In Jean-Francois Richets Actionthriller „Plane“ stützt das titelgebende Flugzeug nach einem Unwetter auf einer Insel der Philippinen ab, auf der sich gewaltbereite Separatisten breitgemacht haben. Pilot Gerard Butler und der an Bord befindliche Strafgefangene Mike Colter müssen zusammenarbeiten, um die Passagiere zu beschützen und Hilfe zu holen.
Originaltitel: Plane__Herstellungsland: USA/Großbritannien__Erscheinungsjahr: 2023__Regie: Jean-François Richet__Darsteller: Gerard Butler, Mike Colter, Yoson An, Daniella Pineda, Paul Ben-Victor, Remi Adeleke, Joey Slotnick, Evan Dane Taylor, Claro de los Reyes, Tony Goldwyn, Kate Rachesky, Lilly Krug, Tara Westwood u.a. |
Mit seinem „Assault on Precinct 13“-Remake gab der Franzose Jean-Francois Richet sein US-Debüt, arbeitete jedoch nicht dauerhaft dort. Stattdessen wechseln sich Arbeiten in seiner Heimat wie der „Public Enemy No. 1“-Zweiteiler mit kleineren Hollywoodarbeiten wie „Blood Father“ oder nun „Plane“ ab.
Angesichts des Titels wenig verwunderlich geht es um Luftfahrt im weitesten Sinne, mit dem Piloten Brodie Torrance (Gerard Butler) als Protagonisten. Der fliegt für eine Billig-Airline im asiatischen Raum und will zu Neujahr seine Tochter besuchen. Auf dem Weg dahin muss er noch einen Job absolvieren, einen Flug mit nur 14 Passagieren an Bord, da der Rest der Welt Silvester feiert. Kein sonderlich lukratives Geschäft für die Airline, weshalb es Brodie und seinem Co-Piloten Samuel Dele (Yonson An) untersagt wird ein schweres Unwetter zu umfliegen. Klassisches Katastrophenfilmschema also, in dem Profitgier für eine Katastrophe sorgt, die auch kein hemdsärmeliger Heroismus verhindern kann.
Zusätzlich bekommt Brodie noch zwei Überraschungspassagiere an Bord: Den Strafgefangenen Louis Gaspare (Mike Colter), der sich für eine Mordtat von vor 15 Jahren verantworten muss, und den kanadischen Polizisten Knight (Otis Winston), der ihn beaufsichtigt. Auf dem Flug kommt es wie es im Genre kommen muss: Ein Blitz trifft die Maschine, die Steuerungselemente fallen aus und Brodie muss den Vogel notlanden. Ein paar Anklänge von ‘Sully‘ Sullenberger sind in dieser Darstellung zu finden, wenn Richet auf große Übertreibungen verzichtet, sondern die Notlandung nüchtern und ohne viel Effekthascherei erzählt.
Die meisten Passagiere überleben, doch von Hilfe ist auf unbekanntem Terrain nicht viel zu sehen und das Funkgerät ist auch nicht funktionstüchtig. Als Brodie und der ehemalige Fremdenlegionär Louis sich nach einem intakten Telefon umsehen, müssen sie feststellen, dass auf der Insel philippinische Separatisten das Sagen haben, die ihre Kasse durch das Kidnapping von Touristen aufbessern…
Schaut euch den Trailer zu „Plane“ an
Gerard Butler scheint verstärkt die Supercops, Elite-Agenten und spartanischen Heerführer hinter sich lassen zu wollen, sondern mehr den Everyman-Actionhelden zu geben. Nach dem Ingenieur aus „Greenland“ und dem Bauunternehmer aus „Chase“ nun also der Pilot Brodie Torrance. Der besitzt zwar auch noch genug Schlagkraft und raue Männlichkeit, um als typischer Gerard-Butler-Held durchzugehen, ist aber kein eiskalter Killer, keine Kampfmaschine. Er muss in der Notsituation erstmals töten, ist davon geschockt und greift selten zur Waffe – auch das ist eine Rolle, in der sich Butler macht, zumal er sein Machercharisma am Steuerknüppel immer noch ausspielen kann. Den klassischen Actionheldenpart überlässt er Mike Colter („Black and Blue“), den dieser nicht nur mit körperlicher Präsenz, sondern auch mit Ausstrahlung zu füllen weiß. In der Einsatzzentrale setzen die erfahrenen Nebendarsteller Paul Ben-Victor („The Corruptor“) als Airline-Chef und Tony Goldwyn („Das Belko Experiment“) als Fixer, Yonson An („Mulan“) macht einen guten Job als Co-Pilot. Der Rest der Belegschaft bleibt dagegen weitestgehend unauffällig, von den Fluggästen über das ausgesandte Söldnerrettungsteam bis hin zu den extrem generischen Schurken.
„Plane“ ist sowieso ein reichlich generischer Film, auch wenn man zwei Genres zum Preis von einem bekommt. So ist der Anfangspart klassisches Katastrophenkino, das vor allem durch seine nüchterne, weitestgehend realistische Art auffällt. Es gibt keine großen Explosionen oder plötzlichen Sturzflüge, sondern zehn Minuten, in denen der Vogel auf Batteriebetrieb läuft und Brodie und Dele nach einer Notlandemöglichkeit suchen. Eine Notwasserung wird in Betracht gezogen, die Insel erscheint als rettendes Fleckchen Land. Richet filmt das Ganze spannend und intensiv, lässt das Publikum am mulmigen Gefühl aller Beteiligten teilhaben. Wenn eine nicht angeschnallte Personen bei Turbulenzen erst hochgeschleudert wird, dann auf eine Rückenlehne prallt und sich das Genick bricht, dann ist dies aufgrund von Inszenierung und Sounddesign ein bewusst unangenehmer, nachhallender Moment. Auch das Danach steht im Zeichen des Realismus: Man rationiert die Vorräte, überlegt Rettungsmöglichkeiten und diskutiert darüber, wie man mit dem Strafgefangenen in den Reihen umgehen soll. Dieser Part ist der spannendere, realistischere und auch dramaturgisch geschlossenere Teil des Films.
Der zweite Teil dagegen zerfranst etwas, da sich die Handlungsstränge aufteilen. Da sind Brodie und Louis als Partner wider Willen, die nach Rettung suchen. Das hat einen leichten „Assault on Precinct 13“-Vibe, wenn der Gefangene mit Killerinstinkt auf Seiten der Guten arbeitet – bei Louis wird freilich darauf abgehoben, dass er eigentlich gar kein übler Typ ist, sondern in der Jugend mal einen folgenschweren Fehler machte. Da ist der Rest der Belegschaft, der vor allem zum In-Gefahr-Geraten da ist und aus dem ganz gut umrissenen, aber ziemlichen stereotypen Personal des Katastrophenfilms besteht: Die kompetente Chef-Flugbegleiterin, das großkotzige Arschloch von Geschäftsmann, das Partygirl-Duo etc. Und dann ist da noch das kernige Rettungsteam, das später im Namen des Realismus eingreift, damit es nicht so weit kommt, dass Brodie und Louis ganze Separatistenhorden im Alleingang ausschalten. Vieles davon ist Routine bis Klischee, vor allem all jene Szenen, in denen Brodie seine Tochter kontaktieren will, verabreichen das Sentimentale mit dem Hammer, das den grimmigeren Actionpart etwas aufwiegen soll.
Dort zeigt sich dann auch die inszenatorische Kompetenz von Richet, der spektakuläre Schauwerte und Bodenständigkeit zu verbinden weiß. Keine der Figuren wird zum Superkrieger, kein Nahkampf und kein Shoot-Out wird über Gebühr hinausgezogen, sondern das meiste wirkt so, als könnte es sich bei realen Kampfhandlungen auch so abspielen. Der kreative Kill des Oberbösewichts wirkt da wie eine Ausnahme, wie ein Zugeständnis an Actionkonventionen. Was nicht bedeutet, dass der Krawall nichts hermachen würde. Denn all das ist packend inszeniert und einer spürbar rohen Kraft. Gerade wenn Louis als Gründen der Geräuschvermeidung Wachen im Lager der Separatisten mit einem Vorschlaghammer erschlägt oder der Sniper im Rettungsteam seine Ziele mit Kaliber-50-Projektilen perforiert, dann ist das von einer fast körperlich spürbaren Härte.
Dabei punktet vor allem das spannungstreibende Finale mit seinem Letztes-Gefecht-Flair, ehe dann eine abenteuerliche Rettungsaktion ansteht, bei welcher „Plane“ die Bodenständigkeit etwas hinter sich lässt, damit Brodie am Steuerknüppel doch nochmal so richtig über sich hinauswachsen kann. Allerdings ist dies immer noch realistischer als die Vorstellung, dass die kleine Heldentruppe ein ganzes Heer von Separatisten plattmacht. Dabei handelt es sich freilich um mehr oder weniger gesichtslose Metzelmasse, deren Anführer Junmar (Evan Dane Taylor) sich immerhin durch leinwandtaugliche Grausamkeit auszeichnet, sonst aber keine nennenswerten Eigenschaften besitzt.
So ist „Plane“ dann letzten Endes Gerard-Butler-Konfektionsware, gehört dank der stilsicheren Regie von Richet zu dessen besseren Werken der letzten Zeit. Nicht so gut wie „Criminal Squad“ (dessen Schöpfer Christian Gudegast zu den Produzenten von „Plane“ gehört), aber klar besser als „Angel Has Fallen“ oder „Chase“. Auf einen spannenden Katastrophenfilmpart folgt ein generischer, um Bodenständigkeit bemühter, aber nicht immer glaubwürdiger Actionfilmpart, der durch die Darbietungen von Butler und Colter, die kompetente Inszenierung und die gelungenen Set-Pieces so manches Klischee und diverse Vorsehbarkeiten vergessen machen kann.
Leonine bringt „Plane“ am 2. Februar 2023 in die deutschen Kinos. Eine FSK-Prüfung des Films fand bisher noch nicht statt, eine Freigabe ab 16 erscheint ziemlich wahrscheinlich.
© Nils Bothmann (McClane)
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Copyright aller Filmbilder/Label: Leonine__FSK Freigabe: ungeprüft__Geschnitten: Nein__Blu Ray/DVD: Nein/Nein, seit 2.2.2023 in den deutschen Kinos |