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The Black Phone – Sprich nie mit Fremden

Originaltitel: The Black Phone__Herstellungsland: USA__Erscheinungsjahr: 2021__Regie: Scott Derrickson__Darsteller: Ethan Hawke, Mason Thames, Madeleine McGraw, Jeremy Davies, E. Roger Mitchell, Troy Rudeseal, James Ransone, Miguel Cazarez Mora, Tristan Pravong u.a.
The Black Phone

Scott Derrickson verfilmte mit “The Black Phone” eine Kurzgeschichte von Joe Hill

Zuerst war Blumhouse-Chef und Produzent Jason Blum skeptisch, als ihm Scott Derrickson („Der Exorzismus von Emily Rose“) das Script von „The Black Phone“ zeigte, lies den Regisseur und Drehbuchautor jedoch gewähren, der seiner Firma schon mit „Sinister“ einen Hit beschert hatte. Blums Vertrauen sollte sich bezahlt machen, denn Derrickson verschaffte ihm erneut einen Erfolg.

Vielleicht hätte der Produzent aber auch gar nicht so kritisch sein müssen, denn immerhin hatte Derrickson eine relativ krisensichere Vorlage, da eine Kurzgeschichte von Stephen-King-Sohn Joe Hill als Vorlage diente. Man kann auch Parallelen zu Kings „Es“ sehen: Das Ganze ist in der Vergangenheit angesiedelt, hier in den 1970ern, während ein Kindesentführer und eventueller Mörder herumläuft. Der Grabber (Ethan Hawke) ist kein übernatürliches Wesen wie Pennywise, nutzt jedoch eine ähnlich kinderfreundliche Fassade wie der Horrorclown, wenn er seine Opfer mit Ballons lockt oder diese als Sichtschutz einsetzt, wenn er Jungs in seinen Van zerrt.

Auch den gesellschaftskritischen Impetus von vielen King-Storys kann man in „The Black Phone“ spüren. Den ähnlich wie in Orten wie Derry aus „Es“ sind viele Einwohner der Vororte von Denver viel zu sehr mit sich und ihren eigenen Abgründen beschäftigt, um dem Grabber gebührende Aufmerksamkeit zu widmen. Das weiß Protagonist Finney (Mason Thames) nur zu gut: Sein alleinerziehender Vater Jeremy (Terence Davis) ist Alkoholiker, an der Schule ist er ein Außenseiter und wird gemobbt. Seine wichtigste Bezugsperson ist seine übersinnlich begabte Schwester Gwen (Madeleine McGraw), deren Fähigkeiten leicht an Danny Torrance in „Shining“ erinnern; außerdem freundet er sich mit dem raubeinigen Robin (Miguel Cazarez Mora) an, der ihn vor Bullies beschützt.

Doch erst fällt Robin dem Grabber zum Opfer, wenig später wird Finney von ihm entführt und in einen Keller gesperrt. An der Wand des Kerkers: Ein kaputtes, schwarzes Telefon. Doch über genau diesen Apparat rufen frühere Entführungsopfer aus dem Jenseits bei Finney an und geben ihm Überlebenstipps…

Schaut euch den Trailer zu „The Black Phone“ an

Ethan Hawke („The Northman“), mit dem Derrickson bereits den erwähnten „Sinister“ drehte, ist der einzige größere Name im Cast und ist in seinen Szenen meist unter Masken verborgen. Das hebt aber die besondere Leistung Hawkes nur heraus, der in erster Linie mit seiner Stimme und seiner Körpersprache spielen muss, den Grabber mit diesen Werkzeugen aber zu einer starken Schurkenfigur macht. Stark ist auch Mason Thames („For All Mankind“) als Protagonist, durch dessen Augen der Zuschauer den Geheimnissen des Grabbers auf die Spur kommt, ebenso wie Madeleine McGraw („Pacific Rim: Uprising“) und Terence Davis („Twister“) als Schwester und Vater Finneys. Allgemein zeichnet sich „The Black Phone“ jedoch durch ein starkes Casting aus, gerade mit Blick auf die Darsteller der früheren Erziehungsopfer, die trotz kleiner Parts Eindruck schinden können.

Dabei gibt ihnen das Script aus der Feder von Derrickson und C. Robert Cargill („Doctor Strange“) ordentlich Raum zum Glänzen, denn „The Black Phone“ erweist sich als erfreulich figurenzentrierter Horrorthriller. Die Opfer des Grabbers sind keine gesichtslose Masse, keine öden Klischeetypen, sondern dreidimensionale Charaktere, die das Script mit nur wenigen Pinselstrichen präzise zu zeichnen weiß. Ähnlich sieht es bei den Familienverhältnissen von Finney aus, die den besonderen Zusammenhalt der Geschwister erklären, der wichtig für die Tätersuche ist. Nur der Grabber an sich bleibt eine bessere Chiffre; er ist halt ein Entführer und Mörder mit einem Schlag an der Waffel, da fällt „The Black Phone“ dann weniger ein.

Ebenfalls sehr stark ist die Seventies-Atmosphäre des Films, die das Publikum von Anfang an zu fesseln weiß. Natürlich hat die Verortung in einem Zeitalter vor Smartphones und anderer omnipräsenter Technik auch erzählerische Vorteile für einen Horrorfilm, da der Grabber in so einer Ära wesentlich weniger Entdeckungsgefahr ausgesetzt ist. Doch Derrickson fängt auch die leicht resignierte, desillusionierte Stimmung jener Ära treffend ein – sie scheint das ideale Umfeld für einen Mörder wie den Grabber zu sein, der mit seinen Taten nur zur allgemeinen Missstimmung beiträgt, wenn er junge Menschen, darunter etwa einen Baseball-Hoffnungsträger, von ihren Familien fort und später aus dem Leben reißt. Dabei setzt „The Black Phone“ weder groß auf Jumpscares noch auf Effekte oder Blut, sondern punktet vor allem mit seiner einnehmenden Atmosphäre.

Diese Pluspunkte helfen dann auch über manche erzählerische Schwäche hinweg. Jeder Geist gibt Finney quasi brav ein Puzzlestück an die Hand, um sich aus den Klauen des Grabbers zu befreien – im Showdown kommt alles dann zusammen. So wirkt „The Black Phone“ bisweilen etwas formelhaft, zumal es den Überlebenskampf noch etwas schmälert, dass der Film nicht allein bei Finney bleibt: Auch die Suche anderer Leute, vor allem seiner Schwester, nach dem Vermissten nimmt immer wieder Laufzeit in Anspruch, was sicherlich realistisch ist, aber manchmal von der Haupthandlung ablenkt. Zumal der Film ja nur so funktionieren kann, dass Finney erst gegen Ende einen erfolgversprechenden Ausbruchsversuch startet, weshalb auch die Suche anderer Charaktere zuvor nicht von Erfolg gekrönt sein kann.

Doch die großen Pluspunkte in Sachen Atmosphäre und Figurenzeichnung übertrumpfen die formelhafte Handlung bei „The Black Phone“ glücklicherweise: Scott Derricksons Horrorthriller lädt zum Drinversinken ein, ist stimmig inszeniert und kann über weite Strecken jenes Feeling erzeugen, das auch Vorbilder wie den ersten Teil von Andy Muschiettis „Es“-Adaption auszeichnete, ohne ganz an diese heranzureichen.

Knappe:

Universal hat „The Black Phone” hierzulande auf DVD und Blu-Ray veröffentlicht, ungekürzt ab 16 Jahren freigegeben. In Sachen Bonusmaterial gibt es entfallene Szenen, Featurettes, einen Audiokommentar von Scott Derrickson sowie dessen Kurzfilm „Shadowprowler“.

© Nils Bothmann (McClane)

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Copyright aller Filmbilder/Label: Universal__FSK Freigabe: ab 16__Geschnitten: Nein__Blu Ray/DVD: Ja/Ja

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