Originaltitel: The School for Good and Evil__Herstellungsland: USA__Erscheinungsjahr: 2022__Regie: Paul Feig__Darsteller: Sophia Anne Caruso, Sofia Wylie, Charlize Theron, Kerry Washington, Michelle Yeoh, Laurence Fishburne, Peter Serafinowicz, Jamie Flatters, Holly Sturton, Rachel Bloom, Rob Delaney, Mark Heap, Earl Cave u.a. |
Obwohl der große Run auf Young-Adult-Verfilmungen eigentlich schon vorbei ist, möchte auch Netflix sein „Harry Potter“ haben. Nach Serien wie „Fate: The Winx Saga“ und „Shadow and Bone“ versucht der Streaming-Gigant es mit „The School for Good and Evil“ nun in Filmform.
Wobei schon der zugrundliegende Romanstoff von Soman Chainani frappierende Ähnlichkeiten zum Welterfolg von J.K. Rowling aufweist. So haust auch hier eine Protagonistin, Sophie (Sophia Anne Caruso), nach dem Tod der Eltern bei nicht unbedingt liebenden Verwandten und will weg aus ihrem Heimatdorf Galvadon. Ihrer besten Freundin Agatha (Sofia Wyle) geht es kaum anders, sind sie und ihre Mutter doch als Hexen verschrien. In einem Buchladen erfahren sie, dass alle ihre Lieblingsgeschichten der Realität entsprechen und die Helden und Schurken dafür in der Schule für Gut und Böse ausgebildet werden. Sophie schreibt einen Brief, in dem sie um Aufnahme bittet, und heftet diesen an einen magischen Wunschbaum. Tatsächlich wird sie von einem Fabelwesen abgeholt – ebenso wie die ebenfalls anwesende Agatha.
Trotz aller Prinzessinnenträume landet Sophie allerdings nicht bei Gryffindor, ähhh, in der Schule des Guten, sondern bei Slytherin, ähhh, in der Schule des Bösen natürlich. Die vermeintliche Hexe Agatha dafür zwischen den Adeligen in der Schule des Guten. Als „Leser“ sind sie allerdings Außenseiter, da sie keinem Legendengeschlecht entstammen, sondern als Normalos mit genug Phantasie und Glaube an Erzählungen in dem Internat gelandet sind. Muggel, ick hör dir trapsen. Die Schurkenriege unter der Führung von Lady Lesso (Charlize Theron) hat allerdings einen gewaltigen Rochus, denn seit 200 Jahren ziehen ihre Vertreter stets den Kürzeren, obwohl die Schule ja angeblich die Balance zwischen Gut und Böse halten soll.
Beide Mädchen müssen sich in ihrem neuen Umfeld eingewöhnen und haben eigentlich andere Ziele: Agatha will schnell nach Hause, Sophie will in die Schule des Guten aufgenommen werden. Wahre Liebe könnte ihr Ticket für den Wechsel sein, wie sie vom Schulleiter (Laurence Fishburne) erfährt, da dies nur guten Seelen vorbehalten ist…
Einen Einblick in “The School for Good and Evil” liefert der Trailer
Obwohl „The School for Good and Evil“ sich mit seinem verborgenen Internat, seinen exotischen Unterrichtsfächern, schrägen Lehrerfiguren und finsteren Verschwörungen, die mehr als nur den Lehrplan umzuwerfen drohen, überdeutlich am „Harry Potter“-Vorbild orientiert, werden immerhin ein paar Stellschrauben gezogen, um das Szenario zu verändern. So gibt es hier zwei relativ gleichberechtigte Hauptfiguren, die auch ganz andere Motivationen als der gute Harry haben: Die eine will in ein anderes Haus wechseln, die andere eigentlich die Kurve kratzen. Das bürstet die handelsübliche Geschichte etwas gegen den Strich und sorgt für ein paar amüsante Momente. Vor allem steht es aber im Dienste des zentralen, teilweise etwas überformulierten Themas: Kann es so etwas wie das rein Gute oder das rein Böse geben? Agatha vollbringt mit ihrer kritischen Haltung mehr gute Taten als die Prinzessinnen und Prinzen an ihrer Schule, während Sophie in ihrem Verlangen zu beweisen, dass sie eine Gute ist, so ehrgeizig und durchtrieben ist, dass sie der Faszination der Macht erliegt.
Blöderweise schafft das Drehbuch von Regisseur Paul Feig („Spy“) und seines Co-Autors David Magee („Life of Pi“) nicht diese Figuren mit echtem Leben zu füllen. Dass Agatha ungewollt Sophies Traum lebt, dass Sophie eine gewisse Eifersucht verspürt, dass König-Artur-Sohn Tedros (Jamie Flatters) als begehrenswertes Boy-Toy zwischen sie kommen könnte – all das ist zwar pflichtschuldig bei der Konflikt- und Figurenentwicklung enthalten, wirkt aber stets wie aus dem Setzbaukasten eingebaut und selten so, als ob es sich wirklich aus den Charakteren ergebe. Auch Figuren wie die schnepfige Anführerin der Prinzessinnen, die Tedros als ihr Eigentum betrachtet, oder der nette Heldenanwärter, der lieber einen Lebensmittelladen aufmachen würde, kommen über Stereotypen nicht hinaus, ähnlich wie die Erwachsenenriege, die aber in vielen Young-Adult-Stoffen Fremdkörper für die Teenagerprotagonisten bleiben.
So setzt vor allem Charlize Theron („Fast & Furious 9“) als süffisante Hausvorsteherin der bösen Seite Akzente, da kann Kerry Washington („Bad Company“) als ihr gutes Gegenstück nicht mithalten. Viele andere der Lehrkräfte sind bessere Stichwortgeber, trotz prominenter Besetzung durch bekannte Gesichter wie Laurence Fishburne („The Ice Road“), Michelle Yeoh („Everything Everywhere All at Once“) oder Peter Serafinowicz („Guardians of the Galaxy“). Im Original spricht zudem Cate Blanchett („Die Journalistin“) aus dem Off eine Chronistinnenstimme, wie eine allwissende Erzählerin im Roman. Der Fokus liegt aber eh auf den Hauptdarstellerinnen Sophia Anne Caruso („Ich bin Nummer Vier“) und Sofia Wyle („Back of the Net“), die recht gute Leistungen erbringen, aber das letzte Quäntchen Brillanz, das gewisse Etwas noch vermissen lassen. Im Falle von Jamie Flatters („Die Schlacht um die Schelde“) fehlt dieses allerdings noch mehr, denn der liefert eine routinierte, aber kaum einprägsame Darbietung als Love Interest ab.
„The School for Good and Evil“ lässt allerdings auch einiges Potential ungenutzt. Da ist zum einen die Tatsache, dass in der Welt des Films alle Sagen, Märchen und ähnliche Erzählungen wahre Geschichten sind. Doch abgesehen von Tedros‘ Herkunft als Sohn von König Artur gibt es noch ein wenig Name Dropping von Robin Hood bis zur bösen Märchenhexe, aber aus dem Background macht Feigs Film enttäuschend wenig und würde genauso gut oder schlecht funktionieren, wenn dort einfach nur beliebige Schurken und Helden ausgebildet würden. Zum anderen sind da moralische Dilemma, die zwar angerissen, aber schnell wieder ad acta gelegt werden. So werden auch in der Schule des Guten Leute, die drei Prüfungen verhauen, einfach wegen mangelhafter Leistungen in Fabelwesen verwandelt – Agatha fragt zu Recht, ob das wirklich „gut“ ist. Professor Dovey (Kerry Washington) guckt angesichts dessen zwar wie Auto ohne Sprit, hat aber keine gute Antwort auf die Frage parat. Agatha scheint das Thema allerdings auch nicht mehr lange zu beschäftigen, denn im weiteren Filmverlauf kommt es kaum zur Sprache.
Immerhin muss man „The School for Good and Evil“ anrechnen, dass der Film sich nicht darauf verlässt, dass man diesen oder jenen Aspekt noch in zig weiteren Fortsetzungen bzw. Schuljahren ausbreiten kann. Denn in seinen rund zweieinhalb Stunden Laufzeit erzählt die Young-Adult-Adaption eine in sich geschlossene Geschichte, der man freilich die Ankündigung antackert, dass man noch jede Menge weitere Storys mit diesen Figuren erzählen könne – schließlich umfasst die Vorlage auch sechs Bände. Doch die Adaption kann auch als Einzelstück bestehen, erzählt seine handelsübliche Geschichte recht kurzweilig, abgesehen vielleicht vom überlangen Auftakt in Galvadon, der sich merklich zieht. Inszenatorisch gelingen Feig einige schmissige Passagen, etwa eine Montage zu einer Coverversion von Britney Spears‘ „Toxic“, in der man sieht, wie sich Sophie vielleicht etwas zu gut in der Schule des Bösen einlebt.
Sowieso hat „The School for Good and Evil“ seine Vorteile eher auf der visuellen Seite. Netflix machte offensichtlich kein „Harry Potter“-äquivalentes Budget locker, weshalb die CGI-Tricks eher aus Mittelklasse stammen, wie man etwa an den Wolfsmenschen oder den Knochenvögeln sieht. Doch Regisseur Paul Feig reizt die vorhandenen Mittel hervorragend aus und erschafft eine optisch einnehmende Märchenwelt, bei der sich Ausstattung und Kostümbild so richtig austoben dürfen, gerade wenn es um die Outfits der Schüler, Schülerinnen und Lehrkräfte gibt.
So bleibt „The School for Good and Evil“ dann allerdings auch nicht mehr als Eye Candy mit einer interessanten, aber unzureichend ausgenutzten Prämisse, welches das „Harry Potter“-Erfolgsrezept nur dezent gegen den Strich bürstet und sich sehr sklavisch am Vorbild orientiert. Trotz prominenter Besetzung fehlt es den Figuren zudem an Leben, auch wenn Charlize Theron als süffisante Schulmeisterin der Schurkenschule noch für Stimmung zu sorgen weiß.
Seit dem 18. Oktober 2022 kann man „The School for Good and Evil” bei Netflix streamen. Als Eigenproduktion ist der Film nur dort zu sehen und wurde nicht von der FSK geprüft. Netflix empfiehlt ihn ab 12 Jahren.
© Nils Bothmann (McClane)
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