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Banden von Marseille

Mit „Banden von Marseille“ bearbeitet Regisseur und Drehbuchautor Olivier Marchal sein Lieblingsthema, den Kampf fieser Gangster und kaum besserer Polizisten. In diesem Actionthriller wird die Anti-Gang-Einheit der titelgebenden Stadt in einen blutigen Bandenkrieg verwickelt.

Originaltitel: Bronx__Herstellungsland: Frankreich__Erscheinungsjahr: 2020__Regie: Olivier Marchal__Darsteller: Lannick Gautry, Stanislas Merhar, Kaaris, David Belle, Patrick Catalifo, Jean Reno, Moussa Maaskri, Catherine Marchal, Francis Renaud, Erika Sainte, Ambre Pietri, Claudia Cardinale u.a.
Banden von Marseille

Harter Actionthriller um Cops und Gangster von Olivier Marchal: “Banden von Marseille”

Als Regisseur und Drehbuchautor hat Olivier Marchal („36 – Tödliche Rivalen“) seine Nische gefunden, dreht seit Jahren düstere, mal mehr, mal weniger actionreiche Thriller über Gangster und Polizisten, die man wahlweise altmodisch oder anachronistisch finden kann – auch sein „Banden von Marseille“ passt ins Raster.

Der französische Filmemacher stimmt sein Publikum direkt auf die Härte seines Films ein: Es beginnt mit einem Polizisten, der sich und seine Familie ermordet, danach springt „Banden von Marseille“ in der Zeit zurück und erzählt von der Vorgeschichte des Massakers. Der besagte Cop ist Teil der Anti-Gang-Einheit von Richard (Lannick Gautry), die dieser nach Augenmaß führt. Einem Gangsterboss erlaubt er bei einer Einführung einen Krankenhausbesuch bei dessen schwer krebskranker Ehefrau, als der Verbrecher die Gattin auf deren Wunsch erstickt, lässt Richard ihn gewähren und wartet vor der Tür. „Banden von Marseille“ ist kein netter Film, das ist von Anfang an klar.

Während Richard und seinen Kollegen Willy (Stanislas Merhar), Max (Kaaris) und Zach (David Belle) mit Ange Leonetti (Jean Reno) ein neuer, pingeliger Polizeichef vor die Nase gesetzt wird, kommt es in Marseille zum Krieg zweier Syndikate. Ein Überfallkommando der einen Gang richtet in einer Bar, in der sich Mitglieder der anderen Bande treffen, ein Blutbad an, die Presse und die Polizeioberen sind entsetzt. Im Revier können nicht alle Kollegen einander bzw. die Methoden der anderen ausstehen, doch für die Aufklärung dieses Falles arbeiten alle zusammen – sofern sie nicht, ganz genretypisch, als Informant für die Banden arbeiten, wie der schmierige Mario Costa (Moussa Maaskri), dem die Korruption fast schon ins Gesicht geschrieben steht.

Costa gerät schnell in Richards Visier, ähnlich wie die Gangster, deren Identität der Anti-Gang-Einheit bekannt ist. Um allerdings an Beweise und konkrete Täter zu kommen, müssen sie die eine oder andere Vorschrift brechen – mit weitreichenden Konsequenzen…

httpv://www.youtube.com/watch?v=tIu7pr_JpDQ

„Banden von Marseille“ ist ein Film, der sehr von seiner Stimmung lebt. Hier gibt es kaum Hoffnung, nur den Kampf ums Überleben. Sowohl Polizisten als auch Gangster booten nicht nur die Gegenseite, sondern einander aus, weiße Westen sind Mangelware. Polizisten haben eine Affäre mit der Frau eines Kollegen, setzen sich regelmäßig über die Vorschriften hinweg oder treten als Mörder in Uniform auf, die Gangster sind zu jeder Form von Mord und Erniedrigung bereit, ein menschliches Leben ist kaum etwas wert. Der einzige Unterschied zwischen diesen Cops und den Kriminellen sei die Polizeimarke, merkt eine Figur gegen Ende des Films an. Bis zum konsequent pessimistischen Finale zieht „Banden von Marseille“ diesen Stil durch, zieht auch optisch kaum Unterschiede zwischen Verbrechern und Gesetzeshütern: Verhärmte, meist unrasierte, passiv-aggressive Typen in Lederjacken, die dazu bereit sind, jede echte und vermeintliche Beleidigung oder Kränkung ihrer Ehre gleich doppelt zurückzuzahlen.

Banden von Marseille

Die Vier von der Anti-Gang-Einheit: Max (Kaaris), Willy (Stanislas Merhar), Richard (Lannick Gautry) und Zach (David Belle)

Marchals Film zieht viel von seinem Appeal aus diesem nihilistischen Flair und kann damit auch die eine oder andere schreiberische Schwäche überdecken. Denn bei der Vielzahl von Figuren ist das Handlungs- und Beziehungsgeflecht schwer zu überblicken. Da liefert ein Scherge den Verbrecherspross eines Clans ans Messer, weil der ihn mit seiner Frau betrügt. Besorgter Gangsternachwuchs arbeitet aber für die Gegenseite, weil er sich im eigenen Syndikat geringgeschätzt fühlt. Gleichzeitig ist der Scherge sauer auf den eigenen Clan, weil er die Affäre stillschweigend duldete. Und keine der beteiligten Figuren wurde vor dieser Szene je vorgestellt. Immerhin hält Marchal seine Grundstory simpel genug: Zwei Gangsterbanden wollen einander ans Leder, jede Aktion führt zu einer noch blutigen Vergeltungsaktion, während die Polizei allen wahlweise das Handwerk legen oder das Lebenslicht auspusten möchte. Dieses einfach verständliche Prinzip funktioniert selbst dann, wenn man nicht immer versteht, wer gerade zu wem gehört.

Dank stimmiger, wenn auch manchmal etwas zu dunkler Bilder weiß „Banden von Marseille“ zu gefallen und präsentiert seine Geschichte mit Schwung, auch wenn sie jede Menge Standards des Polizeifilms aufbietet: Die Vertuschungsaktion dreckiger Bullen, die sie nur in noch mehr Bedrängnis bringen, die ehrgeizige Ermittlerin von der Internen in ihrem Nacken, das kaputte Privatleben, der verdeckte Ermittler, der erschossen wird, weil die Cops ihn für einen echten Verbrecher halten usw. All das wird eine Nummer actionreicher dargeboten als in manch anderem Marchal-Werk, obwohl auch „Banden von Marseille“ seine Action eher dosiert einsetzt. Die Shoot-Outs überzeugen mit Härte, nicht nur wegen blutiger Einschüsse, sondern eher wegen der Gnadenlosigkeit, mit der alle Beteiligten hier vorgehen, egal ob dem Überfall auf die Strandbar, einem Zugriff am nächtlichen Strand oder beim Abservieren einer Killertruppe. Getreu dem Ton des Films ist das Ganze eher realistisch gehalten, zeigt keine Superbullen im Alleingang, sondern taktisch vorgehende Eingreiftruppen auf beiden Seiten.

Banden von Marseille

Richard kann nicht gut mit dem neuen Polizeichef Ange Leonetti (Jean Reno)

Zudem profitiert der Film von seinem starken Casting. Lannick Gautry („Banlieu 13 – Ultimatum“) trägt den Film auf seinen breiten Schultern als Cop an vorderster Front, der gleichzeitig stets als Troubleshooter fungieren muss, wenn ein Deal schiefläuft oder einer seiner Untergebenen Scheiße baut. Stanislas Merhar („Furia“) spielt Willy dabei als Trouble-Hauptverantwortlichen, als ungepflegtes menschliches Wrack, mit einer großen Intensität. Kaaris („The Bouncer“) und Parkour-Erfinder David Belle („Brick Mansions“) als weitere Anti-Gang-Polizisten liefern markigen Support, auch wenn ihre Rollen kaum charakterisiert werden, in einer Nebenrolle ist Claudia Cardinale („Spiel mir das Lied vom Tod“) als Patin zu sehen. Stark auch Moussa Maaskri („Overdrive“) als verwarzter Korrumpel-Cop. Überraschend klein fällt die Rolle von Jean Reno („The Last Journey“) als Polizeichef aus, der aber dennoch eine tragende Figur des Films ist.

„Banden von Marseille“ mag – gerade im Kosmos von Marchals Filmschaffen – wenig Neues anbieten und das Beziehungsgeflecht der Figuren etwas unzureichend erläutern, beeindruckt aber durch seine konsequente Darstellung einer Dog-Eat-Dog-Welt, in der die Unterschiede zwischen Polizisten und Verbrechern nur graduell sind, in der jeder Dreck am Stecken hat und in der ein Leben wenig Wert ist. Dank punktuell eingesetzter, kompromissloser Actionszenen und einer starken Besetzung ein alles andere als innovativer, aber doch überzeugender Genrefilm.

Knappe:

„Banden von Marseille“ feierte seine Premiere auf Netflix, ist aber kein exklusiver Titel des Streamingdienstes. Mittlerweile ist der Film auch bei Splendid Film/WVG auf DVD und Blu-Ray mit offizieller Freigabe der FSK ab 18 Jahren erschienen. Als Bonus gibt es Trailer.

© Nils Bothmann (McClane)

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Copyright aller Filmbilder/Label: Splendid Film/WVG__FSK Freigabe: ab 18__Geschnitten: Nein__Blu Ray/DVD: Ja/Ja

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