Originaltitel: Fringe__Herstellungsland: USA/Kanada__Erscheinungsjahr: 2008-2013__Creators: J.J. Abrams, Alex Kurtzman, Roberto Orci__Regie: Joe Chapelle, Brad Anderson, Chuck Russell, Akiva Goldsman, Jeannot Swarcz u.a.__Darsteller: Anna Torv, Joshua Jackson, John Noble, Jasika Nicole, Lance Reddick, Blair Brown, Michael Cerveris, Kirk Acevedo, Seth Gabel, Ryan McDonald, Mark Valley, Michael Kopsa, Leonard Nimoy, Ari Graynor, Jared Harris, Kevin Corrigan, JR Bourne, William Sadler, Trini Alvarado, Betty Gilpin, Nestor Serrano, Hoon Lee, Peter Weller, Luke Goss, Clint Howard, Brad Dourif u.a. |
Mit „Alias“ und „Lost“ hatte J.J. Abrams zwei Hitserien geschaffen, mit „Mission: Impossible 3“ im Kino Fuß gefasst und im Anschluss konnte er mit „Fringe“ einen weiteren Erfolg verbuchen, der es auf immerhin fünf Staffeln brachte.
Kreiert wurde die Serie allerdings von Alex Kurtzman („Die Mumie“) und Roberto Orci („Transformers“), denen Abrams hier unter die Arme griff. Es geht um die Fringe-Division des FBI, zu der die Agentin Olivia Dunham (Anna Torv) stößt. Da ein unerklärtes Massensterben an Bord eines Flugzeugs nur mit Hilfe des brillanten, aber in der Klapse sitzenden Wissenschaftlers Walter Bishop (John Noble) aufgeklärt werden kann, macht sie dessen Sohn Peter (Joshua Jackson) ausfindig, da nur der ihn auslösen kann – obwohl er sich von seinem Vater entfremdet hat. Zusammen mit der Agentin und Laborassistentin Astrid Farnsworth (Jasika Nicole) und unter der Leitung des Chefs Phillip Broyles (Lance Reddick) löst das ungleiche Trio von da an Fälle, die immer wieder über die bekannte Welt hinausgehen.
In der ersten Staffel funktioniert dies dann weitestgehend noch nach einem Fall-der-Woche-Schema, auch wenn die Season schließlich doch alles auf einen Punkt und einen Gegner zusammenlaufen lässt, doch in den Folgestaffeln erzählt „Fringe“ deutlich geschlossener und episodenübergreifender – teilweise auch mit fiesen Cliffhangern zwischen den einzelnen Staffeln. Hauptaugenmerk liegt bei all den wissenschaftlichen Phänomenen vor allem auf einem Paralleluniversum, das einer unterschiedlichen Zeitlinie folgt, da einzelne Figuren hier andere Entscheidungen trafen als die in „unserem“ Universum, später noch weiter kompliziert durch eine alternative Zeitlinie in „unserer“ Zeit sowie Zeitreisen. Es ist erfreulich, dass „Fringe“ trotz all dieser Komplexitäten den Zuschauer noch den Überblick über das Geschehen behalten lässt, wobei die visuelle Gestaltung des Vorspanns eine clevere Hilfe ist: Unterschiedliche Farbgebungen und Logo-Designs erklären, in welchem Universum oder welchen Universen und zu welcher Zeit die Geschichte der aktuellen Episode spielen wird.
Trailer: Ein kurzer Einblick in Staffel 2 von “Fringe”
Natürlich knarzt da hin und wieder ein wenig die Logik im Gebälk, doch insgesamt erzählt „Fringe“ eine erfreulich kohärente Geschichte, die sich auch um komplexere Figuren bemüht: Wenn Personen aus den Paralleluniversen erst gegen-, später miteinander arbeiten, dann bricht das mit klassischen Gut-Böse-Schemata, vor allem, wenn die Konfrontation mit dem anderen Ich Einsichten über den jeweiligen Charakter selbst zutage fördert. Neben offiziellen Behörden beider Universen mischen auch Terroristen, Verschwörer und weitere Interessengruppen mit sowie eine als Observer bezeichnete Gruppe zeitreisender grauer Herren, welche den jeweiligen Zeitverlauf in jedem Universum „korrekt“ halten wollen. Genau dies ist allerdings auch einer der großen Schwachpunkte von „Fringe“: Wenn die Observer (zumindest zum Großteil) in der dystopischen fünften Staffel zu Feinden erklärt werden und bekämpft werden müssen, so irritiert zum einen der Ausbruch aus dem bekannten Gegenwartsszenario mit den klaren Behördenstrukturen hin zu einem Sci-Fi-Setting, in dem die Helden als Untergrundkämpfer agieren. Zum anderen allerdings werden die Fähigkeiten der Observer vom Drehbuch so gebogen, wie es gerade sein muss, wodurch der Motor stottert: Mal überwichtig und allwissend, mal leichte Beute für die tapferen Recken, das funktioniert einfach nicht.
Es ist schade, dass sich „Fringe“ in seiner letzten (zum Glück kürzeren) Staffel etwas in die Nesseln setzt, dann ansonsten beweist die Serie Charme und Format. Abseits von den überspannenden, komplexen Verschwörungs- und Wissenschaftsplots, bei denen meist am Ende nicht mehr und nicht weniger als das Schicksal der uns bekannten Welt auf dem Spiel steht, wissen auch die jeweiligen Einzelfälle, egal ob Teil des großen Ganzen oder isolierte Verbrechen ungewöhnlicher Natur, zu gefallen. Meist spannend in Szene gesetzt fesseln sie als klassische Kriminalfälle mit ungewöhnlichen Ereignissen (Mutationen, Zeitreisen und dergleichen) sorgen sie für Rätselraten bei Zuschauern wie bei den Figuren, werden nachvollziehbar aufgelöst und selten durch den deus ex machina. Zumal die recht hohen production values nicht nur für vereinzelte Actionszenen in Form von Schusswechseln, Verfolgungsjagden und Nahkämpfen sorgen, sondern auch für prachtvolle Sets und stimmig designte Locations, in denen man Zeugen befragt, gegen unbekannte Viren kämpft oder serienmordenden Übelwichten hinterher spürt.
Mehr noch als die Fälle fesseln aber die zwischenmenschlichen Subplots: Das gestörte Vater-Sohn-Verhältnis zwischen Walter und Peter, das erst und nach gekittet werden kann, Traumata in der Vergangenheit aller Beteiligter, welche „Fringe“ erfreulich behutsam in ruhigen Szenen zwischen den Krimiparts thematisiert, eine langsame Annäherung der Kollegen Olivia und Peter. Oft sind diese Subplots verbunden mit den Story-Arcs der Serie und der einzelnen Staffeln, mal durchaus abzusehen (etwa was mit Peter im Kindesalter geschehen sein muss), doch dank der facettenreichen Figuren immer interessant. Es ist schade, dass manche Subplots im Ansatz wieder fallengelassen werden, etwa Übelwichte aus Peters Vergangenheit als Betrüger oder der Flirt zwischen Peter und Olivias Schwester Rachel (Ari Graynor), der schließlich zugunsten des Olivia-Peter-Paares mehr oder minder abrupt aus der Handlung entfernt wird, da diese Brüche auffallen, gerade wenn man die Staffeln nicht wöchentlich im Fernsehen, sondern in konzentrierter Dosis schaut. Erfreulich dagegen ist der humorvolle Ton, der sich vor allem aus Walters Kauzigkeit und seinen leicht irren Manierismen ergibt, aber auch aus den sarkastischen Sprüchen Peters: Er gibt der Konstruiertheit und der Abgehobenheit eine ironische Note, erdet die Serie bei allen Absurditäten und aller (pseudo)wissenschaftlichen Spekulation wieder.
Dass „Fringe“ nicht irgendwann redundant wirkt mit seinen neuen Universen und aus dem Hut gezauberten Gegnern, das liegt auch an den Darstellern, ohne welche die Charaktere nicht so trefflich funktionieren würden. Anna Torv („Stephanie – Das Böse in dir“) als toughe Frau überzeugt auf ganzer Linie, trotz oder gerade wegen ihrer etwas distanziert agierenden, erst nach und nach auftauenden Rolle. Daneben hat Joshua Jackson („Lady Vegas“) als abgeklärter Sprücheklopfer den dankbareren, aber auch einfacheren Part, während John Nobles („Running Scared“) Leistung ganz großes Tennis ist – zumal er, wie diverse andere Castmitglieder, seinen Charakter auch in mehreren Zeitebenen, Universen und geistigen Verfassungen darstellen muss.
Tollen Support liefern Lance Reddick („John Wick“), Jasika Nicole („Zu scharf, um wahr zu sein“) und Blair Brown („Zwei wie Katz und Maus“) als Ergänzungen des Maincasts, von den wiederkehrenden Nebendarstellern können vor allem Seth Gabel („Take Me Home Tonight“), Kirk Acevedo („Planet der Affen: Revolution“), Ari Graynor („Date Night“) und Kevin Corrigan („Urge“) Akzente setzen. In den ersten Staffeln ist Mark Valley teilweise präsent, außerdem hat Trek-Urgestein Leonard Nimoy („Star Trek: Into Darkness“) eine wiederkehrende Nebenrolle. Hinzu kommen Auftritte von bekannteren Leuten und Gesichtern in einzelnen Folgen, darunter Peter Weller („Skin Trade“), Reddicks „The Wire“-Kollege Andre Royo („Prospect“), William Sadler („Stirb langsam 2“), Luke Goss („The Hard Way“), Trini Alvarado („The Frighteners“) und Brad Dourif („Final Judgement“).
Wer mit einer schwachen fünften Staffel, gelegentlicher Redundanz und einigen unschön abgebrochenen Subplots leben kann, der erhält mit „Fringe“ kurzweilige, spannende und atmosphärisch dicht inszenierte Mystery-Kost mit facettenreichen Charakteren und einem willkommenen Ausbruch aus klassischen Gut-Böse-Schemata – egal, wie weit man den wissenschaftlichen Spekulationen folgen oder sie anzweifeln will.
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„Rückkehr“ mit Luke Goss
In der Folge „A New Day in the Old Town“ (Season 2, Episode 1), in Deutschland „Rückkehr“ genannt, hat Luke Goss („Paydirt“) eine kleine Gastrolle. Seine Figur wird gleich zu Beginn Opfer eines Gestaltwandlers aus der Parallelwelt, doch der Schurke rennt noch eine Weile mit dem Gesicht des Zivilisten, der Lloyd Parr heißt herum, ehe er im letzten Drittel erneut das Aussehen wechselt. In der Folge kehrt außerdem Olivia aus der Paralleldimension zurück und entpuppt sich als Zielperson der Gestaltwandler, die im Auftrag der Gegenseite arbeiten. Das Ganze ist eine typische Auftaktepisode, die sich schwer allein betrachten lässt, denn ihre Aufgabe bestellt vor allem darin Konflikte für den Rest der Staffel vorzubereiten und neue Elemente wie die besagten Gestaltwandler einzuführen. Von einer liebgewonnenen Figur muss man in dieser Episode leider Abschied nehmen, die Beziehung zwischen Olivia und Peter wird vertieft. „A New Day in the Old Town“ leistet gelungene Vorarbeit, kann aber kaum für sich bewertet werden, da sie einfach der Stein des Anstoßes für eine große Story ist.
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„Die weiße Tulpe“ mit Peter Weller
Ebenfalls in Staffel 2 gibt es eine Folge, in der „RoboCop“-Star Peter Weller den Antagonisten gibt. Dabei handelt es sich um „White Tulip“ (Season 2, Episode 18). Auf der deutschen DVD der zweiten Staffel ist „Die weiße Tulpe“ allerdings Folge 17, da man Episode 11 („Unearthed“ bzw. „Besessen“) aus der Chronologie der Staffel heraustrennte und als Bonusfolge einordnete. Weller spielt Alistair Peck, der sich zu Beginn der Folge aus dem Nichts materialisiert und dabei zwölf Passagiere in einem Bahnwagon tötet. Später stellt sich heraus, dass der brillante Wissenschaftler einen Weg gefunden hat, um durch die Zeit zu reisen, bei seiner Ankunft jedoch alle Energie in der Umgebung aufsaugt und dadurch die Tode verursacht. Die Episode baut Peck als tragische Figur auf, die ein Unglück in der Vergangenheit verhindern und eigentlich niemanden umbringen möchte, womit er auch zum Spiegelbild von Walter wird. Mit Walter, der ebenfalls ins Raum-Zeit-Kontinuum eingegriffen hat, führt Peck auch eine Unterredung, ehe die Episode die Geschichte des zeitreisenden Wissenschaftlers zu einem konsequenten, eher stillen Abschluss führt. Interessant sind auch die Modifikationen, die Peck mit Drähten und Maschinenteilen an seinem Körper vornimmt, um Wurmlöcher für seine Zeitreise zu erzeugen: Sie erinnern an das neue Fleisch bei David Cronenberg und damit zwangsläufig auch an dessen „Naked Lunch“, in dem Weller die Hauptrolle spielte. Doch auch ohne diese Bezüge ist es eine gelungene Folge, die den Fokus vor allem auf Walter richtet und die anderen Figuren eher zu Nebendarstellern degradiert, aber auch zeigt, wie sehr die Serie auf simple Gut-Böse-Schemata verzichtet, auch in Einzelfolgen, wie man an Pecks Beispiel hervorragend sehen kann.
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Alle fünf Staffeln sind hierzulande bei Warner auf DVD und Blu-Ray erschienen und wurde von der FSK 16 freigegeben. Das Bonusmaterial umfasst Audiokommentare und entfallene Szenen zu einzelnen Episoden, aber auch diverse Specials und Making ofs, die tiefer in die „Fringe“-Mythologie einsteigen.
© Nils Bothmann (McClane)
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