Originaltitel: Hot Seat__Herstellungsland: USA__Erscheinungsjahr: 2022__Regie: James Cullen Bressack__Darsteller: Mel Gibson, Shannen Doherty, Kevin Dillon, Michael Welch, Kate Katzman, Sam Asghari, Eddie Steeples, Lydia Hull, Keith Jardine u.a. |
„Hot Seat“ präsentiert direkt zu Beginn eine Explosion, die dem Zuschauer die Schuhe auszieht. Nicht etwa, weil ihn die optische und akustische Wucht derselben aus den Sessel fegen würde, sondern weil sie schlicht und ergreifend scheiße aussieht – also richtig scheiße. Und, soviel sei direkt zu Beginn verraten, keine der folgenden Explosionen sieht auch nur ansatzweise besser aus. Kein gutes Zeichen für einen Film, der eigentlich bombiges Entertainment bieten will.
Orlando Friar war ursprünglich ein wahnsinnig guter Hacker. Irgendwann wurde er dabei dingfest gemacht und musste sein Leben ändern. Das Ergebnis ist ein langweiliges Spießerleben mit einer Familie, die gelernt hat, ihn zu hassen. Was vor allem darin begründet ist, dass Orlando als Kundendienst-Mitarbeiter für ein IT-Unternehmen nie zu Hause ist. Selbst der Geburtstag der eigenen Tochter ist kein Grund, mal nicht zur Arbeit zu rennen. Dafür bekommt er die Quittung: Seine Frau will die Scheidung.
Doch lange kann sich Orlando darüber nicht den Kopf zerbrechen, denn urplötzlich ertönt über die Lautsprecher seines Büros eine Stimme, die ihm verkündet, sie habe eine Bombe an seinem Bürostuhl installiert. Erhebt sich Orlando, macht es bumm. Folgt er nicht den Anweisungen der Stimme, macht es erst recht bumm. Orlandos Aufgabe: Die Firewalls eines Finanzunternehmens knacken.
Derweil rücken die Cops an, weil sie aufgrund eines fingierten Geständnisses glauben müssen, dass Orlando ein wahnsinniger Attentäter geworden ist. Nur der in Polizeidiensten stehende Bombentechniker Wallace Reed traut dem allzu Offensichtlichen nicht über den Weg.
Schaut in den Billigfilm hinein
Der heiße Stuhl mit Mel Gibson
Kevin Dillon („On the Line“) hatte spätestens nach seiner ikonischen Rolle als Johnny Drama in der grandiosen Serie „Entourage“ seinen Stempel weg. Das extrem tumbe Rollenprofil seiner Figur übertrug sich auf den Akteur und so konnte man ihn in späteren, irgendwie intelligenter gelagerten Rollen einfach nicht ernst nehmen. Ich habe ihn zuletzt zum Beispiel in „Wire Room“ gesehen, in dem er zu doof wirkte, einen Computer überhaupt anzuschalten.
Tja, und nun gibt ausgerechnet er in „Hot Seat“ einen berühmt berüchtigten Hacker mit dem Codenamen Red Knight – und man nimmt es ihm nicht für eine Sekunde ab. Um intelligenter zu wirken, hat Dillon diesmal eine Brille abbekommen, die er, wie Horatio Caine in „CSI Miami“ seine Sonnenbrille, von Szene zu Szene mal auf- und mal absetzt. Mit grandiosen Anschlussfehlern, in denen die Brille mal auf der Nase sitzt, mal nicht, dann wieder da ist und dann wieder nicht. Sehr intelligent… nicht.
Auch was er sagt und macht, es ist einfach nur unglaubwürdig. Die beste Szene: Um sich dem überlebensnotwendigen Knacken der Firewalls widmen zu können, zieht er plötzlich eine Gaming-Tastatur mit bunter Beleuchtung aus seinem Rucksack und meint, die helfe ihm, Abkürzungen zu nehmen. Was haben wir gelacht. Überhaupt: Hollywood und Hackerfilme – was für eine unselige Kombination. Wir erinnern uns ja sicher alle noch an „Passwort: Swordfish“, wo die Rechenkraft eines PCs über die Anzahl der bespielten Monitore bebildert wurde.
Auf diesem Niveau agiert „Hot Seat“ durchgehend. Orlando tippt einfach immer wie ein Wahnsinniger auf der Tastatur herum. Dabei entstehen Codezeilen, die einen Passwortschutz eines angeblich hypersicheren Systems umgehen sollen. Die Passwörter, die probiert werden, sind unter anderem „12345“ und „dragon“. Echt megasicher, so fünfstellige Passwörter. Ein Offenbarungseid und nur eine von ganz vielen ähnlich dummen Szenen.
Doch letzten Endes will „Hot Seat“ eigentlich ein Thriller sein und versucht sich dementsprechend an einem Whodunit um den großen Oberlump. Das wird so durchsichtig, so dumm und so wenig durchdacht ausgeführt, dass man mit Erklingen der „verzerrten“ Stimme des Erpressers SOFORT weiß, wer der Täter ist. Wer es nicht errät, der muss sich „Hot Seat“ ab sofort drei Mal am Tag anschauen und darf sich bei den offensichtlichen Hinweisen zu der ach so unbekannten Identität des Lumps selbst als Kevin Dillon beschimpfen.
Die Story an sich, also ohne diesen ganzen lachhaften Kokolores, bedient die bekannten Klischees derartiger Streifen eigentlich ordentlich. Sie ist aufgrund des Kokolores allerdings null spannend, kein Stück involvierend und von Attributen wie „unterhaltsam“ und „kurzweilig“ meilenweit entfernt.
Vor allem Mel Gibson („Boss Level“) tut einem da als Bombentechniker nur leid. Denn wie in seinen anderen zuletzt nur als Direct to Video erschienenen Filmen hat der Mime Spaß an seiner Rolle. Beleidigt seinen farbigen Partner mit derben Sprüchen und „Action Jackson“-Anspielungen munter durch und hat ein paar prächtige Onliner am Start. Selbige haben dem Film im Alleingang sein R-Rating beschert. Leider spielt er zu wenig mit, um hier wirklich etwas zu reißen. Er hat eine Art Bruce-Willis-Rolle in dieser Emmet-Furla-Oasis-Produktion inne und dürfte kaum mehr als zwei Tage am Set gewesen sein.
Kevin Dillon müht sich zumindest, kommt aber wie bereits erwähnt gegen sein Rollenimage niemals an. Zudem hat sich Shannen Doherty („Fortress“) als durchgehend Kaugummi kauende Einsatzleiterin in den Film verirrt und hat sich ihren Paycheck mit noch weniger Screentime als Mel Gibson erarbeitet. Sie wirkt zudem mehr als nur lustlos. Die restlichen Darsteller von „Hot Seat“, etwa die von EFO-Films immer wieder besetzte Lydia Hull („10 Minutes Gone“, „Arsenal“, „Backtrace“, und und und), sind schlicht und ergreifend katastrophal mies.
In optischer Hinsicht muss man Regisseur James Cullen Bressack („Beyond the Law“) zugestehen, dass er die Hacking-Szenen und die währenddessen steigenden, gegenseitigen Beschimpfungen von Orlando und dem Lump tatsächlich wie Actionszenen inszeniert. Das ist alles rasant montiert und mittels steiler Mucke komplett überdramatisiert. Da fällt beinahe kaum auf, dass ansonsten in dem Film keinerlei Action Platz findet. Nur im Finale wird auch mal kurz geballert, was Trefferwirkungen und Blutspritzer aus dem Rechner provoziert. Ansonsten holt Bressack aus dem höchst begrenzten Schauplatz – ein maximal uncharmanter Bürohausklotz, der den Film von ganz alleine sehr billig wirken lässt –, ebenfalls viel raus. An ihm liegt es also nicht durchgehend.
„Hot Seat“ sorgt für viel Pain in the Ass
Der heftig unterfinanziert wirkende „Hot Seat“ steigt mit einer Szene ein, die jedem Zuschauer Warnung genug sein müsste. Wer nach der eingehenden Explosion nicht ausschaltet, kann nur ein echter Mel-Gibson-Fan sein, der dank seines Stars auf Besserung hofft. Und wirklich: Gibson passt sich in keinster Weise an diese an Arbeitsverweigerung gemahnende Exposition an. Er ist der launigste Aspekt an dem in der unmittelbaren Vorweihnachtszeit spielenden Streifen – Tannenbäume, Geschenke und Weihnachtslieder inklusive.
Was am Ende bleibt, ist ein Thriller, der nicht thrillt, der langweilt, der aus den falschen Gründen zum Lachen animiert, dessen Clou komplett durchscheitert, dessen Schauspieler weitgehend eine Katastrophe sind und dessen Hauptdarsteller man nie im Leben die ihm zugeschrieben Rolle abnehmen würde. Und so kann man nur den Fans von Mel Gibson zumindest nahelegen, diesen Humbug auszusitzen, denn er müht sich. Alle anderen Filmfans finden weitaus bessere Möglichkeiten, sich 90 Minuten zu langweilen.
Die deutsche DVD / Blu-ray zum Film ist für den 26. Januar 2023 von Eurovideo angekündigt. Der ab 16 freigegebene (warum auch immer) Streifen ist ungeschnitten und hat keine Extras zu bieten. Natürlich kann man den Film bei verschiedenen VoD-Diensten gegen einen Obolus auch streamen.
In diesem Sinne:
freeman
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