett, aber auch nicht sonderlich originell, die Darstellung davon, dass Hagmaier darunter leidet, dass er sich manchmal zu gut in den Mörder hineindenken kann, ein alter Hut im Profilergenre. Zudem findet „No Man of God“ keinen wirklich neuen Blick auf Ted Bundy, beschäftigt sich auch eher ausschnittsweise mit dessen grausigen Taten, sodass er auch Menschen, die nichts oder nicht viel über Ted Bundy wissen, kein umfassendes Bild des berüchtigten Serienmörders liefert.
So reißt „No Man of God“ dann eher hier und da Themen an, ohne sie groß auszuführen, etwa die Verbindung von Sex und Crime in der amerikanischen Psyche, die ihren Ausdruck in reißerischen Detektivheftchen findet oder Bundys Spiel mit den Ermittlern, von denen abseits von Hagmaier keiner auf seinem Level ist, wie sich bei einem pointiert montierten Befragungsmarathon zeigt. Mal geht es um die Verbindung von Politik und Justiz, wenn der Gouverneur durch die Anordnung der zügigen Exekution von Bundy Punkte für seine Wiederwahl sammeln will, mal um das komplizierte Verhältnis von Bundy, Hagmaier und Lieberman. Diese leichte Planlosigkeit zeigt sich auch in der eindringlichsten Szene des Films: Bundy gesteht eine Tat gegenüber Hagmaier, der Profiler hört zu und leidet mit, ekelte sich vor sich selbst, weil er seinen Gesprächspartner zu gut versteht – aber es bleibt ein Gänsehaut-Einzelmoment, aus dem nicht wirklich etwas erwächst.
Sehr reizvoll ist dagegen der Einbau von authentischem Bildmaterial aus den 1980ern, das dokumentarisch beschreibt, wie die Öffentlichkeit auf den Fall und die Exekution von Bundy reagierte. Das körnige Material erinnert nicht nur daran, dass die Geschichte grausige Realität ist, sondern sie stellt der extremen Innenperspektive des Films (Hagmaier und Bundy im Gespräch) immer wieder jene Außenperspektive gegenüber, kontrastiert die nuancierte, interessierte Haltung des Profilers mit dem Furor der aufgebrachten Öffentlichkeit. Das wirkt wesentlich stärker als jene assoziativen Montagen, mit denen Sealey teilweise arbeitet und deren Symbolik manchmal plump wirkt: Weil Bundy gegenüber dem FBI-Agenten einmal eine Verbrechermetapher mit Fischen und Wassertiefen verwendet, kommt das Meer immer wieder in diesen Bildfolgen vor.
So hinterlässt „No Man of God“ unterm Strich einen zwiespältigen Eindruck: Er ist ein wirklich famos besetztes und stark gespieltes Crime-Drama mit zwei tollen Leads, das jedoch enttäuschend wenig Fleisch auf den Rippen hat. Man schaut Wood und Kirby bei ihren Interaktionen gerne zu, bewundert ihre Schauspielkunst, aber dass man am Ende wirklich tiefer in die Materie eingedrungen wäre, kann man angesichts des etwas planlosen Drehbuchs leider nicht behaupten.
„Ted Bundy: No Man of God“ ist hierzulande bei Capelight auf Blu-Ray und DVD erschienen, ungekürzt ab 16 Jahren freigegeben. Als Bonusmaterial gibt es Trailer und Interviews mit den Hauptdarstellern.
© Nils Bothmann (McClane)
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