Unter der Regie von Patrick Hughes spielen Woody Harrelson und Kevin Hart in „The Man from Toronto“ ein Buddy-Duo wider Willen. Als der Normalo Teddy aufgrund einer Verwechslung für den titelgebenden Unterwelt-Verhörspezialisten gehalten wird, will das FBI ihn als verdeckten Ermittler einsetzen, um an einen gesuchten Verbrecher zu kommen. Das ruft jedoch den echten Mann aus Toronto auf den Plan.
Originaltitel: The Man from Toronto__Herstellungsland: USA__Erscheinungsjahr: 2022__Regie: Patrick Hughes__Darsteller: Kevin Hart, Woody Harrelson, Jasmine Mathews, Ellen Barkin, Kaley Cuoco, Pierson Fode, Jencarlos Canela, Ronnie Rowe, Alejandro De Hoyos, Lela Loren, Rob Archer, Kate Drummond, Jason MacDonald, Tomohisa Yamashita, Oleg Taktarov u.a. |
„The Man from Toronto“ hat eine bewegte Produktionsgeschichte hinter sich: Ursprünglich war das Kevin-Hart-Vehikel als Kinofilm geplant, in dem Actionstar Jason Staham („Cash Truck“) Anspielpartner des Comedians sein sollte. Statham stieg jedoch wegen Unstimmigkeiten über Freigabe und Ton des Films kurz vor Drehstart aus, das Ergebnis wurde lange Zeit als Kinorelease geführt, dann aber kurzfristig an Netflix abgetreten.
Der titelgebende Mann aus Toronto wird nun also von Woody Harrelson gespielt, der im Auftreten an Statham erinnert, die Rolle aber doch auf eigene Weise interpretiert. Die Titelfigur ist ein Folterspezialist, dessen pure Erwähnung schon Leute dazu bringen kann ihre Geheimnisse auszuplaudern. Aktuell wird er von seiner Auftraggeberin (Ellen Barkin) für einen megaguten Deal gebucht: Er soll aus zwei Knilchen wichtige Informationen herauspressen, welche Colonel Marin (Alejando de Hoyos) benötigt – der wiederum vom FBI gesucht wird.
Derweil plant Loser und Möchtegern-Fitness-Influencer Teddy (Kevin Hart) einen romantischen Kurzurlaub mit seiner besseren Hälfte Lori (Jasmine Matthews) in genau jenem Blockhüttenressort, in dem auch der erste Job des Mannes aus Toronto steigen soll. Da niemand dessen Aussehen kennt, ist für eine Verwechslung Tür und Tor geöffnet, als Teddy wegen eines fehlerhaften Ausdrucks die Nummer seiner Hütte nicht richtig lesen kann und am Treffpunkt der Gangster aufkreuzt und für den Verhörspezialisten gehalten wird. Dort kriegt er mittels Improvisation die benötigte Info aus einem armen Knilch herausgepresst, doch schon kurz darauf wird er vom FBI hopsgenommen.
Teddys wahre Identität steht zwar bald fest, doch dummerweise halten Marin und seine Leute ihn nur für den berühmten Folterer, weshalb er die Rolle weiterspielen soll, um das FBI zu Marin zu führen. Allerdings schaltet sich auch der richtige „Man from Toronto“ ein, der möchte, dass Teddy den Job zu Ende bringt, da er fleißig abkassieren will…
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Kevin Hart als nichtsnutzige Labertasche an der Seite eines knallharten Actionkerls in einem Buddy Movie – die Formel ist als früheren Vehikeln des Komikers bekannt, man denke an „Ride Along“ oder „Central Intelligence“. Hier wurde das Rezept nur geringfügig variiert, wobei man Patrick Hughes auf den Regiestuhl verfrachtete, der mit „The Hitman’s Bodyguard“ und dessen Sequel ähnliches Action-Comedy-Terrain zur Genüge beackerte. Der lässt es weniger heftig und kaltschnäuzig als in den besagten Werken angehen, geht aber doch etwas deftiger zu Werke als in einem gewöhnlichen Kevin-Hart-Film, wenn der Mann aus Toronto Leute umlegt oder Teddy bei einer improvisierten Foltereinlage das Auge seines Opfers mehr oder weniger aussticht. Das sorgt allerdings für einen unausgegorenen Ton irgendwo zwischen politisch inkorrektem Metzelspaß und Kevin-Hart-Klamauk fürs breite Publikum, der aber bei weitem nicht das einzige Problem des Films ist.
Schon allein die Buddy-Konstruktion steht auf komplett wackligen Füßen, sodass man den beiden Protagonisten nicht abnimmt, dass die Verbündete, geschweige denn Freunde werden. Den beiden fehlt der kleinste gemeinsame Nenner, so sehr das Drehbuch von Robbie Fox („Kiss the Coach“) und Chris Bremner („Bad Boys for Life“) ihn auch beim Aufeinandertreffen von kriminellem Profi und hyperaktivem Zivilisten sucht. Besonders abstrus wird es, wenn der Mann aus Toronto, vom dem man zu diesem Zeitpunkt weiß, dass er eigentlich Randy heißt, gesteht, dass er nie jemandem umgebracht habe – was Quatsch ist, denn zu diesem Zeitpunkt hat er bereits im Film mehrere Leute über den Jordan geschickt. Und aus der Eingangsszene weiß das Publikum zwar, dass er bei Verhören aufgrund seiner Reputation niemanden durch die Mangel drehen muss, aber auch, dass seine Auftraggeber wenig Skrupel bei der Entsorgung von nicht mehr benötigtem Befragungsmaterial haben, sodass dieser Versuch einer vollkommenen Reinwaschung einfach nur hilflos wirkt.
Dass man Randy a.k.a. The Man from Toronto dennoch nicht für abstoßend hält, liegt nicht nur daran, dass er mit viel größeren Arschgeigen kontrastiert wird, sondern auch daran, dass Woody Harrelson ihn mit seinem ganz eigenen Charme spielt. Natürlich ist er eine andere Art von Killer als es Jason Statham gewesen wäre, das Unkontrollierte seiner Schurkenrollen als „Natural Born Killers“ und „Venom: Let There Be Carnage“ schwingt mit, während Statham durch und durch eiskalter Profi gewesen wäre. Aber Harrelson punktet wesentlich mehr als Kevin Hart („Jumanji: The Next Level“), dessen Masche als keifender Depp in Teufels Küche mittlerweile mächtig ausgelutscht ist und die er noch nicht einmal mit Elan spielt. Jasmine Matthews („The Tomorror War“) sowie Kaley Cuoco („Big Bang Theory“) als deren beste Freundin bleiben blasse Randnotizen, während Ellen Barkin („Twelve“) noch kleinere Akzente als Auftraggeberin zu setzen weiß. Der Rest vom Fest bleibt blass, was gerade bei der Schurkenriege ein großes Ärgernis ist – dabei hätte dieser Film dringend starke Antagonisten nötig.
So kalauert sich „The Man from Toronto“ durch viel zu lange 110 Minuten „fish out of water“- und Verwechslungskomödie, deren Handlung bald vollkommen egal ist und zunehmend in den Hintergrund tritt. Nie wird die Fallhöhe bei der Jagd nach dem gesuchten Verbrecher klar, die zu erfolternden Informationen sind nur ein MacGuffin und manche Nebenfigur, darunter Lori oder die FBI-Agenten, kommt und geht beliebig in dem platten Drehbuch. Dafür, dass „The Man from Toronto“ bis rund zwei Monate vor seinem Streamingrelease noch als (Mid-Budget-)Kinofilm geplant war, sehen viele der Tricks ausgesprochen dürftig aus – gerade die Explosion eines Flugzeugs ist erschreckend schlecht getrickst. Von Hughes‘ früherem Hauptarbeitgeber Millennium Films ist man das zwar gewohnt, „The Man from Toronto“ ist aber eine Sony-Produktion.
Hinzu kommt, dass die Montage mancher Actionsequenz etwas unübersichtlich ausfällt. Doch die Stunt- und Fight-Crew rund um Alan D’Antoni („Fantasy Island“), Dan Iaboni („Nobody“) und Micah Karns („Terminator: Dark Fate“) leistet gelungene Arbeit. Für das erwähnte Trio ist zwar die erste Arbeit an einem Film dieser Größe in leitender Funktion, aber sie haben bei kleineren Produktionen schon Verantwortung übernommen und/oder an Großprojekten als Stuntmen mitgewirkt. Im Finale gibt es die (im Actionkino derzeit fast obligatorische) One-Take-Sequenz, in der sich das ungleiche Duo mit gleich mehreren von Randys früheren Kollegen fetzt, was mit ordentlich Schmiss umgesetzt ist und das Actionhighlight des Films darstellt. Davor ist die eine oder andere Fäustelei und Ballerei zu überstehen, was alles als solide Hausmannskost durchgeht, doch so wirklich memorabel ist keine der vorigen Actionszenen.
Insgesamt betont diese Actionkomödie jedoch eher zweiteres Genre in ihrem Namen, das aber auf abgestandene Weise. Kevin Harts Standardnummer hat sich, wie bereits erwähnt, totgelaufen und produziert noch am ehesten zu Filmbeginn einen Schmunzler, wenn man in einer Videomontage eine Potpourri schiefgegangener Ideen des Möchtegern-Entrepreneurs sieht. Den einen oder anderen amüsanten Moment gibt es, wenn Teddy Panik schiebt, dass der FBI-Agent, der seine Holde ablenken soll, zu gut aussieht, ansonsten gibt es viele müde Klamauk- und Slapstickeinlagen der grobstolligen Sorte, die manchmal auch ins Gross-Out-Metier abdriften, etwa wenn Teddy ein Opfer bei einer Folternummer vollkotzt.
So kann man „The Man from Toronto“ handwerkliche Kompetenzen attestieren, die in den meist kurzen Actionszenen zum Tragen kommen, wenngleich nur der Showdown mal so richtig auf die Pauke haut. Woody Harrelson ist eine Bank, hin und wieder kann man mal schmunzeln, aber sonst ist der Actionklamauk ein unkreatives Starvehikel, das Versatzstücke früherer Kevin-Hart-Filme uninspiriert neu aufkocht, selten witzig ist und vor allem kaum Chemie zwischen seinen Protagonisten aufkommen lässt. Noch egaler und vergessenswerter als der ähnlich gelagerte „Red Notice“, der immerhin schon im Planungsstadium vom Kinorelease zu Netflix wanderte.
Knappe:
„The Man from Toronto“ feierte seine Streamingpremiere am 24. Juni bei Netflix und ist aktuell nur dort zu sehen. Deshalb wurde er auch nicht von der FSK geprüft; Netflix empfiehlt ihn ab 12 Jahren.
© Nils Bothmann (McClane)
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