Originaltitel: Meridian__Herstellungsland: Rumänien / USA__Erscheinungsjahr: 1990__Regie: Charles Band__Darsteller: Sherilyn Fenn, Malcolm Jamieson, Charlie Spradling, Hilary Mason, Phil Fondacaro, Vernon Dobtcheff, Alex Daniels, Vito Passeri, Angelo de Bianchi, Salem Badr, Walter Colombaioni, Nashira u.a. |
Die kleine Ortschaft Giove in der mittelitalienischen Region Umbrien ist so etwas wie Charles Bands persönliches Castle Rock. Wann immer er seinen Vollmond mal wieder im Lichte gotischer Romantik leuchten lassen wollte, begab er sich einfach in das verschlafene 1500-Seelen-Nest, in dessen Herz praktischerweise auch eine Burg zur Verfügung stand, die er als barocke Kulisse sehr zu schätzen wusste; nicht erst in „Castle Freak“ von 1995 oder in „The Pit and the Pendulum“ von 1991, sondern bereits 1990, als er mit „Twin Peaks“-Star Sherilyn Fenn in der Hauptrolle das Logo seiner eigenen Produktionsfirma auf eine besonders schmusekuschelige Art interpretierte.
„Meridian“ beginnt aber nicht im „Castello di Giove“, sondern im anliegenden „Park der Ungeheuer“, einer Touristenattraktion, deren Nebeneinander aus bewaldeten Flächen und monumentalen Skulpturen fast ein wenig an die Sagenwelten der griechischen Antike erinnert. Schon wenn die Gauklertruppe um die Zauberer-Zwillinge Lawrence und Oliver (Malcolm Jamieson in einer Doppelrolle) mitten in der Nacht bei magischem Flutlicht durch den Orcusrachen spazieren wie durch ein Dimensionsportal, weiß man, dass Band solche Kulissen niemals selbst hätte errichten lassen können für so einen kleinen Film. Er zehrt spürbar von der Lebenskraft der Drehorte, die in manchen Einstellungen wahrhaft magisch wirken, und er tut gut daran, diese Orte nicht zu leugnen, so wie es zum Beispiel Rumänien in „Dark Angel“ ergangen ist. Um sich auf den nächsten Italien-Urlaub einzustimmen, könnte man kaum besseres Anschauungsmaterial finden.
Entsprechend reizvoll ist „Meridian“ deswegen von seiner optischen Seite. Die Vorzüge der Schauplätze werden bei allen Tageszeiten mit durchaus professionellem Auge eingefangen, wenn auch immer mit einer gewissen Tendenz zum Kitsch. Dennoch: Ob die Schausteller bei Tage auf der Bühne für die Handvoll Bewohner der Gemeinde Kunststücke aufführen oder des Abends bei schummrigem Fackelschein in der Burg den Rittertafeln aus dem Mittelalter nacheifern, gerade die erste Filmhälfte ist gefüllt mit gemütlich wirkenden, maximal heimeligen Gesellschaftsereignissen. Zusätzlich an Attraktivität gewinnt das Beisammensein durch die Gesellschaft selbst: Sherilyn Fenn in der Blüte ihres Lebens ist natürlich der Blickfang des Films, Charlie Spradling wiederum sorgt als ihre Freundin dafür, dass die Blicke des Zuschauers hin und wieder auch mal ein wenig zwischen den Punkten pendeln.
So viel Eyecandy, da sollte doch der Kontrast zum Monströsen eine entsprechende Wirkung zeigen. Wo die Schönheit strahlt, da ist das Hässliche eben auch nicht fern; auf dieser Logik basiert der unumgängliche Vergleichswert „Die Schöne und das Biest“, den Charles Band in der Konzeptionsphase ohne jeden Zweifel im Kopf gehabt haben muss. In einer Mischung aus billig-charmanten Überblendungseffekten auf Höhe der Spezialeffekte von „Der Wolfsmensch“ (1941) bis hin zu den ambitionierteren Tricks nach Vorbild von „American Werewolf in London“ (1981) wird der Monster-Mann qualitativ doch mit recht unterschiedlichem Ergebnis zum Leben erweckt, wobei die finale Maske von Alex Daniels als Biest gemessen am Budget sogar recht ansehnlich geworden ist.
Die stets traumartigen Begleiterscheinungen seiner Auftritte lassen ihn aber nie bedrohlich wirken. In dieser Kategorie strahlte sogar ein Tollpatsch wie Samson aus der Sesamstraße mehr Bedrohliches aus, musste man bei ihm doch zumindest stets damit rechnen, dass er sich aus Versehen auf seine Freunde setzte und sie mit seinem schieren Gewicht zermalmte. Eher Mitleid erregt nun das Antlitz des Wer-Wölfchens. Das Böse blitzt höchstens mal in den Visagen der animalischen Begleiter auf (darunter einmal mehr Phil Fondacaro als frecher Giftzwerg), ultimativ dann im Gesicht des bösen Zwillings, den Malcolm Jamieson aber ähnlich ausdruckslos darstellt wie den guten Zwilling, was den Clou um den doppelten Magier trocken verpuffen lässt. Schauspielerisch hervorzuheben ist wiederum Hilary Mason, die als gutherzige Ziehmutter der jungen Schlosserbin durchaus Eindruck hinterlässt.
Sobald man sich aus der traumwandlerischen Stimmung löst und darauf konzentriert, was das Drehbuch da eigentlich fabriziert, ist der Zauber natürlich endgültig dahin. Der arme Drehbuchautor Dennis Paoli bekommt da von seinem Boss Märchen-Konventionen auf den Schreibtisch geworfen, die der irgendwo mal mit halbem Ohr mitbekommen hat, und Paoli muss die Einzelteile nun irgendwie zusammenkleben. Im besten Fall führt das zu Erdrutschen der Logik (bei so mancher Enthüllung muss man sich dann schon fragen, wie gewisse Sequenzen dann vorher überhaupt möglich gewesen sind), im schlimmsten Fall sogar zu fragwürdigen Umkehrungen der Romantik, wenn etwa eine Vergewaltigung am nächsten Morgen so lapidar abgetan wird wie ein Kater, den man sich selbst zugefügt hat.
Interessant hingegen wird es immer, wenn durch die italienischen Nebendarsteller ein wenig regionale Kultur in die Handlung einfließt. Es gibt in dem Zusammenhang auch einige Passagen auf Italienisch (die im Deutschen leider mit synchronisiert wurden). Zumeist geht es dann um Aberglauben und alte Mythen, durchaus elegant visualisiert durch die symbolträchtigen Requisiten, insbesondere einer der Aufhänger des Films, ein gerahmtes Bild, hinter dem ein weiteres Bild verborgen ist. Nicht nur dient diese Thematik als Einführung für Charlie Spradling, die eine Restauratorin spielt, sie dient ferner dem Übernatürlichen, das hinter dem Natürlichen lauert, als geschmackvolle Metapher.
Klar ist: Man sollte die Einladung des Films unbedingt annehmen und sich von den Sinneseindrücken benebeln lassen. Bloß über nichts weiter nachdenken, denn sonst geht das hier ziemlich in die Hose. „Meridian“ hat seine Stärken klar in der charismatischen Location und den manchmal erstaunlich stimmungsvoll eingefangenen Impressionen davon. Horror und Monsteraction, Blut und Gekröse werden fast null geboten, auf die kitschigen Höhepunkte mit Liebesbekundungen und deren Verknüpfung mit der Ewigkeit hätte man auch gerne verzichten können. Nicht jedoch auf die ein, zwei geschmackvoll arrangierten erotischen Eskapaden, denn sie sind das Salz in einer kräftig mediterranen Suppe, über deren Zutaten man eben besser nicht zu viel in Erfahrung bringen sollte.
Informationen zur Veröffentlichung von “Meridian”
Full Moon Classic Selection Nr. 18
Als „Meridian“ in unseren Breitengraden erstmals auf DVD erschien, schrieben wir das Jahr 2010. Die Twilight-Reihe war gerade in aller Munde. Leider sieht man das auch dem grauenvollen Cover-Artwork der Scheibe aus dem Hause Voulez Vous / Intergroove an. Das auf modern getrimmte Photoshopverbrechen mit Werwolfposen aus dem Zufallsgenerator dürfte im Supermarktregal wohl ein unbeachtetes Dasein gefristet haben. Von der im Film enthaltenen Gothic-Atmosphäre ist darauf jedenfalls nichts zu sehen. ’84 Entertainment machten mit der Neuauflage zwei Jahre später zumindest diesen Punkt vergessen, indem sie das originale VHS-Cover wiederverwendeten, inhaltlich blieb es aber bei der gleichen Disc; das falsche 1,33:1-Vollbild der Erstauflage konnte also nicht ausgebügelt werden.
Aber dafür gibt es ja jetzt die „Full Moon Classic Selection“. In dieser Reihe erscheint Full Moons Geschenk an die sinnlichen Romantiker als Blu-ray bei uns erstmals im restaurierten 1,78:1-Format. Die Veröffentlichung von Wicked Vision folgt damit also der bereits 2017 erschienenen britischen Blu-ray von 2017.
Abgesehen davon, dass sich die wunderschönen italienischen Drehorte nun über die volle Fläche des heimischen Breitbildfernsehers erstrecken können, ist das Bild nicht ganz frei von Makeln. In den vielen nächtlichen Sequenzen werden Details verschluckt, bei den hellen Tageslichtaufnahmen außerhalb des Schlosses blitzen permanent Schmutzpartikel und Laufstreifen auf. Was hätte man auch anderes bei einer an Prestige armen Billigproduktion erwartet. Auch die Farben wirken nicht immer natürlich, sie tendieren etwa bei der Haut ganz dezent ins Pink-Orangene und bei den Hintergründen ins Bläuliche, was allerdings auch alles viel mit den sparsamen Beleuchtungsquellen zu tun hat. Dennoch kommt die spezielle Stimmung durch die solide Schärfe wunderbar zum Tragen; in jedem Fall sieht „Meridian“ wesentlich filmischer aus als etwa die rumänische Dämonen-Mär „Dark Angel“, die kurze Zeit später veröffentlicht wurde.
Als Tonspuren werden Deutsch und Englisch jeweils in DTS-HD Master Audio Stereoton angeboten; eine dritte Tonspur mit einem Audiokommentar sucht man diesmal vergeblich. Die synchronisierte Variante wirkt bei Musik und Hintergrundgeräuschen ein wenig dumpfer als der sehr frische Originalton, der aber wiederum mit einem etwas deutlicheren Grundrauschen zu kämpfen hat. Die Abmischung ist in beiden Fällen recht dialogbetont, allerdings weiß auch die Musik ihre Akzente zu setzen. Wie schon in der Kritik zum Hauptfilm angeklungen ist, wurden auch die italienischen Passagen komplett synchronisiert; an jenen Stellen befinden sich feste englische Untertitel im Bild. Dynamische Untertitel zum Ein- und Ausschalten werden aber ebenfalls in beiden Sprachen angeboten.
Die Extras wurden weitestgehend seit der DVD-Ersterscheinung über alle Veröffentlichungen hinweg mitgeschliffen. Zu sehen gibt es den Originaltrailer, bei dem am Ende übrigens der Alternativtitel „The Ravaging“ eingeblendet wird, sowie das Making Of aus der bekannten „Videozone“-Reihe, das diesmal allerdings mit rund fünf Minuten recht kurz ausgefallen ist. Hauptdarstellerin Sherilyn Fenn ist hier ebenso wie Regisseur Charles Band in kurzen Interview-Schnipseln zu sehen. Wie alle Videozone-Featurettes verfolgt natürlich auch diese hauptsächlich Werbezwecke, ist mit dem gebührenden Abstand von 32 Jahren aber dann als filmhistorisches Artefakt doch wieder recht interessant. Als Alleinstellungsmerkmal hat sich diese Edition noch ein knapp zweiminütiges Vorwort des aktuellen Charles Band gesichert, das vor dem Menüeinsprung mitsamt deutscher Untertitel eingeblendet wird. Der Full-Moon-Chef teilt darin ein paar Hintergründe über die Drehorte und er erläutert, weshalb man sich damals dazu entschied, ein Gothic-Märchen zu verfilmen.
Als Verpackung dient wie immer ein breites Keep Case. Als Artwork wurde selbstverständlich wieder das Originalmotiv verwendet. Um der Reihe ein einheitliches Bild zu geben, ist es gemeinsam mit der Tagline „Zwischen Lust und Tod gibt es etwas Grauenvolles“ in einen silbernen Rahmen gefasst, der Titel „Charles Bands Meridian“ steht außerhalb des Rahmens im oberen Fünftel der Front. Dank Wendecover ist das Originalmotiv in voller Pracht aber auf der Innenseite zu finden, diesmal unter dem Titel „Der Kuss der Bestie“ in roten Großbuchstaben mit weißem Rand. Das FSK16-Freigabelogo ist lediglich auf der Blu-ray abgedruckt und weder auf der Vorder- noch auf der Rückseite des Sleeves zu sehen.
Obwohl also nach Wicked-Vision-Maßstäben nicht viel mehr als das Minimalprogramm geboten wird, stimmen einmal mehr alle wesentlichen Punkte… und dank der exklusiven Einführung von Charles Band darf man sogar von ihr behaupten, die britische Blu-ray in Sachen Extras knapp geschlagen zu haben. Innerhalb der nun doch recht stattlichen Sammlerreihe gibt es allerdings besser ausgestattete Discs… und womöglich auch den ein oder anderen besseren Film.
Sascha Ganser (Vince)
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