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Top Gun: Maverick

Originaltitel: Top Gun: Maverick__Herstellungsland: USA/China__Erscheinungsjahr: 2022__Regie: Joseph Kosinski__Produktion: Jerry Bruckheimer, Tom Cruise, Christopher McQuarrie u.a.__Darsteller: Tom Cruise, Jennifer Connelly, Miles Teller, Val Kilmer, Jon Hamm, Jean Louisa Kelly, Ed Harris, Glen Powell, Manny Jacinto, Monica Barbaro, Danny Ramirez, Lewis Pullman, Charles Parnell u.a.
Top Gun: Maverick

Mit “Top Gun: Maverick” liefert Star Tom Cruise, Regisseur Joseph Kosinski und Produzent Jerry Bruckheimer ein spätes Sequel zu Tony Scotts Erfolgsfilm an

„Highway to the Danger Zone“ dröhnt aus den Lautsprechern. Dazu gibt es flott geschnittene Bilder von einem Flugzeugträger, auf dem geschäftiges Treiben herrscht. Ständig starten und landen F-18-Kampfjets. Der ganze Kinosaal dröhnt. Doch die Immersion ist in meinem Fall noch größer, denn ich sitze in unmittelbarer Nähe sogenannter D-BOX-Sitze, die jedwedes Tiefbassgrummeln in wuchtige Vibrationen des Stuhles umwandeln. So heftig, dass auch mein Sitz amtlich durchgeschüttelt wird. Keine Frage: Da steigt gerade Action auf der Leinwand.

Der Film? Die Fortsetzung eines 80s-Kultfilm, der immer wieder als längster Werbespot der US-Armee bezeichnet wird. Und der eine erstaunlich große Fanbase zu haben scheint. Groß genug, um über 30 Jahre später eine Fortsetzung zu lancieren. Eine Fortsetzung, in der Tom Cruise zu seiner altbekannten Rolle des Piloten Maverick zurückkehrt und dabei in einigen Momenten des Filmes kein einziges Jahr gealtert zu sein scheint. Der Kenner weiß: Hier wird von „Top Gun“ respektive dessen Fortsetzung „Top Gun: Maverick“ palavert.

„Top Gun“ ist im Übrigen ein Film der kultigen 80er, der für mich nie funktioniert hat. Sprich: Ich bin nicht als Fan des Originals in „Top Gun: Maverick“. Ich habe den ersten Teil ehrlicherweise sogar noch nie am Stück gesehen. Nur in Einzelteilen. Es hat nie gezündet. Das Werk von Tony Scott, dem die Fortsetzung im Abspann gewidmet wird, ging nie in den Formationsflug mit mir. Das sollte man vielleicht wissen, bevor man meine Ode an die Fortsetzung liest, die bei mir gezündet hat wie sonstwas.

Schaut in Actionfilm mit Tom Cruise hinein

httpv://www.youtube.com/watch?v=0wkFPx8hbjw

Nachdem nun also die „Danger Zone“-Musik ausgeklungen ist, begegnen wir erstmals Pete ‘Maverick‘ Mitchell als Testpilot eines Überschallflugzeuges. Und der motorradgeile Tempofanatiker hat sich in den letzten Jahrzehnten nicht verändert. Vor allem das Ausschlagen von Befehlen fällt ihm nach wie vor sehr leicht. Einen geschrotteten superteuren Prototyp später droht das finale Aus für seine militärische Laufbahn. Doch ein Wunder passiert: Mavericks alter Kumpel Ice rettet ihm den Kopf.

Ice ruft Maverick nämlich zurück ins Top-Gun-Programm. Allerdings nicht für einen Einsatz als Kampfpilot, sondern als Ausbilder für junge Top-Piloten, die den letzten Schliff benötigen. Sie sollen nämlich eine mega riskante Mission in einem Schurkenstaat fliegen, der sich eine Urananreicherungsfabrik gegönnt hat und diese demnächst ans Netz nehmen will. Maverick muss nun alles aus den jungen Piloten herauskitzeln, damit sie die an „Star Wars 4“ erinnernde Mission erfolgreich beenden können.

Top Gun: Maverick Tom Cruise Miles Teller

Maverick hat einigen Ärger mit Rooster.

Und das macht Maverick im gewohnten Querulanten-Modus, mit dem er sich die Achtung der einen (junge Piloten) und den Hass der anderen (beispielsweise Missionschef Beau ‘Cyclone’ Simpson) zuzieht. Zudem muss sich Maverick dummen Entscheidungen seiner eigenen Vergangenheit stellen. Einer der auszubildenden Piloten ist nämlich der Sohn seines tödlich verunglückten Kumpels Goose. Dem Sohnemann hat Maverick höchstselbst und aus den falschen Gründen Knüppel zwischen die Beine geworfen, was dessen Ausbildung angeht.

Es gilt also eine Menge an Problemen zu bewältigen und trotzdem verkommt „Top Gun: Maverick“ niemals zur Schnulze oder zum Dramolett. Im Gegenteil: Gerade die auch im Trailer omnipräsente Verstimmung zwischen Maverick und Goose-Sohnemann Rooster wird bestimmt in den Hintergrund geschoben. Regisseur Joseph Kosinski („Tron: Legacy“) tritt lieber beherzt auf die Retrotube.

Er präsentiert die Army-Ausbildung als superlangen Werbespot, gereicht an perfekten Bildern, bei denen es nicht wundern würde, wenn auf einmal Pepsi-Dosen über den Strand rollen oder die Oben-Ohne-Piloten Zahnpasta in die Kamera halten würden. Kosinski trifft das optische Konzept des Vorgängers größtenteils punktgenau und erweitert es um die technischen Möglichkeiten heutiger Filmkunst. So ist der Überschallflug von Maverick in allen kleinen und kleinsten Details einfach eine Augenweide.

Top Gun: Maverick Tom Cruise mit F-18

Maverick (Tom Cruise) vor einer seiner Maschinen.

Darunter tönt ein lässiger Soundtrack, der alte Themen von Harold Faltermeyer mit neuen Stücken von Hans Zimmer kombiniert. Und es fühlt sich absolut richtig an. Okay, der Lady-Gaga-Song kann nichts – but nobody is perfect. Dass Optik und Sound die gleiche Handlung wie im Vorgänger flankieren, who cares? Zumindest Maverick wird nett zur Führungsfigur weiterentwickelt und darf auch eine kleine Heldenreise hinlegen. Dementsprechend haben wir auch hier alt und neu trefflich kombiniert.

Auch wenn nicht alles sitzt. So ist die Einführung beinahe aller Charaktere in einer Barszene eher gut gemeint als gut gemacht und zieht sich irgendwann brutal. Auch darf sich kaum ein Charakter wirklich entwickeln. Und hier und da tropft da doch arg viel Pathos in Textzeilenform ins Ohr des Zuschauers. Aber hey, ab und an vibrierte davor oder danach der Sitz hinter mir, was mich wieder wohlig grinsen ließ – auch trotz mancher Negativpunkte, die „Top Gun: Maverick“ in erzählerischer Hinsicht definitiv hat.

Wo ich keinerlei Negativpunkte ausmachen konnte, war die Action. Die ballert! Richtig! Und sie ließ meinen Sitz wackeln. Der Wahnsinn. Zudem revolutioniert Kosinski meines Erachtens die Darstellung von Dogfights im Film. Endlich werden da nicht nur Gesichter mit Maske gefilmt, die irgendwelchen Tand in Funkgeräte palavern und mit irgendwelchen Stock-Footage-Aufnahmen von fliegenden und manchmal auch explodierenden Flugzeugen gegengeschnitten werden.

Kosinski zeigt in „Top Gun: Maverick“ endlich, dass Flieger mit den Bewegungen der Maschinen mitgehen (müssen – gelle G-Kräfte), sich in ihren Kanzeln bewegen, nicht nur mit Radaransichten arbeiten, sondern sich bestmögliche Blickwinkel selbst suchen, eher an den Instrumenten vorbeistarren anstelle darüber hinweg. Und und und. Man möchte den Boden küssen, auf dem Kosinski schreitet. Er zelebriert einen detailverliebten Realismus, der direkt in die Action hineinzieht. Und er kostet sie genüsslich aus.

Top Gun 2 mit Tom Cruise und Jennifer Connelly

Maverick mit seinem Love Interest.

Ich will gar nicht wissen, wie sich der Film bei den zahllosen Lenkbewegungen der Maschinen in einem IMAX-Kino anfühlen mag. Ich wette, da wird sich so manche Hand in die Sessellehne krallen. Dazu kommen wundervoll kaputte Flugmanöver, die einen auch im normalen Kinosessel gefühlt aus selbigem hebeln. Und wenn ein Pilot „Wohoooo“-schreiend zwischen Brückenpfeilern durchrast und sich noch einmal zu selbigen umdreht, reißt es einen richtig mit.

Derweil amüsiert man sich über Tom Cruises Gesicht, das von den G-Kräften komplett faltenfrei gezogen wird, feiert die Täuschkörper-Abschüsse und darauf folgende fette Explosionen und bejubelt jeden Abschuss feindlicher Maschinen. Nur geil. Und als wäre das alles nicht genug, folgt sogar noch eine Art „Im Fadenkreuz“-Variation mit Witz und Knallerei.

„Top Gun: Maverick“ lässt alle Dogfight-Szenen und Flugactionszenen anderer Filme alt aussehen. Auch und vor allem aufgrund seiner technischen Umsetzung. Wie angedeutet, wurde der Film für IMAX-Kinos gedreht. Mit den dafür notwendigen, schweren Kameras sind schnelle „Bourne“-Kameratechniken gar nicht möglich. Zudem wirken auf der riesigen Leinwand schnelle Schnitte kaum. In der Folge gibt es die Action hier an fetten, genießerischen Bildern. Freilich auch, weil Jerry Bruckheimer („Bad Boys For Life“) für den Film ein paar Milliönchen mehr locker gemacht hat.

Top Gun: Maverick Tom Cruise in seiner F-18

Tom Cruise ging mal wieder an alle Grenzen.

Das liegt freilich auch an Kassengarant Tom Cruise („Jack Reacher“), der seine Rolle ungemein charismatisch runterreißt und sowohl in der Action als auch in den ruhigeren Momenten sowie im Zusammenspiel mit Love Interest Jennifer Connelly („Dark Water“) stark spielt. Seine Co-Stars spielen ebenfalls ordentlich. Miles Teller („Project X“) als Rooster hätte gerne auf den Pornobalken des „Herrn Papa“ verzichten dürfen, spielt ansonsten aber gut und hat mit Tom Cruise eine ordentliche Chemie.

Val Kilmer („The Super“) bekommt als Ice eine wirklich richtig schöne Szene mit Tom Cruise zugestanden, die seine tatsächliche Krankheitsgeschichte erstaunlich offen aufnimmt. Jon Hamm („Bad Times at the El Royale“) steht als Beau Simpson sehr exemplarisch für die Eindimensionalität der meisten Figuren im Film und tut einem bei seinen Auftritten schon ein wenig leid. Extrem cool kommt Ed Harris („Westworld“) in seinem leider arg kurzen Auftritt rüber.

„Top Gun: Maverick“: Retro-Kult trifft auf topmoderne Knalleraction

Natürlich kann man „Top Gun: Maverick“ für seine dünne Story und kaum vorhandene Charaktertiefe/-entwicklung ordentlich abwatschen. Andererseits hält selbige erstaunlich gut im Film drin und transportiert Cast und Zuschauer mit hohem Tempo in Richtung Showdown. Alles eher zweckmäßig, aber für mich absolut rund und more catchy als im Vorgänger. Ich konnte erstaunlich gut in die Figuren eintauchen und fieberte dem großen Knall im Finale wirklich entgegen. Klar gab es ein paar Showstopper, ein paar unrunde Momente, ein paar echt überflüssige Charaktere, aber im Großen und Ganzen ist bereits der Weg zum Showdown ein klasse Film.

Und dann wird der Showdown gezündet. Irgendwann fliegt man gefühlt mit Maverick und Co. in Formation. Es kracht, es knallt, die G-Kräfte wirken irgendwie auch im Kinosaal und dank der Vibrationsstühle hinter mir fehlten eigentlich nur noch ein Steuerknüppel und ein paar Bomben im rückwärtigen Raum. Fette Bilder, tolle Musik, Geballer, Geschrei, nicht funktionierende Maschinen, die eigentlich funktionieren sollten, rasante Flugmanöver und ein Big Bang vom Allerfeinsten – zwar sichtlich aus dem Rechner, aber trotzdem krachledernes Spektakel mit Impact.

Am Ende ging ich mit einem fetten Grinsen aus dem Saal. Das Grinsen kehrte auch sofort beim Verfassen dieser Kritik zurück. Einfach weil sich bei „Top Gun: Maverick“ alles so rund anfühlt. Trotz der Fehler. Alt (Handlungsmuster, Stimmung, Dramaturgie) und Neu (Technik, Actiondichte, Bebilderung) finden hier trefflich zusammen. Der Mix überrundet in meiner Wahrnehmung den Vorgänger um mindestens sechs bis sieben G und ist für mich der beste Film der aktuellen Retro-Welle (also „Star Wars“, „Jurassic Park“, „Matrix“, „Scream“ und Co.). Mühelos. Und „Top Gun: Maverick“ ist ein Film für den Bauch. Der in meinem Fall auch noch gut durchvibriert wurde.

9 von 10

In diesem Sinne:
freeman


……


„Top Gun“ und „Top Gun: Maverick“ haben ähnliche Stärken und Schwächen

Mit seiner „Mission: Impossible“-Reihe ist Tom Cruise das vielleicht größte Franchise-Zugpferd im Stall von Paramount, weshalb das Studio wohl ohne mit der Wimper zu zucken zusagte, als der Star und Original-Produzent Jerry Bruckheimer („Die Journalistin“) mit „Top Gun: Maverick“ ein spätes Sequel zu ihrem Megahit von 1986 in die Welt setzen wollten.

Das Update von 2022 haut von Anfang an in die Nostalgiekerbe, wenn schon zu Beginn das geschäftige Treiben auf einem Flugzeugträger untermalt von der Kenny-Loggins-Hymne „Highway to the Danger Zone“ gezeigt wird, das Publikum bei Jetstarts und -landungen hautnah dabei sein kann, wie dereinst bei „Top Gun“. Danach bewegt die Handlung sich jedoch erstmal in andere Gefilde, denn Pete ‘Maverick‘ Mitchell (Tom Cruise) ist mittlerweile Testpilot für neue Ultraschallflieger, auch wenn Vorgesetzte wie Admiral Chester ‘Hammer‘ Cain (Ed Harris) solche Programme lieber abschaffen und komplett auf Drohnen setzen wollen. Mit einem waghalsigen Manöver rettet Maverick die Finanzierung des Projekts, indem er seinen fliegenden Untersatz auf Mach 10 prügelt, wird zum Dank aber aus dem Programm gekickt.

Damit macht Maverick seinem Rufnamen alle Ehre, was auch erklärt, warum er nach über 30 Jahren treuer Dienste für die Navy es nie weiter als bis zum Captain gebracht hat. Weil sein alter Kumpel und früherer Rivale Admiral Tom ‘Iceman‘ Kazansky (Val Kilmer) immer noch eine schützende Hand über das Fliegeras hält, wird der jedoch nicht gekündigt, sondern zurück zur „Top Gun“-Flugschule versetzt. Jedoch nicht als normaler Ausbilder: Binnen drei Wochen soll er Elitepiloten für eine Spezialmission ausbilden und auswählen, womit der Film durch seine Deadline und das klar definierte Endziel schon mal ein spannungsförderndes Element etabliert.

Zu den Kandidaten gehört auch Bradley ‘Rooster‘ Bradshaw (Miles Teller), der Sohn seines verstorbenen Kumpels Goose (siehe „Top Gun“). Dass sich Rooster und Maverick nicht verstehen, macht das Training nicht einfacher, obwohl Bradshaw junior einer der aussichtsreichsten Aspiranten ist…

httpv://www.youtube.com/watch?v=3hO–XhlsfU

„Top Gun: Maverick“ ist nicht nur ein spätes Sequel, sondern ein halbes Remake, das Szenen von damals in leicht geänderter Form zitiert bzw. nachstellt: Maverick kommt auf dem Motorrad an, während ein Jet startet, Bradshaw gibt am Klavier in der Fliegerkneipe „Great Balls of Fire“ zum Besten, am Strand wird mit nacktem Oberkörper und Sonnenbrille in Zeitlupe Sport getrieben, auch wenn es anstelle von Volleyball hier eine Football-Variante ist, die Maverick als Teambuilding-Maßnahme spielen lässt. Das Sequel, welches dem 2012 verstorbenen Original-Regisseur Tony Scott gewidmet ist, schmiert dem Publikum die Nostalgiebutter daumendick aufs Brot, immerhin ohne dauerironisches Augenzwinkern, aber auch ohne große Reflexion oder clevere Hintergedanken. Wenn Barbesitzerin Penny Benjamin (Jennifer Connelly) das erste Mal auftritt, läuft im Hintergrund „Let’s Dance“ von David Bowie aus „Die Reise ins Labyrinth“ – in dem Connelly eine ihrer ersten Hauptrollen spielte.

Top Gun: Maverick

Pete ‘Maverick’ Mitchell (Tom Cruise) ist auch als Ausbilder der Alptraum seiner Vorgesetzten

Insofern hat sich erzählerisch seit „Top Gun“ nicht viel getan. Die Handlung ist dünn, die meisten Nebenfiguren egal – über so gut wie alle Kandidaten für die Spezialmission erfährt man kaum mehr als ihren Rufnamen und selbst da läuft man oft Gefahr ihn direkt wieder zu vergessen. Die Ausnahme ist Jake ‘Hangman‘ Seresin (Glen Powell), der als arroganter Fatzke und Roosters großer Rivale ein 1:1-Wiedergänger von Iceman aus dem Original ist. Minimale Charakterzeichnung erfahren außerdem Pilotin Natasha ‘Phoenix‘ Trace (Monica Barbaro) und Co-Pilot Robert ‘Bob‘ Floyd (Lewis Pullman), wobei diese auch nicht über die Standards „Toughe Frau in einer Männerdomäne“ und „Schüchtern, aber verlässlich und kompetent“ hinauskommen. Iceman tritt einer Szene für eine Gastrolle auf, die zwar nostalgische Gefühle weckt, gleichzeitig aber etwas morbide wirkt, weil man die reale Kehlkopfkrebserkrankung von Val Kilmer mit ins Script einbaute, an dem mit Ehren Kruger („Scream 3“), Christopher McQuarrie („Jack Reacher“) und Eric Warren Singer („The International“) gleich drei profilierte Autoren mitschrieben.

Abseits des Flugfeldes ist also wenig los. Die Liebesgeschichte zwischen Maverick und sein Off-On-Flamme Penny ist vor allem dazu da, damit man nochmal so romantisch werden kann wie im Original, aber diese Subplot trägt ebenfalls herzlich wenig zur eigentlichen Geschichte bei. Maverick muss kaum noch reifen, halt noch ein bisschen in die Rolle als Ersatzvater für seine Schützlinge hereinwachsen und dabei vor allem seine Beziehung zu Rooster kitten. Aber auch dieser Handlungsstrang wird nie so wirklich zentral, Rooster ist nie eine gleichberechtigte Figur zu dem Titelhelden, obwohl er die größere Entwicklung durchmacht, indem er sein Trauma überkommt. Und in einer Parallele zum Original respektieren er und Hangman sich am Ende des Films so wie Maverick und Iceman am Ende des Erstlings.

Top Gun: Maverick

Mit Barbesitzerin Penny Benjamin (Jennifer Connelly) hat Maverick eine On-Off-Beziehung

Nun ist auch „Top Gun“ nicht als Meisterwerk in Sachen Erzählkunst und Figurenzeichnung in die Geschichte eingegangen, sondern als perfekter Zeitgeistfilm mit ordentlich Fliegeraction in Hochglanzbildern und knalligem Soundtrack. In dieser Beziehung steht „Top Gun: Maverick“ seinem Vorgänger dann auch in wenig nach. Auf die Ohren gibt es stimmig von Lady Gaga, Harold Faltermeyer und Hans Zimmer, allerdings hätte „Highway to the Danger Zone“ aus dem Original gerne mehr als nur einmal laufen dürfen. Die Actionszenen sind größtenteils handgemacht und werden von Regisseur Joseph Kosinski („Oblivion“) absolut schnittig inszeniert, außerdem gibt es erst regelmäßig waghalsige Übungsflüge und zum Schluss natürlich die richtige Mission in einem Schurkenstaat, der im Film auch immer nur als solcher bezeichnet wird und dessen verschneite Berge fast überall auf der Welt sein könnten. „Top Gun: Maverick“ will keine Risiken eingehen, weshalb Maverick in diesem chinesisch co-produzierten Film auch keine taiwanesischen und japanischen Flaggen mehr auf der Fliegerjacke trägt, sondern man diese durch Fantasiesymbole ersetzte.

Positiv wirkt sich dagegen der Perfektionismus von Hauptdarsteller und Produzent Tom Cruise auf den Film aus: Der Star lernte nicht nur Jetfliegen für den Film, keine der Cockpit- und Flugsequenzen durfte CGI benutzen, weshalb die Darsteller lernen mussten waghalsige Flugmanöver und starke G-Kräfte auszuhalten. Das sieht man der Action positiv an. Etwas unnötig vielleicht der letzte Schlenker des 130 Minuten langen Films, der noch eine (Selbst-)Rettungsmission an das eigentliche Finale antackern muss, was zwar für etwas mehr Action sorgt, aber dramaturgisch nicht ganz sauber ist, zumal Mavericks Fähigkeiten an diesem Punkt langsam am Superheldenstatus kratzen.

Top Gun: Maverick

Bradley ‘Rooster’ Bradshaw (Miles Teller) ist der Sohn von Mavericks verstorbenem Kumpel Goose, der in Papas Fußstapfen tritt

Am Superstarstatus von Tom Cruise („Mission: Impossible – Fallout“) kann man dagegen gar nicht kratzen und der Sunnyboy hat sich seit dem Erstling auch schauspielerisch verbessert, sodass er den Film als zentrale Figur problemlos tragen kann. Mit Miles Teller („Divergent“) und Jennifer Connelly („Alita: Battle Angel“) hat er starke Anspielpartner, die nicht übermäßig gefordert werden, aber gut mit ihm harmonieren. Ed Harris („Geostorm“) und Val Kilmer („Palo Alto“) sind nur für jeweils eine Szene dabei, mehr zu tun hat Jon Hamm („Baby Driver“) als Admiral, dem Mavericks Stunts gegen den Strich gehen. Glen Powell („The Expendables 3“), Monica Barbaro („The Cathedral“) und Lewis Pullman („The Strangers – Opfernacht“) verleihen ihren oberflächlich gezeichneten Charakteren so viel Profil wie möglich, haben letztendlich aber wenig zu vermelden.

„Top Gun: Maverick“ will nochmal Party machen als wäre es 1986, mit fast identischer Storyline und ähnlichen Stärken und Schwächen wie Scotts Original: Famose Flugszenen, eine perfekte Oberflächeninszenierung und ein toller Soundtrack sorgen für Laune, während die Geschichte 08/15 bleibt und die Figuren nicht allzu tief ausgelotet werden. Durch Cruise‘ Perfektionismus zieht die handgemachte Action vielleicht sogar noch etwas mehr in den Bann, dafür macht Maverick im Gegensatz zum Original keine große Entwicklung mehr durch. Im Guten wie im Schlechten ein Sequel (fast) auf Augenhöhe mit „Top Gun“.

Starke:

„Top Gun: Maverick“ wurde von Paramount am 26. Mai in die deutschen Kinos gebracht und ungekürzt ab 12 Jahren freigegeben.

© Nils Bothmann (McClane)

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Copyright aller Filmbilder/Label: Paramount__FSK Freigabe: ab 12__Geschnitten: Nein__Blu Ray/DVD: Nein/Nein, ab 26.5.2022 in den deutschen Kinos

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