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Terrifier

Originaltitel: Terrifier__Herstellungsland: USA__Erscheinungsjahr: 2016__Regie: Damien Leone__Darsteller: Jenna Kanell, Samantha Scaffidi, David Howard Thornton, Catherine Corcoran, Katie Maguire, Pooya Mohseni, Margaret Reed, Gino Cafarelli, Ursula Anderman, Erick Zamora, Phil Falcone, Daniel Rodas u.a.

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Poster

Das Standard-Poster von “Terrifier”

Eine Halloweennacht am Rande einer namenlosen Stadt. Leere Straßen, geparkte Autos. Nur die örtliche Pizzeria ist noch geöffnet. Am Ende des Blocks kauert eine Gestalt im Halbdunkeln. Sie steht teilweise ins Licht geneigt. Ihre Augen haben dich bereits fixiert, als du zu ihr schaust. Zunächst starren sie ewig lange durch dich hindurch, bevor sie auf einmal mit dir kommunizieren. Die Gestalt grinst. Kannst du vorhersagen, wie sich ihre Mundwinkel verzerren werden, wenn sie vollständig ins Licht tritt?

Mit der vorausgehenden Eröffnung, einem TV-Interview mit einer entstellten Überlebenden der nachfolgenden Ereignisse, wird eigentlich ein narrativer Bogen vor den Karren gespannt, der auf erzählerische Ambitionen hinweist. Schnell hat man aber realisiert, dass der nun einsetzende Slasherstreifen mit dem schnörkellosen Titel „Terrifier“ keineswegs von seiner Handlung leben wird. Regisseur, Drehbuchautor und Schnittmeister Damien Leone ist vielmehr an der situativen Komponente interessiert. Er hebt Räume und Distanzen hervor, nutzt die Dauer der Einstellungen, um Eindrücke zu bannen, die sich sonst im Augenblick des Moments verflüchtigen würden. Dadurch verwandelt er Unauffälliges in Unbehagliches. Leone lässt Situationen aus dem Vakuum leerer Drehbuchseiten entstehen und führt sie dann entsprechend des Verhaltens der von ihm erdachten Charaktere in die unvermeidliche Eskalation eines sich zuspitzenden Katz-und-Maus-Spiels.

Als „Art der Clown“ erstmals auf der Bildfläche erscheint, ist er quasi noch unsichtbar. Fast wie Pudelmützen-Wally in den Wimmelbildern von Martin Handford, nur weniger farbenfroh. Da ist im Grunde nichts weiter als das schmutzige Dunkel der Großstadtgassen und das fahle Licht der Straßenlaternen. Genau dazwischen, dort, wo sich Hell und Dunkel trennen, da nistet sich dieser bizarre Strich in der Landschaft ein und nutzt den Kontrast des nächtlichen Edward-Hopper-Ambientes wie einen Tarnanzug. Dabei ist ihm ein Harlekin-Ganzkörperkostüm behilflich, das seinen ohnehin schon schmalen Körper vertikal in zwei Hälften spaltet. Eine weiß, die andere schwarz. Unsichtbar für seine Umgebung, dann aber doch so schrill wie die beiden entgegengesetzten Pole seines schwankenden Gemüts.

Terrifier

Wieso hat man das Gefühl, dass da ein zerlegter Ronald McDonald in dem Müllsack steckt?

Dass Art als Figur letztlich kein Novum in seinem Subgenre ist, sondern bloß die jüngste Permutation in einer Ahnengalerie wahnsinniger Psychokiller, bekommt man schon in der Exposition doppelt zu spüren, denn Freddy Krueger und Michael Myers müssen zweifellos Arts leibliche Eltern sein. Wenn Leone Close-Ups arrangiert, in denen sich sein Antagonist die Lippen schwarz bemalt, die knorrig vorstehende Hakennase weiß schminkt und das kleine Hütchen in Position rückt, das als einzige Asymmetrie im symmetrischen Erscheinungsbild wie eine symbolische Entsprechung des verrutschten Geisteszustands daherkommt, dann muss man das als Verbeugung vor der Eröffnungsszene aus „A Nightmare on Elm Street“ betrachten, in der sich Freddy seine Krallenhandschuhe schmiedete und überstreifte. Von ihm hat Art auch sein theatralisches Gebaren geerbt. Einen ausholenden Expressionismus lässt er walten, der die Stimmung so manches Mal ins Surreale kippen lässt, obwohl in dieser Nacht eigentlich keine übernatürlichen Dinge geschehen; Alpträume manifestieren sich nur als Wachträume auf dem Bildschirm.

Während ein Freddy Krueger jedoch seine Bonmots feuert wie Glückskekse ihre bedruckten Papierstreifen, bekommt Art die klebrig-rot glänzenden Zahnreihen nicht auseinander, so dass seine Schminke zur wächsernen Maske gerät und der Film zum Vertreter des Stummfilms. Es ist die introvertierte Seite des Clowns, die hier zum Tragen kommt. Sie muss das Erbgut von Michael Myers sein, der in der gleichen Jahreszeit unterwegs war, um seine arglosen Zeitgenossen als geräuschlose Silhouette zu terrorisieren, auch wenn sich die urbane Kulisse aus „Terrifier“ vom Vorstadtcharme Haddonfields maßgeblich unterscheidet.

Im Zusammenspiel dieser Gegensätze ergibt sich eine reizvolle Dynamik, beinahe so, als würde man das Versus-Konzept eines „Freddy vs. Jason“ auf den Körper eines einzelnen schizophrenen Bösewichts projizieren. Leone setzt im Folgenden alles daran, diese Dynamik mit Hilfe seines Hauptdarstellers David Howard Thornton begreifbar zu machen. „Terrifier“ ist ungeachtet des Rufs, der ihm inzwischen vorauseilt, nicht ausschließlich eine rohe Schlachtplatte, bei der das Metzgerbeil humorlos auf den Fleischklumpen niederfährt, obwohl gerade das in einigen Momenten durchaus zutrifft. Berüchtigt ist der Film in erster Linie wegen einer Szene, die ihn in letzter Konsequenz auch als harmlosen Partykracher disqualifiziert, wird doch hier die vermeintlich misogyne Ader des Peinigers vom Scheitel bis zur Sohle ausgekostet. Die Szene sticht deswegen so hervor, weil Leonie kurzzeitig den spielerisch-ironischen Aspekt eines typischen postmodernen Slasher-Vertreters aufbricht, um dem sadistischen Hedonismus einer rabenschwarzen Torture-Porn-Orgie freie Bahn zu schaffen. Das kommt in seiner Radikalität trotz der nicht gerade zimperlichen Vorzeichen unerwartet genug, dass einem das Lachen im Halse stecken bleibt, ungeachtet des Umstands, dass einem das vor Ignoranz triefende Opfer nicht eben am Herzen liegt. Dabei muss der Kameramann nicht einmal auf jedes Detail draufhalten, der Exzess ist auch dann noch spürbar, wenn die eigentliche Aktion einige Zentimeter außerhalb des Bildausschnitts stattfindet.

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Man kann das durchaus geschmacklos finden. Dabei ist es aber ja gerade das wahllose Aufgreifen und Fallenlassen von Extremen, das den Killer ebenso unberechenbar wie faszinierend erscheinen lässt. Nicht in jeder Szene geht es darum, den menschlichen Körper auf möglichst kreative Weise zu ent-Art-en. Zur Abwechslung wird dann auch mal zynisch und trocken ein banaler Kopfschuss verteilt. Der nebligen Profilzeichnung des Clowns wird dabei Vorzug gegeben vor dem profanen Unterhaltungswert für das nach Sauereien gierende Publikum, denn wenn Art den Abzug drückt, liegt das Augenmerk nicht auf dem Ergebnis der motorischen Fingerbewegung, sondern auf dem versteinerten Gesicht des Killers, dessen weiße Hälfte zunehmend mit blutigen Sprenklern besudelt wird.

Im Rahmen eines Indie-Slashers wird Thornton in der Hauptrolle jedenfalls ungewöhnlich viel schauspielerischer Freiraum geboten. Die wenigsten Ikonen des Genres haben ihren Ruf irgendwelchen Glanzleistungen von Darstellerseite zu verdanken; kaum jemand würde wohl einen Nick Castle oder Kane Hodder überhaupt auf der Straße erkennen, und doch haben sie Kinogeschichte geschrieben. In dieser Hinsicht steht Art tatsächlich eher in Verwandtschaft seiner offensichtlichen Verwandten, dem Clown Pennywise etwa, der durch die bemerkenswerten Leistungen von Tim Curry und später dann Bill Skarsgard in den jeweiligen „ES“-Verfilmungen in den Kanon der memorabelsten Horrorgestalten einzog, oder der Joker in all seinen Inkarnationen, beziehungsweise mit Blick auf die Stummfilm-Verweise wohl auch dessen Vorlage, Conrad Veidts „Mann, der lacht“. Thornton schließt zwar nicht ganz zu diesen Referenzen auf, erschafft aber eine Figur, die gut genug funktioniert, dass man gebannt wie bei einem Zaubertrick auf ihre Finger schaut, wenn sie in der Pizzeria eine Münze in einen Kaugummiautomaten steckt und einen Ring zum Vorschein holt, um sein potenzielles Opfer damit zu markieren.

Und ja, auch bei der Charakterzeichnung des Beutewilds liegt „Terrifier“ leicht oberhalb des Durchschnitts. Catherine Corcoran mag als Party-Blondine den geltenden Standard im Genre bedienen, nicht aber, weil Leone nicht mehr als das kann, sondern weil er die Figur eben gerade als Gefäß benötigt, um Oberflächlichkeiten darzustellen. Jenna Kanell hingegen erreicht fast schon das Neve-Campbell-Niveau aus „Scream“, was sie auch ihren erstaunlich reif wirkenden Dialogzeilen zu verdanken hat. Lediglich Samantha Scaffidi, die in der zweiten Hälfte zum Cast stößt, bleibt ein wenig blass. Die männlichen Nebendarsteller, darunter Gino Cafarelli und Erick Zamora als Pizzabäcker sowie Matt McAllister als Ungeziefervernichter, spielen wiederum auffällig positiv konnotierte Charaktere, als müssten sie sich im Namen der Männerwelt für die schwerwiegenden Verbrechen Arts entschuldigen.

Terrifier

Die Brünette weiß schon, dass mit dem Clown nicht zu spaßen ist. Die Blonde braucht noch einen Moment.

Über die Gräueltaten des Übeltäters und seine seltsamen Manierismen hinaus hat „Terrifier“ im Grunde gar nicht so viel zu bieten. Seine Schwächen liegen folglich darin, nicht so recht zu wissen, wie er nach der Auflösung eines Akts nahtlos zum nächsten überleiten soll. Einige Subplots sind nicht allzu filigran in den Story Arc integriert, was insbesondere für den Abschnitt um die verrückte Katzenlady (Pooya Mohseni) gilt, der nicht nur überzogen comichaft geraten ist, sondern kaum eine Funktion für den übergeordneten Bogen besitzt, außer aufzuzeigen, dass Art selbst eine durchgeknallte Mutter mit Plastikbaby ganz normal wirken lassen kann. Allzu hübsch ist auch die fahle Lagerhallenoptik nicht geworden, die das niedrige Budget recht offensichtlich werden lässt, obgleich der dahinter liegende Gedanke, die schmuddelige Video-Nasty-Ware der 80er wieder aufleben zu lassen, nicht ganz verkehrt ist.

Alles in allem lässt sich aber durchaus nachvollziehen, weshalb ausgerechnet Art der Clown Anklang in der Szene findet. Er bringt endlich wieder frischen Wind in ein Subgenre, das zuletzt leider hauptsächlich von den alten Fanfavoriten aus den 70er und 80er Jahren am Leben erhalten werden musste, obwohl denen spürbar schon seit vielen Jahren die Knochen wehtun. Art hat im Grunde alles, um die Lücke zu füllen und den Generationenwechsel in Gang zu setzen: Einen fragwürdigen Geisteszustand, eine hässliche Visage und 1001 Wege, seine Mitmenschen am Atmen zu hindern. Mit der Freundin schaut man sich „Terrifier“ eher nicht an, aber dennoch… kein Wunder, dass Art nochmal für eine zweite Runde vom blutverschmierten Boxring aufsteht. Die Meute wird ihn beim Comeback umso frenetischer anfeuern.

06 von 10

Informationen zur Veröffentlichung von “Terrifier”

Wer ist noch gnadenloser als Art der Clown? Na, die FSK! Als Rechteinhaber Tiberius Film bei dem Wiesbadener Verein antanzte, um eine Freigabe für die ungeschnittene Fassung von “Terrifier” zu erhalten, wurde diese verwehrt… was bei Ansicht der ungeschnittenen Fassung nicht allzu sehr verwundert. Tiberius entschloss sich anschließend dazu, eine leicht geschnittene und eine stärker geschnittene Fassung einzureichen, um jeweils eine 16er- und eine 18er-Fassung für den breiten Markt auf DVD/Blu-ray und Video on Demand herausbringen zu können. Die ungeschnittene Fassung wurde an Nameless Media unterlizensiert, die den Film in diversen schnell vergriffenen Mediabooks und schließlich noch in einer Keep-Case-Auflage auswerteten. Im englischsprachigen Ausland war und ist der Streifen auch uncut wesentlich einfacher und vor allem günstiger zu beziehen als hierzulande. Es ist zu erwarten, dass sich der erste “Terrifier” mit der baldigen Veröffentlichung der Fortsetzung noch weiter verbreiten wird. Auf dem britischen Markt ist schon jetzt ein Double Feature mit beiden Teilen verfügbar.

Sascha Ganser (Vince)

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Copyright aller Filmbilder/Label: Tiberius Film / Nameless Media__Freigabe: FSK16 / FSK18 (geschnitten) / ungeprüft (ungeschnitten)__Geschnitten: Ja (FSK16/18)__Blu Ray/DVD: Ja/Ja

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